Bestenfalls 30 Minuten habe er in der Nacht zuvor geschlafen, sagt Josef Fares, aber wen kümmert das. Einen Mann wie ihn sicherlich nicht. Die Stimme kratzt, die Nase pfeift, dennoch sitzt der Händedruck: »How is it going?« Der Gruß klingt ebenso freundlich wie aggressiv, ein bisschen so, als strecke uns Niko Bellic aus GTA 4 gerade gleichzeitig die Hand und das Sturmgewehr entgegen. Wunderbar, genauso haben wir uns Fares vorgestellt, den heimlichen Star der letzten E3.
Während auf den Pressekonferenzen der großen Publisher meist stocksteife Designer ihre vorgekochten PR-Phrasen runterleiern, stampfte er bei der Vorstellung von A Way Out ebenso selbstbewusst wie enthusiastisch über die Electronic-Arts-Bühne: »So ein Koop-Spiel habt ihr noch nie erlebt! Ich weiß, ich klinge großspurig, aber es stimmt! Ich bin so aufgeregt! Ich lebe und atme dieses Spiel! Es wird geil!« Jubel, Applaus, Verwunderung: Ist der Kerl echt?
Ist er. Ein halbes Jahr später entert Fares die Bühne der Game Awards, ruft zum sichtlichen Unbehagen des Moderators Geoff Keighley: »Scheiß auf die Oscars!«, und: »Das Spiel hat nichts von dem EA-Scheiß, der gerade die Runde macht, mit Lootboxen und so!« Jubel, Applaus und … Hat Fares gerade seinem Geldgeber den Mittelfinger gezeigt? Auf einer Preisverleihung, die live ins Internet übertragen wird? Einen wie ihn kümmert das nicht.
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Schlank ist er, fast drahtig, und er will so gar nicht hier nach Schweden passen, wo sie oft so unnachahmlich unaufdringlich sind und ruhig, auf der Straße ebenso wie im Hauptsitz von Dice in Stockholm, wo wir Fares treffen. Die Battlefield-Macher geben seinem Entwicklerstudio Hazelight ein Dach über dem Kopf, knapp 40 Menschen arbeiten hier an A Way Out.
Fares ist ihr kreativer Leiter, ihr Lautsprecher. Aber was treibt diesen Mann, der als Zehnjähriger aus dem Libanon nach Schweden kam, seine Karriere als Filmregisseur begann und sich schließlich dazu entschied, unter die Spieleschaffenden zu gehen? Was treibt den Mann, der sagt, er lebe lieber als Landstreicher als etwas zu tun, für das er keine Leidenschaft empfinde?
Den Mann, der sagt, dass ihn Geld nicht kümmere, weil es auf dem Sterbebett ohnehin egal sei, wie viel Geld man habe? Während die schwedische Hauptstadt draußen aus dem Montagmorgenfrost erwacht, gehen wir seinem Mysterium, seiner Designphilosophie und seiner Lebenseinstellung auf den Grund.
Eine Koop-Story, die spaltet:A Way Out im Test
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Wer ist Josef Fares?
Josef Fares' Wurzeln liegen 3.110 Kilometer südsüdöstlich von Stockholm, am 19. September 1977 wird er in Beirut geboren, der Hauptstadt des Libanon. Im Alter von zehn Jahren verlässt er seine vom Bürgerkrieg geplagte Heimat gemeinsam mit Eltern und Geschwistern. Da eine Tante bereits in Schweden lebt, zieht es Fares' Familie ebenfalls nach Stockholm.
Mit 20 Jahren beginnt er ein Studium an der Filmhochschule und dreht Filme mit Freunden und Verwandten, die er später auch in professionelle Produktionen einbindet. Sein älterer Bruder, der Schauspieler Fares Fares, sein Vater, seine Schwester und seine Tante treten immer wieder auf, meist in Nebenrollen.
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