Die Strategie-Hoffnung Humankind wird immer besser - nur nicht schnell genug!

Maurice hat sich eine aktuelle Version des kommenden Humankind angeschaut und verrät euch in seiner Preview, an welchen großen Kritikpunkten die Entwickler geschraubt haben.

Humankind sollte dringend nochmal verschoben werden Video starten 14:05 Humankind sollte dringend nochmal verschoben werden

Humankind hat das Zeug zum ersten großen Strategie-Hit 2021 - aber eben nur das Zeug. In meinem ersten Anspiel-Video musste ich an jedes große Lob für das Spiel ein genauso großes ABER dranhängen. Die gute Nachricht: Offensichtlich richten sich die Entwickler genau wie die Diablo-Macher zu 100% nach meinen Videos!

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Sie haben Humankind danach vom April auf den 17. August verschoben, um genau an den Punkten zu schrauben, die ich kritisiert habe. Das ist so vorbildlich, da muss ich ja einfach nochmal reinschauen. Ich konnte eine neuere Version des Spiels unter die Lupe nehmen, die eine Epoche weiter bis ins Industriezeitalter ging. Nur noch die letzte, die Gegenwart, fehlte.

Also: Hat Humankind seine großen ABERS aus dem Weg geräumt? Naja … zum Teil. Es ist tatsächlich deutlich besser geworden, und das stimmt mich zuversichtlich, dass die Macher die Verschiebung gut nutzen. ABER - Humankind hat immer noch eklatante Probleme, die nicht leicht in den Griff zu kriegen sein dürften.

Der Autor
Maurice Weber hat nach eigenen Angaben 89 Jahre Berufserfahrung als Strategie-Experte der GameStar. Er hat seine eigene Existenz so augmentiert, dass er Schlaf vollständig durch Total War und Civ ersetzen konnte. Mit wechselndem Erfolg zeigt er beim monatlichen Ränkespiel sein Können in Anno, Crusader Kings, Age of Empires und Co. In seiner Freizeit sortiert er gerne seine Monokel-Sammlung.

Das macht ihn zu einem so vielbeschäftgen Mann, dass er manchmal das Schreiben seiner Autorenkästen an Kollegin Géraldine auslagert, die mit dieser Aufgabe sehr verantwortungsvoll umgeht.

Mit welchen Problemen kämpft Humankind?

Gehen wir das mal Punkt für Punkt durch. Ich will mich dabei auf die in meinen Augen fünf wichtigsten Kritikpunkte aus meiner letzten Preview konzentrieren. Wir müssen hier nicht nochmal durchdiskutieren, dass wir in der Steinzeit arg belanglos einfach ein Ressourcen-Depot nach dem anderen abklappern. Das haben die Entwickler absichtlich gemacht, um den Einstieg zu erleichtern, und hey, die Steinzeit dauert sehr historisch korrekt auch nur 10 Minuten, also was soll's.

Mir geht's hier um die grundlegenderen Probleme, die sich durch das ganze Spiel ziehen, und deren gab es meiner Meinung nach damals 5:

  • Nummer 1: Die Zeitalter vergingen zu schnell, sodass ich mit manchen Kulturen kaum Zeit hatte, sie voll auszuschöpfen.
  • Nummer 2: Städtebau verlor ab dem Midgame jede Spannung, weil ich mich vor Ressourcen kaum noch retten konnte.
  • Nummer 3: Dadurch konnten auch die eigentlich guten Ideen hinter Spielmechaniken wie Kultur und Religion ihr Potenzial nicht entfalten.
  • Nummer 4: Die Kampfbalance machte mich selbst mit kleinsten Wertevorteilen fast unbezwingbar überlegen.
  • Nummer 5: Die eine Siegbedingung, Ruhmespunkte, sind weniger vielfältig als Civ mit seinen unterschiedlichen Siegespfaden, und macht es Völkern, die zurückfallen, sehr schwer aufzuholen.

Voll ausgebaute Städte sehen klasse aus, produzieren aber so viele Ressourcen, dass der strategische Tiefgang komplett flöten geht. Voll ausgebaute Städte sehen klasse aus, produzieren aber so viele Ressourcen, dass der strategische Tiefgang komplett flöten geht.

Was hat sich bei den Zeitaltern getan?

Und nun schauen wir doch mal, was sich bei diesen Punkten getan hat. Den ersten, die zu schnell verstrichenen Zeitalter, muss ich allerdings für diese Preview noch ausklammern. Denn die Entwickler versprechen hier zwar einen Fix, den konnte ich aber noch nicht ausprobieren.

Im fertigen Spiel sollen wir unterschiedliche Spielgeschwindigkeiten wählen können, sodass wir mehr Zeit in jedem Zeitalter verbringen. Das macht Civ auch so, und es wäre eine gute Lösung - nur wie gut die Geschwindigkeiten dann alle ausbalanciert sind muss ich eben noch selbst im Spiel ausprobieren.

Aber es ist völlig sinnvoll, dass für so ein Presse-Anspielevent eher eine schnelle Geschwindigkeit gewählt wurde, man kann ja nicht erwarten dass alle Teilnehmer das Spiel hier schon wochenlang spielen - deswegen will ich hier noch keinen Negativpunkt geben. Ich kann aber sagen, dass mir dieser Punkt weiter Sorgen macht, denn in meinem Durchlauf war weiter vor allem das Verhältnis zwischen den Zeitaltern problematisch.

Die frühen Zeitalter konnte ich selbst bei der eher schnellen Event-Geschwindigkeit durchaus auskosten, und das zeigte mir mal wieder enorm gelungen die Kulturwechsel-Mechanik von Humankind wirklich ist.

Ich hatte als antiker Ägypter einen aggressiven KI-Nachbarn, der mir auch noch ein Zeitalter voraus war und ständig Gebiet an meiner Grenze beanspruchte - Krieg schien unausweichlich, aber meine Chancen standen nicht gerade optimal. Als ich gerade noch rechtzeitig selbst in die nächste Epoche sprang, war mein erster Gedanke also, ein Kriegervolk wie die Römer zu wählen. Das Problem damit: Ich hatte kein Eisen für meine Legionäre und die Römer hätten mich nicht unbedingt aufholen lassen.

Eine schlau platzierte Stadt: Greift der Feind von Süden an, haben wir auf dem Berg einen Höhenvorteil. Eine schlau platzierte Stadt: Greift der Feind von Süden an, haben wir auf dem Berg einen Höhenvorteil.

Also hab ich die Griechen gewählt - ein Wissenschaftsvolk. Forscherkulturen können in ihren Städten alles Gold und alle Produktion in Wissenschaft umwandeln und damit hab ich im Akkord mein Militär aufgerüstet, um gerade rechtzeitig Hopliten am Start zu haben, als die Nachbarn einfielen. Die wiederum bilden mit ihrer Phalanx eine fantastische Defensiv-Einheit, weil sie sich gegenseitig stärken, solang sie Schulter an Schulter die Linie halten.

So konnte ich einen aussichtslosen Krieg mit einer ungewöhnlichen Strategie drehen und mein Volk voll ausnutzen - das war einfach ein cooler Moment, den es in Civilization so nicht hätte geben können. Da zeigt sich die Stärke von Humankind, mir für jede Epoche ein neues Volk mit Boni für diese Epoche anzubieten, während ich in Civ zum Beispiel nie in jeder Ära eine eigene Spezialeinheit habe.

Nur in den späteren Zeitaltern hat das alles nicht mehr so recht zusammengepasst: Kaum hatte ich etwa in der frühen Moderne das Schießpulver entdeckt, wars auch schon an der Zeit ins Industriezeitalter voranzuschreiten und ich musste Schießpulver eigentlich schon wieder hinter mir lassen und schnellstmöglich Kohle und Öl erschließen.

Ich hab in der frühen Moderne genau wie in der Antike eine Stunde verbracht, aber die Antike konnte ich derweil auch in Ruhe mit ihren Besonderheiten erleben und die Moderne nicht. Wenn bei langsamerem Spieltempo einfach jedes Zeitalter doppelt so lange dauert, aber das Balancing-Verhältnis gleich bleibt, dass ich erst zu den Besonderheiten der frühen Moderne komme, wenn ich schon kurz vorm Industriezeitalter bin, dann würde diese Option das Problem höchstens zum Teil lösen. Deswegen: Abwarten.

Humankind - Erste Screenshots ansehen

Wie hat sich die Städtebaubalance verbessert?

Eng mit diesem Problem verbunden ist Kritikpunkt Nummer 2: Die Städtebaubalance. Und hier hat sich mit am meisten getan. Die Entwickler haben tatsächlich einige sehr sinnvolle Änderungen gemacht, damit ich bedachter bauen muss.

Einzigartige Volksgebäude wie die Pyramiden kann ich jetzt nur noch einmal pro Gebiet errichten. Ich kann also nicht mehr einfach meine komplette Stadt mit Teutonenkathedralen zupflastern wie in meinem ersten Durchlauf damals. Auch der übermächtige Dorfbezirk wurde geschwächt und baut jetzt nur noch zwei der vier Ressourcen ab statt alle auf einmal.

Insgesamt machte der Städtebau jetzt deutlich mehr Spaß, weil ich mehr über meine Bauprojekte nachdenken musste. Damit konnte das Spiel die Stärke seiner grundlegenden Ideen besser ausspielen, denn ich mag die Baumechaniken von Humankind echt gern - es macht einfach Spaß, seine Städte puzzleartig zu immer größeren Metropolen auszubauen.

ABER… Humankind hat die Balancing-Probleme mit seinen Änderungen leider nicht aus der Welt geschafft, sondern nur nach hinten verschoben. Es dauerte länger, bis ich im Ressourcen-Überschuss ertrank - aber der Moment kam trotzdem irgendwann.

Am Interface wollen die Entwickler noch schrauben, besonders das unübersichtliche Diplomatie-Menü soll noch verbessert werden. Am Interface wollen die Entwickler noch schrauben, besonders das unübersichtliche Diplomatie-Menü soll noch verbessert werden.

Ich hatte irgendwann so viel Geld, dass ich fast jeden Bau direkt kaufen konnte statt langsam zu bauen. Dabei hatte ich nie eine Händlerkultur gewählt und nie gezielt auf Gold gespielt! Und dann krieg ich ein Event, wo eine Entscheidung den Nachteil hat, 450 Gold zu kosten - wenn ich 50.000 auf dem Konto hab. Das passt einfach nicht zusammen.

Sobald Humankind mal den Punkt erreicht, an dem ich einfach blind alle Stadtupgrades durchklicke, fällt der Spielspaß rapide. Zumal es viel zu viele von diesen passiven Upgrades gibt, die alle nur kleinere Wirtschaftsboni bringen - die ich ja aber kaum noch brauche, weil ich alles im Überfluss habe.

Ich will den Entwicklern trotzdem zugute halten, dass sie das Balancing merklich verbessert haben. Also gebe ich fürs Bau-Balancing einen halben Punkt - das Spiel ist auf dem richtigen Weg, und wenn die Entwickler so weitermachen könnte das bis zum Release gefixt sein. Aber der 17. August ist eben auch nicht mehr ewig weit weg.

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