»Kopfschütteln über 2008« - Ein Blick zurück von Christian Schmidt

Kolumne: Ein Blick zurück von Christian Schmidt

"World of Warcraft liegt im PC-Markt wie ein schwarzes Loch, dass gigantische Mengen an Zeit und Geld aufsaugt." "World of Warcraft liegt im PC-Markt wie ein schwarzes Loch, dass gigantische Mengen an Zeit und Geld aufsaugt."

Irgendjemand muss es ja aussprechen: 2008 war kein gutes Jahr für PC-Spiele.

Um 17% sind die Verkaufszahlen von PC-Spielen in den ersten neun Monaten 2008 in Deutschland eingebrochen. Da fehlt natürlich noch das wichtige Weihnachtsquartal, aber selbst damit ist absehbar, dass der PC-Markt -- genau wie letztes Jahr -- weiter schrumpfen wird.

Wo sind die Spieler hin? Ein Teil wechselt zu den Konsolen, deren Verkäufe nach wie vor rapide wachsen, ein nicht zu unterschätzender Teil vor allem der jungen Spieler hängt inzwischen in (pseudo-)kostenlosen Browser-Spielen. Und dann ist da World of Warcraft.

Weit über 400.000 Mal hat sich das Addon Wrath of the Lich King hierzulande verkauft. Es steht damit auf Platz 1 der deutschen Jahresverkaufscharts 2008. Auf Platz 2 folgt World of Warcraft, auf Platz 3 World of Warcraft: Burning Crusade. Danach kommt lange nichts. Man muss die Gesamtmenge der nächsten fünf erfolgreichsten PC-Spiele 2008 zusammenzählen, um allein auf die 380.000 Stück zu kommen, die Wrath of the Lich King in einer Woche umgesetzt hat.

Vor zehn Jahren sprangen Spitzenspiele auf dem PC aus dem Stand über die 100.000er-Hürde, erst dann galten sie aus Erfolg. 2008 schafft es ein Far Cry 2 mit Ach und Krach über die 60.000. Kein einziges PC-Spiel, das 2008 neu erschienen ist, hat in Deutschland 100.000 Stück verkauft, auch GTA 4 nicht. Außer dem Lich King.

World of Warcraft liegt im PC-Markt wie ein schwarzes Loch, dass gigantische Mengen an Zeit und Geld aufsaugt.

Das ist das eine Problem. Das andere, womöglich gravierendere lautet: Die meisten großen Spielehersteller nehmen den Kernmarkt auf dem PC nicht mehr sonderlich ernst. Wohlgemerkt, den Kernmarkt -- bei Gelegenheitsspielen, Browserspielen, Online-Rollenspielen wollen alle gern dabei sein. Aber die klassischen Vollpreis-Titel werden auf dem PC zweitrangig. Diese bittere Erkenntnis drängte sich Spieler 2008 in doppelter Hinsicht auf.

Zum einen erscheint ein wachsender Anteil wichtiger Spiele inzwischen zuerst auf den Konsolen und erst mehrere Monate später auf dem PC -- Assassin’s Creed, Mass Effect, Grand Theft Auto 4 sind nur drei Beispiele. Konsolenbesitzer können jetzt schon Mirror’s Edge oder Endwar spielen, auf dem PC erscheinen sie erst nächstes Jahr. Schuld wären die Raubkopien, sagen die Hersteller, die Konsolen seien sicherer (mehr zum Thema lesen Sie in einem siebenseitigen Hintergrundreport in GameStar-Ausgabe 02/09, die am 23. Dezember erscheint).

Zum anderen wird 2008 als ein Jahr eklatanter Kundenfeindlichkeit in Erinnerung bleiben – das Jahr, in dem sich die Online-Freischaltung etabliert hat, in dem man von nun an mitzählen muss, wie oft man ein Programm schon installiert hat, in dem sich immer höhere Zugangshürden vor den Spielstart legen.

Und, nicht zu vergessen, Bug-Müllhalden wie Stalker: Clear Sky oder Gothic 3: Götterdämmerung, die man nicht mehr für möglich gehalten hätte; die man als Publisher sich nur dann in einem solchen Zustand veröffentlichen traut, wenn man keinen Funken Respekt vor der Kundschaft mehr hat. Als Vorweihnachtshammer gab’s dann noch ein Grand Theft Auto 4, das auf der Hälfte aller PCs nicht oder nicht angemessen funktioniert. Auf den Konsolen ist so etwas undenkbar, auf dem PC Alltag.

Insofern wird 2009 spannend werden, vielleicht ein Scheideweg. Nach wie vor sind viele großartige Spiele für den PC angekündigt, viele davon exklusiv -- Dawn of War 2 zum Beispiel, Dragon Age, Starcraft 2. Aber die Firmen werden sich entscheiden müssen, was sie ihren Kunden zumuten; und die Kunden, was sie sich zumuten lassen. Davon wird mit abhängen, wie sehr der PC in Zukunft seine Stärken als flexibelste, offenste, kreativste und mächtigste Spieleplattform der Welt ausspielen kann.

Wenn dann noch die Server von World of Warcraft explodieren, wird alles gut.

(Hinweis: Die persönlichen Jahresrückblicke der GameStar-Redakteure und -Redakteurin können Sie ab nächster Woche auf unserer Website lesen!)

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