Seite 2: Hall of Fame: Ultima 7 - Das beste Rollenspiel aller Zeiten

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Brot backen

Und so schaffte Ultima 7 etwas, an dem andere Rollenspiele immer noch reihenweise scheitern: Es nahm mich emotional mit, machte mich selbst und mein bislang Erlebtes zum Mittelpunkt der Geschichte. Ich wusste verdammt gut, dass an dieser »Fellowship« irgendetwas gewaltig faul war – bloß nachweisen ließen sich das die aalglatten Teflon-Typen unter Sektenguru Batlin nicht. Selbst mein alter Kumpel Lord British ließ die Bande gewähren.

Also machte ich mich auf die Suche nach Beweisen – und entdeckte die vielleicht liebevollste Spielwelt aller Zeiten. Eine Welt nämlich, in der jeder Bewohner seine eigene kleine Geschichte besaß, in der ich Brot backen und Garn weben durfte, in der es förmlich wimmelte von kleinen und großen Geheimnissen, dem mysteriösen Verschwinden der Magie, einer geheimnisvollen Sternenkonstellation … und in der mir meine Gefährten fast die Haare vom Kopf gefressen hätten.

»I must have food«

Ultima 7 inszenierte seine Welt nämlich so konsequent, dass meine Party-Kameraden in regelmäßigen Abständen einen Happen einwerfen mussten. Das wäre keine große Sache gewesen, aber weil ich natürlich jeden alten Spezi von Iolo bis Shamino in meine Gruppe aufnehmen musste, fraß sich die achtköpfige Mischpoke in beängstigendem Tempo durch Würstchen, Rehkeulen und Käse. »I must have food«, würde Dupre sagen, und ich würde panisch durch Rucksäcke wühlen, in denen es permanent aussah wie bei Hempels unterm Sofa, auf der Suche nach einem letzten Käselaib, von dem ich hätte schwören können, dass er drin ist, was er natürlich nicht ist, weil ihn Shamino bestimmt verputzt hat, als ich mal kurz nicht hingeguckt habe.

In meinem Rucksack sieht’s immer aus wie bei Hempels unterm Bett. In meinem Rucksack sieht’s immer aus wie bei Hempels unterm Bett.

Ich sage ganz unbescheiden: Wenn ich mein Essen gekauft hätte, würden die Bauern und Schlachter von Britannia heute noch in Goldstücken und Edelsteinen baden. Dass sie das nicht tun, liegt ursächlich an einer streng geheimen neunten Tugend. Sie lautet: Was nicht festgenagelt ist, darf vom Avatar eingesteckt werden.

Das Problem mit dieser neunten Tugend ist, dass sie außer mir niemand kennt. Ich sollte mich also nicht dabei erwischen lassen, wie ich dem Metzger das Fleisch oder dem Bürgermeister von Britain das Gold stibitze. Auch von meinen eigenen Kameraden nicht, denn sonst sagen die Sachen wie »Ist das tugendhaft, Avatar?« und verlassen wutentbrannt meine Party.

So geht’s natürlich nicht, denn ich brauche die Kerle für das heillose Durcheinander, das Ultima 7 ein Kampfsystem nennt. Also lasse ich meine Kumpel stibitzen: Wenn ich erst den Rucksack von Dupre aufmache, dann die Kiste vom Bürgermeister, und erst jetzt den Inhalt des einen ins andere verschiebe, ist es so, als habe Dupre geklaut. Klappt astrein – so lange der Bürgermeister im Nebenzimmer schlummert.

Der zweite Teil

Unter dem Titel Ultima 7 Part Two: The Serpent Isle erschien 1993 eine Fortsetzung, die direkt an die Ereignisse von Ultima 7 anknüpft, die gleiche Engine benutzt und sich genauso großartig spielt - wenn nicht sogar noch besser.

Auf der titelgebenden Serpent Isle erkundet der Avatar drei grundverschiedene Städte (mit unterschiedlichen Währungen!), deren Umland und zahlreiche Dungeons.

Produzent war übrigens ein gewisser Warren Spector.

EA und Origin

Was meinem 14jährigen Spieleverstand damals entgeht, ist der Umstand, dass sich der Entwickler Origin diverse Seitenhiebe auf Electronic Arts erlaubt. So bilden die drei Fellowship-Generatoren, die ich im weiteren Spielverlauf zerstören muss, das damalige EA-Logo.

Bestalische Ritualmorde bringen mich auf die Spur von EA: Elizabeth und Abraham. Bestalische Ritualmorde bringen mich auf die Spur von EA: Elizabeth und Abraham.

Und ein mörderisches Sektenpärchen, dem ich durchs halbe Spiel erfolglos nachjage, heißt nicht umsonst Elizabeth und Abraham – man beachte die Initialen. Die Pointe: Ein paar Monate nach dem Release von Ultima 7 wurde Origin geschluckt – und zwar von, wem sonst, EA.

Ach, Ultima 7. Hier sitzen wir immer noch, zwanzig Jahre, einen tollen zweiten Teil und zwei missglückte Nachfolger später, du und ich, wie in alten Zeiten. Origin gibt’s längst nicht mehr, geschluckt und geschlossen, und ich soll über dich schreiben. Morgen ist Abgabe, sagt die Chefredaktion. 5.000 Zeichen sollen es werden, 5.000 Zeichen, in denen ich irgendwie erklären muss, warum du das verdammt nochmal beste Rollenspiel aller Zeiten bist. Aber vorher – tanzen wir noch eine Nacht auf dem fliegenden Teppich? Du weißt schon, um der alten Zeiten willen.

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