Hell Let Loose: Dieses Spiel ist eine einzige Qual und ich komme nicht davon los

Hell Let Loose ist eines der anspruchsvollsten aktuellen Spiele - Dimi hat sich mit Zähnen und Klauen dagegen gewehrt. Bis er gezwungen wurde.

Nach fünf Jahren hat sich Dimi zu einem waghalsigen Shooter-Experiment hinreißen lassen. Nach fünf Jahren hat sich Dimi zu einem waghalsigen Shooter-Experiment hinreißen lassen.

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Der ehemalige GameStar-Redakteur Johannes Friedbert Rohe ist ein Bollwerk der Duldsamkeit. Und das muss er als einer meiner besten Freunde auch sein - vor allem, wenn er mich darum anfleht, Tausende Tode an seiner Seite zu sterben. Seit Jahren bemüht sich Friedbert duldsam und ohne Unterlass, mich zu irgendwelchen Hardcore-Shootern im Multiplayer zu überreden. 2018 war es noch Squad, dann kam Post Scriptum, dann wieder Squad und jüngst: Hell Let Loose.

Er nutzt dafür immer denkbar attraktive Argumente. Du, Dimi, gestern zwei Stunden in einer Partie gehockt, dann leider verloren. Du, Dimi, gestern 20 Minuten in Squad Sandsäcke aufgeschichtet, während mein Kommandant mich anmault, total intensiv. Du liegst da auch mal fünf Minuten in der Wiese, ohne einen Schuss abzugeben. 10 Kills auf 30 Tode ist völlig normal, es geht doch nicht immer ums Ballern.

Mir schon. Ich gehöre zur seltenen Sub-Spezies jener Spieler, die in Shootern gerne schießen wollen. Also habe ich mich über die Jahre immer aus der Affäre gewunden: Squad kostet so viel Geld, Friedbert, und die Mieten in München und überhaupt Inflation und denk doch an die Kinder, die ich ernähren muss (sollte ich irgendwann mal Kinder haben).

Bisher kam ich damit immer gut durch, doch Microsofts Game Pass macht mir jetzt einen Strich durch die Rechnung! Seit Januar 2024 ist Hell Let Loose im Game Pass, also habe ich mich breitschlagen lassen und es begann einer der intensivsten Trips, die ich je in einem Spiel erlebt habe.

Dimitry Halley
Dimitry Halley

Eigentlich wagt sich Dimi gerne an neue Herausforderungen. Erst an Multiplayer-Shooter, später an Forza Motorsport, irgendwann sogar an Hardcore-Strategie - und 2022 ist er dann sogar GameStar-Redaktionsleiter geworden, weil die Leute so gerne an ihm hochklettern. Aber seit er seine 20er hinter sich hat, weiß er ruhige Abende mehr und mehr zu schätzen, neigt sogar zur Bequemlichkeit. Zum Glück hat er Freunde wie Johannes Rohe, die dafür sorgen, dass die Feierabende spannend - und unbequem - bleiben.

Match 0: Nach einer Minute vorbei

Hell Let Loose fühlt sich nicht so fertig an, wie es sollte. Der Multiplayer-Shooter im Zweiten Weltkrieg startete 2019 für einige Jahre in Steams Early Access, erschien 2021 dann als Vollversion, wechselte zwischendurch sowohl den Entwickler, als auch die Designausrichtung, doch 2024 sollte all das Gerümpel eigentlich verstaut sein: Hell Let Loose versteht sich Shooter im Hardcore-Gewand, lässt zwei Teams à 50 Leute in taktischen Schlachten gegeneinander antreten, jeder Schuss ist tödlich, Kommunikation absolutes Pflichtprogramm. Auf Steam quittieren über 15.000 gleichzeitig aktive Fans dem Spiel seinen Charme.

In Hell Let Loose gibts keinerlei KI oder Singleplayer. Hinter jedem Soldaten steckt ein echter Mensch. In Hell Let Loose gibt's keinerlei KI oder Singleplayer. Hinter jedem Soldaten steckt ein echter Mensch.

Doch mein erstes Match dauert kaum eine Minute.

Meine Bildschirmauflösung reguliert sich nämlich einfach mitten im Spiel nach unten, mein Desktop schiebt sich in die untere Bildhälfte, kein Shortcut hilft. Außerdem funktioniert der Voice Chat ausgerechnet bei mir nicht, wo Kommunikation in Hell Let Loose doch so wichtig ist! Ich höre ausschließlich Friedbert, keinen meiner Teamkollegen, und fühle mich plötzlich wieder jung, denn wie damals in meinen ersten schüchternen Wochen bei der GameStar übernimmt jetzt größtenteils Friedbert für mich das Reden.

Dieser Fehler ist sehr skurril, denn Hell Let Loose hat nicht mal einen Partychat. Oder überhaupt ein Partysystem. Oder Matchmaking. Ich fühle mich noch jünger, denn wie Anfang der 2000er müssen Friedbert und ich manuell einen Server auswählen, gleichzeitig auf Beitreten klicken und zum alten LAN-Party-Gott beten, dass wir's ins gleiche Match schaffen.

Wir beenden das verbuggte Match, suchen ein neues und endlich scheint alles - bis auf den Voice Chat - zu klappen. Ich klopfe mir auf die Schulter, die erste Hürde ist genommen, was soll jetzt schon noch schiefgehen?

Ich hatte ja keine Ahnung.

Match 1: Das Sterben beginnt

Mein erstes richtiges Match spielt auf einem Landstrich nahe dem niederländischen Dörfchen Driel bei Arnheim. Holland ist für viel bekannt, aber nicht für seine Berge, also blicke ich auf endlosen Acker, ein paar Bauernhütten, Sträucher und eine große Brücke, die einen Fluss überquert.

Die Weitsicht ist beeindruckend, schließlich gibt's fast kein HUD, das mich mit Bildschirmanzeigen ablenkt. Ich überblicke die Landschaft und mit einem schrillen Pling trifft mich der erste Kopfschuss. Tot.

Friedbert sagt: Kein Ding, das passiert, spawn bitte bei I4. Wie eine Meme-Oma rücke ich mir die imaginäre Brille auf der Nase zurecht und starre ohne jedes Verständnis auf den Respawn-Bildschirm. Was ist denn ein I4? Ich blicke auf einen gigantischen Geländeplan voller Markierungen, es gibt Garnisonspunkte, Hauptquartiere, Außenposten, dazwischen Dutzende blaue Pünktchen, die sich bewegen, außerdem gelbe Kreise und schwarze Kreise und schwarze Schraffuren.

So blicke ich auf die Map von Hell Let Loose (Abbildung ähnlich). So blicke ich auf die Map von Hell Let Loose (Abbildung ähnlich).

Mein Team muss dem Feind Kontrollpunkte abjagen, so viel habe ich verstanden, mehr aber nicht. Ich spawne einfach irgendwo bei Friedbert, das wird schon I4 sein.

Eine Lektion lerne ich schnell: Sobald du in Hell Let Loose deinen Kopf irgendwo rausstreckst, bist du tot.

Die zweite Lektion: In Hell Let Loose ist es sehr einfach, einen Feind zu treffen - meist tötet schon erste Schuss, aber es ist so verflucht schwierig, ihn zu sehen. Die riesigen Maps sind kein Themenpark wie in Battlefield, sondern wirklich endloser Acker ohne jeden Respekt vor der Spielerführung. Hinter jedem kleinen Busch in dieser endlosen Weite könnte ein Gegner lauern und mir mit einem einzigen Klick die Kerzen von der Torte pusten, es gibt keine Markierungen, kein Spotting wie in Battlefield.

Deshalb Lektion drei: In Hell Let Loose geht es um Positionierung und Spielverständnis, das Schießen selbst ist bloß Nachklapp. Anders als bei Call of Duty existieren hier keine Turn Ons, kein Oh, ich werde angeschossen, aber drehe mich noch schnell genug um, um den Feind zu erwischen. Wer den Feind zuerst sieht, gewinnt das Duell. Es geht um strategische Überlegenheit, nicht um Schussgeschick.

Also genau das Gegenteil von dem, worin ich gut bin.

Der WW2-Hit Hell Let Loose beheizt seine neue Winter-Map mit Flammenwerfern Video starten 0:15 Der WW2-Hit Hell Let Loose beheizt seine neue Winter-Map mit Flammenwerfern

Über eine Stunde - denn so lange dauern Matches in Hell Let Loose - bekomme ich nur auf die Schnauze. Pling, Pling, Pling, ein Tod nach dem anderen. Normalerweise spiele ich Multiplayer-Shooter tiefenentspannt. Klar, ich fluche wie ein Rohrspatz, wenn mich in Call of Duty wieder ein 13-Jähriger rasiert, aber CoD geht mir nie wirklich unter die Haut. Hell Let Loose schon.

Selbst Friedbert, das Bollwerk der Duldsamkeit, sagt irgendwann: Hey, wir können auch aufhören, wenn es dir keinen Spaß macht. Das macht er nicht aus Fürsorge, sondern weil ihm mein Gefluche verständlicherweise auf den Zeiger geht. Ich beende das Match mit einer desaströsen Kill-Death-Ratio, habe vielleicht eine Handvoll Abschüsse, bin dafür 30 mal gestorben, ein absolutes Desaster.

Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen.

Match 2: Endlich Spaß! Oder?

Im nächsten Match lerne ich etwas über Rollen. Also nicht die Dinger an meiner Hüfte, sondern unterschiedliche Teamaufgaben. Aus Battlefield kenne ich die vier Soldatenklassen Assault, Pionier, Medic und Aufklärer, in Hell Let Loose gibt es 14 (!) davon. Weil ich viel ballern und wenig denken möchte, wähle ich den klassischen Gewehrschützen - und finde endlich Spaß!

In Hell Let Loose gibts 14 Rollen, jede Seite hat beispielsweise einen Kommandanten und eigene Panzer-Crews. In Hell Let Loose gibt's 14 Rollen, jede Seite hat beispielsweise einen Kommandanten und eigene Panzer-Crews.

Die Map heißt Kursk, irgendwo an der Ostfront, wieder blicke ich auf einen gigantischen, braunen, ebenen, respektlosen Acker, diesmal allerdings zerfurcht von den endlosen Schützengräben. Mittlerweile verstehe ich Gegnerbewegungen besser, also wähle ich mir eine Flankenroute durch die Gräben und der Plan geht auf! Ich erwische haufenweise Feinde überraschend von der Seite, pflücke mit meinem Karabiner Gegner für Gegner von der Wiese, endlich fühlt sich Hell Let Loose gut an!

Friedbert ist sehr unzufrieden mit mir.

Bitte versetz jetzt zu mir, sagt er. Und komm als Versorger rein. Ich breche meinen Siegestaumel ab, um zu versetzen. Versetzen heißt in Hell Let Loose: Bitte bring deinen Charakter über das Menü selbst um und spawne neu, du bist an der jetzigen Position völlig nutzlos. Also wechsle ich die Rolle, habe natürlich keinen Schimmer, was genau ein Versorger in Hell Let Loose zu tun hat.

Friedbert sagt: Lauf jetzt bitte unserem Kameraden hinterher und wirf Ressourcen ab, sobald ich es dir sage! Wie ein guter Soldat hinterfrage ich keine Befehle, spurte über das offene Feld, dem Kameraden an die Fersen geheftet. Irgendwie werde ich auf dem Weg schon rausfinden, wie ich Ressourcen abwerfe. Und warum.

Ein Artilleriegeschoss schlägt ein und von meinem Kameraden bleibt nur ein paar Stiefel übrig.

Friedbert sagt: Dimi, lauf jetzt bitte dem anderen Kameraden hinterher! Ich drehe blitzschnell um, sprinte zurück und folge dem anderen Kollegen, während ich meinen Helm festhalte. Um mich herum peitschen mir Kugeln um die Ohren. Eine davon trifft den Kameraden in den Kopf.

Friedbert sagt: Das war jetzt schlecht.

Ich: Aber das ist doch nicht meine Schuld! Ich mache genau, was du sagst!

Friedbert: Gib jetzt Ruhe und versetz dich zu Garnisonspunkt 06.

Letztes Jahr war ich übrigens Friedberts Trauzeuge, aber an der Front von Hell Let Loose gibt's keinen Platz für Gefühlsduselei und freundschaftliche Wärme. Friedbert hängt nämlich voll in der Befehlskette: In Hell Let Loose kann nicht jeder mit jedem reden, bei 50 Spielerinnen und Spielern pro Seite müssen die Gesprächskanäle entsprechend flutschen.

Wer auf Kursk den Kopf aus dem Schützengraben streckt, erntet sofort ein Pling! Wer auf Kursk den Kopf aus dem Schützengraben streckt, erntet sofort ein Pling!

Jeder Squad kann mit dem eigenen Squad-Offizier sprechen, Offiziere funken wiederum über einen exklusiven Voice-Kanal mit anderen Offizieren und dem Kommandanten des gesamten Teams. In Hell Let Loose herrscht strikte Kommunikationsbürokratie und wenig überraschend nimmt gerade der deutsche Teil der Community die dankbar an - und sehr ernst.

Friedbert hat also permanent andere deutschsprachige Hell-Let-Loose-Enthusiasten im Ohr, die ihm mit der Emphase eines Finanzbeamten Sprüche wie Da müssen wir jetzt reindrücken oder Bitte Garnison in E5 hochziehen, na, los jetzt! an den Kopf werfen.

Friedbert sagt irgendwann: Puh, das nervt schon ein bisschen, wenn man die ganze Zeit kritisiert und rumkommandiert wird.

Fürwahr, Friedbert, fürwahr.

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