Alles ist politisch. Das ist wohl der wichtigste Satz der ersten Episode von Life is Strange 2 - dabei ist der in der Gaming-Welt oft genug völliger Quatsch! Zumindest dann, wenn's um große Publisher und großes Geld geht.
Das beste Beispiel dafür ist wohl Far Cry 5. Das flirtet sehr wohl mit gesellschaftlich brisanten Themen: Religiösem Extremismus, Widerstand gegen die Regierung, der zunehmenden politischen Spaltung Amerikas. Nur traut es sich nicht, darüber irgendwas relevantes zu sagen. Es flüchtet sich lieber in explosive Absurdität.
Politik in Spielen: Weniger Democracy wagen (Plus-Podcast)
Life is Strange 2 hat sich genau wie Far Cry 5 ein Szenario ausgesucht, in dem ein unpolitisches Spiel unvorstellbar scheint. Schließlich spielen wir den Sohn eines mexikanischen Einwanderers einen Monat, bevor Donald Trump mit dem Versprechen einer Mauer gegen mexikanische Einwanderer Präsident wurde. Und trotzdem kam mir nie in den Sinn, dass sich Life is Strange 2 diesem Pulverfass tatsächlich frontal stellen würde. Sowas machen große Spiele nunmal nicht! Umso kälter hat mich erwischt, dass Entwickler Dontnod diese ungeschriebene Regel komplett in den Wind schießt.
Spoiler-Warnung!
Die politischen Aspekte von Life is Strange 2 lassen sich nicht diskutieren, ohne über die Story von Episode 1 zu sprechen. Wir haben uns bemüht, dabei vage zu bleiben und keine ganz konkreten Storywendungen zu verraten. Aber wer Episode 1 komplett unvorgewarnt erleben möchte, dem empfehlen wir, direkt zum Fazit zu springen.
Von Liebe und Hass
Life is Strange 2 erzählt die Geschichte zweier Brüder, Sean und Daniel Diaz, die aus ihrer Heimat in Seattle fliehen müssen. In vielerlei Hinsicht ist es eine Geschichte über Familie. Als Sean müssen wir für unseren kleinen Bruder sorgen und tun unter schwierigsten Umständen unser Bestes, ihm ein Vorbild zu sein.
Und Teil dieser Umstände ist eben, dass wir mexikanische Wurzeln haben in einem Land, dessen angehender Präsident mexikanische Einwanderer als Verbrecher und Vergewaltiger beschimpft. Life is Strange 2 könnte davor die Augen verschließen, entscheidet sich aber für das Gegenteil. Es sind Hass und Rassismus, die im Kern die Story treiben. Sie entzünden die dramatischsten Momente des Spiels, sind gleichermaßen Stein des Anstoßes und das größte Hindernis auf der Reise. Schon in den ersten 20 Minuten erleben wir, wie ein Unschuldiger Opfer von Polizeigewalt wird:
Mut zur Realität
Im Lauf von Life is Strange 2 müssen wir uns von wildfremden Menschen anhören, dass wir keine echten Amerikaner sind und zurück in unser Land sollten. Wir können nicht einkaufen, ohne des Diebstahls verdächtigt zu werden - und werden gar festgehalten und verprügelt, wenn wir darauf bestehen, in den USA geboren zu sein.
Nun ist Life is Strange 2 nicht das erste Spiel, das Rassismus behandelt. Aber die wenigsten Spiele wagen sich so direkt an Probleme unserer gegenwärtigen Gesellschaft heran. Dragon Age: Origins schiebt etwa Elfen vor, Detroit: Become Human Androiden.
Erschütternd echt:Schon immer die Stärke von Life is Strange
Kein anderes Spiel brüllt uns ins Gesicht: "Wegen Leuten wie euch müssen wir die Mauer bauen!" Kein anderes Spiel droht, unserem neunjährigen Bruder die US-Immigrationsbehörde ICE auf den Hals zu hetzen, die an der Grenze Kinder von ihren Eltern trennt und wegsperrt. Kein anderes Spiel zieht so direkte Parallelen zur Black-Lives-Matter-Bewegung und zeigt Polizei-Gewalt gegen Minderheiten und die wütenden Proteste dagegen. Donald Trumps Name fällt vielleicht nie direkt, aber er schwebt stets über dem Geschehen.
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Diskussion: Life is Strange 2 - Ein Spiel über Donald Trumps Amerika