Lemnis Gate ist der erste Shooter seiner Art und wird es deshalb schwer haben

Kann ein Ego-Shooter auch rundenbasiert funktionieren? Ratloop Games will es versuchen und wagt mit Lemnis Gate ein spannendes Experiment.

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Genre: Multiplayer-Shooter | Entwickler: Ratloop Games Canada | Release: Sommer 2021

Nach über 50 Jahren Videospielgeschichte mag man glauben, alles gesehen zu haben. Doch vor allem kleine Entwickler kommen immer wieder mit neuen Ideen um die Ecke, die Genrekonventionen brechen oder kombinieren. Lemnis Gate ist eines dieser Spiele. Mit der Unterstützung des Publishing Labels von Frontier Developments will das kanadische Studio Ratloop Games mal etwas ganz anderes versuchen.

Die Entwickler versprechen eine bislang einzigartige Kombination aus Ego-Shooter und Rundentaktik. Das klingt reichlich kurios und so ganz kann man sich darunter im ersten Moment auch nicht vorstellen, wie das funktionieren oder Spaß machen soll. Wir wurden von Frontier jetzt aber über ein halbes Jahr nach der Ankündigung von Lemnis Gate zu einem Anspiel-Event eingeladen und konnten ihr Multiplayer-Experiment selbst ausprobieren.

Wie funktioniert Lemnis Gate genau?

Lemnis Gate steuert sich wie ein gewöhnlicher Multiplayer-Shooter. Wir haben also eine offene Kampfarena, in der wir uns frei bewegen können. Wir zielen, drücken mit der linken Maustaste ab, können sprinten oder uns ducken. Hier bleibt alles ganz so, wie man es seit Jahren im Shooter-Bereich gewohnt ist. Der Begriff »Rundentaktik« sorgt in diesem Fall also nicht dafür, dass wir einfach statisch Einheiten auf einem Raster bewegen wie bei XCOM 2 oder Into the Breach.

Was hier nach einem dynamischen Schusswechsel aussieht, passiert in Wirklichkeit zeitversetzt. Was hier nach einem dynamischen Schusswechsel aussieht, passiert in Wirklichkeit zeitversetzt.

Stattdessen bedient sich Lemnis Gate einer Zeitschleifenmechanik. Wie in »Täglich grüßt das Murmeltier«. Anstatt eines ganzen Tages haben wir aber nur 25 Sekunden Zeit, bevor es von vorne losgeht. In diesen 25 Sekunden steuern wir eine einzelne Einheit über die Karte und führen Aktionen aus. Wenn es die erste Runde sein sollte, sind wir sogar vollkommen alleine auf der Karte. Die Gegner kommen erst später hinzu. Um zu gewinnen, müssen wir entweder mehr Hightec-Kugeln in unsere Basis tragen, oder stationäre Energie-Türme übernehmen.

Abwechselnd schicken beide Kontrahenten Runde für Runde ihre schießwütigen Agenten in die Schlacht. Agenten in späteren Runden können dann sehen, wie die Einheiten sich vor ihnen in ihren eigenen 25 Sekunden bewegt haben. Dann lassen sich also Aktionen verhindern, die in früheren Runden noch ungehindert durchgeführt wurden. Während der Gegner am Zug ist, können wir das Schlachtfeld mit einer fliegenden Drohen beobachten. Ein Spiel besteht aus fünf Runden und zehn Zügen. Wir können von den sieben Agenten also immer nur fünf einsetzen.

Drei Züge Lemnis Gate im Beispiel

1. Zug: Wir sind dran. Wir entscheiden uns für den Agenten Rush. Rush ist besonders schnell. Da es noch keine Gegner gibt, rennen wir direkt zu einer Kugel, die wir in unsere Basis tragen müssen. Rush ist so schnell, dass wir gleich zwei Kugeln einsammeln. 2:0.

2. Zug: Der Gegner zieht. Er entscheidet sich für Kapitan, die ein Sturmgewehr hat. Kapitan weiß genau, wo wir mit Rush hingelaufen sind und sieht ihn auch. Rush kann auf Kapitan nicht mehr reagieren, da sein Zug vorbestimmt wurde. Also fängt Kapitan Rush an der ersten Kugel ab und macht ihn kalt. Danach sammelt sie die Kugel selbst ein. Die zweite Kugel bleibt unberührt, da Rush schon nicht mehr lebt. 0:1.

3. Zug: Wir sind wieder dran. Jetzt entscheiden wir uns für den Scharfschützen Striker. Als erstes sammeln wir eine dritte Kugel ein und bringen sie zur Basis. Von dort haben wir noch ein paar Sekunden Zeit. Die reichen, um Kapitan mit einem Kopfschuss auszuschalten, bevor diese ihre Kugel abliefern kann. Rush bleibt trotzdem tot - aber es kommen ja noch ein paar Runden. 1:0.

Was anfangs noch eine simple Abfolge ist, kann sich mit fortwährender Spieldauer zu einem komplexen Konstrukt entwickeln. Wie ein Spiel verläuft, hängt davon ab, welche Agenten gewählt werden, wie gut wir vorausplanen, wie dynamisch wir auf Aktionen reagieren und auch, wie gut wir eigentlich zielen können. Im Trailer wird das ganze noch ein wenig deutlicher:

Lemnis Gate - Der außergewöhnliche Genre-Mix im Gameplay-Trailer Video starten 1:13 Lemnis Gate - Der außergewöhnliche Genre-Mix im Gameplay-Trailer

Für wen eignet sich Lemnis Gate?

Oberflächlich betrachtet könnte man Lemnis Gate als einen Hero-Shooter der Marke Overwatch bezeichnen, in dem jeweils fünf Helden auf beiden Seiten zum Einsatz kommen. Doch diese Agenten werden eben von maximal vier Spielern gelenkt (neben 1v1- gibt es auch 2v2-Partien). Bei den sieben Helden handelt es sich um:

  • Kapitan: Eine klassische Soldatin mit Sturmgewehr und Splittergranaten.
  • Toxin: Diese Agentin trägt einen Schutzanzug und eine Giftkanone. Der Schaden ist gering, hinterlässt aber giftige Pfützen und Toxin kann sich außerdem über kurze Strecken teleportieren.
  • Rush: Der schnellste Agent der mit zwei Pistolen ausgerüstet ist. Mit seinen Boostern kann Rush ein paar Meter nach vorne dashen. Auch in der Luft.
  • Striker: Der typische Scharfschütze mit hohen Schaden über große Distanz. Kann kurzeitig die Zeit verlangsamen.
  • Deathblow: Dieser schwere Schütze verschießt Raketen und kann auch Minen auslegen.
  • Vendetta: Dank ihrer Schrotflinte effektiv auf kurze Distanz. Vendetta kann zusätzlich einige stationäre Geschütze aufbauen.
  • Karl: Der Droide benutzt eine futuristische Strahlenwaffe. Mit Karl können wir außerdem Schilde platzieren, die Schaden abfangen.

Doch seid gewarnt, Lemnis Gate erfordert weniger Shooter-Talent von uns als als strategisches Geschick. Die Waffen verziehen nicht besonders stark, außerdem halten die einzelnen Agenten nicht sonderlich viel Schaden aus. Zusätzlich spielen Reflexe keine so große Rolle, da wir bereits vorher wissen, wo Gegner auftauchen können.

Toxin gehört zu den etwas ausgefalleneren Helden. Solche Giftmischer sehen wir aber nicht zum ersten Mal. Man denke allein an Caustic aus Apex Legends. Toxin gehört zu den etwas ausgefalleneren Helden. Solche Giftmischer sehen wir aber nicht zum ersten Mal. Man denke allein an Caustic aus Apex Legends.

Damit benötigt ihr also vor allem eine gewisse Voraussicht und solltet in der Lage sein, die Übersicht zu bewahren. Gerade in den ersten Runden wird man nicht wirklich begreifen, was strategisch die beste Herangehensweise ist. Doch je mehr ihr spielt, um so leichter könnt ihr euch einen Schlachtplan zurechtlegen.

Ihr müsst Freude daran haben, wenn ein Plan aufgeht. Dann entwickelt Lemnis Gate eine spannende Dynamik. In einer Runde haben wir etwa im vorletzten Zug mit unserem Scharfschützen gleich drei Agenten umgelegt, die alle ihr Kugel verloren, so dass wir mit nur einer Kugel trotzdem in Führung lagen.

In seinem letzten Zug hat der Gegner dann direkt unseren Scharfschützen mit seinem umgeschossen. Da wir danach keinen Agenten mehr hatten, der dem zuvorkommen konnte, haben wir uns mit dem letzten Agenten einfach vor unseren Scharfschützen gestellt. Der Agent fing den Schuss ab und unser Sniper hat seinen siegbringenden Zug durchgebracht.

Kreativität wird also belohnt!

Was gefällt uns, was bleibt unklar?

Was gefällt uns bisher?

  • Die Innovation: Eine Mischung aus Rundentaktik und Ego-Shooter erscheint ziemlich neu. Bisher gab es sowas höchstens bei Super Hot und selbst das ist kaum vergleichbar. Lemnis Gate fühlt sich wirklich eher wie ein XCOM an, bei dem wir aber eben selbst zielen und laufen können.
  • Die Lernkurve: Lemnis Gate wird mit zunehmender Spieldauer immer besser. Anfangs fühlt man sich noch ein wenig überfordert, doch sobald die Agenten vertraut sind und das Spielprinzip klick macht, findet man ganz neue Wege, ein Spiel zu entscheiden.
  • Der Spielverlauf: Lemnis Gate schafft es, von der ersten bis zur letzten Runde spannend zu bleiben. Immer wieder verändert sich was am Spielverlauf und ein einziger Zug kann über Sieg und Niederlage entscheiden.

Was gefällt uns nicht?

  • Das Setting: Trotz der innovativen Idee fährt Lemnis Gate kein innovatives Setting auf. Wir haben es hier mit extrem generischer Science Fiction zu tun. Die Helden wirken uninspiriert, die Maps bleiben alle blass. Gerade aufgrund des neuen Konzepts, hätten wir uns eine einzigartigere Welt gewünscht.
  • Für einen Shooter lahm: Wer hier einen rasanten Hero-Shooter erwartet, wird schnell enttäuscht. Lemnis Gate wird nicht euren Adrenalin-Pegel in die Höhe schießen lassen. Höchstens dann, wenn ein strategisches Manöver gelingt.

Zum Gähnen: Eine der Maps spielt auf einer Weltraumbasis inmitten in einer grauen, felsigen Mondlandschaft. Zum Gähnen: Eine der Maps spielt auf einer Weltraumbasis inmitten in einer grauen, felsigen Mondlandschaft.

Was bleibt unklar?

  • Bleiben die Spiele interessant? Wir haben etwa zwei Stunden in Lemnis Gate verbracht. Das reicht noch nicht, um einzuschätzen, ob das Konzept auch längerfristig Abwechslung bietet. Es könnte sich etwa herausstellen, dass es eine sehr vorhersehbare Meta gibt. Dann würde schlagartig jeder kompetitive Reiz verloren gehen.
  • Spielen das genug Leute? Lemnis Gate ist ein spannendes Experiment. Experimente haben es aber oft schwer, Spieler zu finden. Gerade Lemnis Gate bietet ein zu ödes Setting, um auf den ersten Blick Interesse zu wecken. Immerhin braucht man für eine Runde Lemnis Gate aber keine Lobby aus 30 Spielern. Zwei reichen schon.

Wir hatten bereits Spaß mit Lemnis Gate. Noch bleibt es aber offen, ob das Experiment wirklich Früchte trägt. Kreative Spielideen sollten eigentlich belohnt werden, es kann aber auch passieren, dass Lemnis Gate weder Strategen noch Ego-Shooter wirklich abholt. Ob es Erfolg hat, sehen wir im Sommer, wenn Lemnis Gate auf Steam erscheint.

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