Seite 2: Kingdom Come: Deliverance im Test - Das tschechische Gothic

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Breite statt Tiefe

Das ändert aber nichts daran, dass Tiefe genau das ist, was der Hauptgeschichte fehlt. Auch die angesprochenen Zeitgeschehnisse wie Ketzerverfolgung, der Angst vor dem Schwarzen Tod, Aberglaube oder der aufkeimende Zwist zwischen Reformatoren und der Kirche werden lediglich oberflächlich gestreift.

Gerade von einem Rollenspiel hätten wir uns gewünscht, dass man sich mit Entscheidungen und Konsequenzen mitten in solche Themen hineinstürzt und beispielsweise in einem Spannungsfeld aus Denunziation und bäuerlicher Angst seinen eigenen Weg finden muss.

In Dialogen wählt Heinrich sein Auftreten: Kriegerisch, vornehm oder wortgewandt. In Dialogen wählt Heinrich sein Auftreten: Kriegerisch, vornehm oder wortgewandt.

Wie gesagt: Dieser mangelnde Tiefgang in der konventionellen Story ist der Preis, den Kingdom Come zahlt, wenn es in alle Bereiche des mittelalterlichen Lebens »reinschnuppern« will. Allerdings heißt »konventionell« ja nicht automatisch »schlecht«. Die Reise des jungen Heinrich erfüllt ihren Zweck, hält bei der Stange und bleibt immer nachvollziehbar. Sie überrascht nur eben nicht, ergreift uns (abseits des gelungenen Anfangs) selten emotional und bleibt weit hinter der Story-Exzellenz eines The Witcher 3 zurück.

Dass wir hier so ausführlich über die Handlung sprechen, hat natürlich seine Gründe: Wer Kingdom Come: Deliverance in der Hoffnung kauft, endlich mal wieder wie in einer Rollenspiel-Sandbox 400 Stunden mit dem Aufstöbern von feindlichen Lagern, Schatztruhen und neuer Beute zu verbringen und komplett frei über sein virtuelles Leben zu entscheiden, der dürfte eine Überraschung erleben.

Plus Podcast: Die Tragödie des Mittelalters - Warum es als Setting so selten genutzt wird

Deliverance ist kein Skyrim

Deliverance ist kein Skyrim, sondern ganz und gar ein questbasiertes Story-Rollenspiel. Klar, es gibt schon einige Räuberverschläge oder andere Sehenswürdigkeiten in der Welt zu entdecken, doch man sollte sich davon nicht täuschen lassen: Was den Spieler wirklich nach vorne treibt, sind die Geschichten der zahlreichen Haupt- und Nebenquests.

Held Heinrich eröffnen sich keine neuen Karrierepfade, er wird nicht hauptberuflich zum Gelehrten, schließt sich keinen Gilden an und baut auch keine eigenen Behausungen. Stattdessen bleibt sein grober Weg durch die Story vorgegeben, lediglich beim konkreten Vorgehen und der Art und Weise, wie wir Groschen scheffeln, sind wir völlig frei - und natürlich im Erkunden der Spielwelt.

Die Weltkarte bietet durchaus Orte zur Erkundung, allerdings verbirgt sich lange nicht hinter jedem Hotspot eine tatsächliche spielerische Herausforderung. Die Weltkarte bietet durchaus Orte zur Erkundung, allerdings verbirgt sich lange nicht hinter jedem Hotspot eine tatsächliche spielerische Herausforderung.

Aber das soll überhaupt nicht nach Kritik klingen, denn mit dem Schwerpunkt auf Questdesign spielt Entwickler Warhorse eine weitere große Stärke von Kingdom Come aus.

Fetch Quests with Attitude

Wer nach knapp 30 Spielstunden mal einen Blick in sein Questjournal wirft, der könnte Kingdom Come schnell die falschen Vorwürfe machen. Dort finden man nämlich durchaus Aufträge der Güteklasse »Bringe mir 20 Hasenbeine«, »Sammle zehn Mohnblumen« und »Stiehl fünf Wappenröcke«.

Allerdings verbergen sich hinter diesen Aufgaben anders als bei den stumpfen Sammelquests eines Mass Effect: Andromeda fast immer unterhaltsame und/oder atmosphärische Tätigkeiten.

Um beispielsweise an die Wappenröcke zu kommen, muss Heinrich nachts klammheimlich in die Waffenkammer der Burg Talmberg eindringen. Die 20 Hasenbeine setzen indes eine erfolgreiche Jagd voraus: Hinter dem Erlegen von Tieren verbirgt sich ein stimmungsvoller Ausritt in den böhmischen Wald und das geschickte Handhaben des Bogens (Fadenkreuz gibt's nicht).

Tja, und für die Mohnblumen muss man erstmal rausfinden, wie Mohnblumen überhaupt aussehen. Klingt nach einer banalen Kleinigkeit, aber kurioserweise finden wir's herrlich erfrischend, mal wieder für ein Rollenspiel Google bemühen zu müssen (Wir elenden Stadtkinder!).

Die edle Nachtigall

Einmal sind wir eine halbe Stunde durch den Wald geirrt, um drei Nachtigallen zu fangen. Der Auftraggeber hatte lediglich den Gesang der Nachtigall imitiert - so gut das ein wahrscheinlich betrunkener Halunke halt hinbekommt.

Die Wälder von Kingdom Come sind das optische Highlight des Spiels. Die Wälder von Kingdom Come sind das optische Highlight des Spiels.

Also haben wir YouTube angeworfen, uns den Singsang einfach aufs rechte Ohr gelegt und mit dem linken den Geräuschen der Natur gelauscht. Letztlich war die ganze Unternehmung ziemlich dämlich, weil die Vögel sich sehr deutlich bemerkbar machen, wenn man am richtigen Ort ankommt.

Aber trotzdem: So trocken diese Quest auf dem Papier vielleicht klingen mag, im eigentlichen Spielgeschehen haben wir's als herrlich stimmungsvolle Anekdote verbucht. Und keine Sorge, falls ihr solche »Fetch Quests« auf Gedeih und Verderb meidet: Sie machen nicht die Mehrheit von Heinrichs Missionen aus.

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