Line of Defense - Star Citizens großer »Konkurrent«

Mit viel verbalem Geschützfeuer in Richtung Star Citizen hat Entwickler Derek Smart auf sich aufmerksam gemacht. Wir wollen von lauten Worten weg und hin zu Fakten: Was kann Smarts aktuelles Spiel?

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Derek Smart ist in seinem Leben als - Zitat - »Hardcore Internet-Warlord« schon aus mehr Foren geflogen, als wir überhaupt gelesen haben. Das allein sagt viel über die Persönlichkeit eines Mannes aus, der nach eigener Aussage gern anderen Leuten ans Bein pinkelt, wenn gerade nichts los ist.

Nun hat er sich Cloud Imperium Games und Chris Roberts als neues Ziel vorgenommen. Sein Credo: Star Citizen wird nie erscheinen. In ellenlangen, mit diversen verbalen Rundumschlägen gespickten Ausführungen nennt er dafür vor allem einen Grund: Er würde diesen »Wal« (damit meint er eine komplexe Space-Simulation, wie Star Citizen eine werden soll) schon seit über 20 Jahren jagen, und er wisse genau, es könne einfach nicht umgesetzt werden.

Und weil das so sei, müsse Roberts zurücktreten und die Federal Trading Commission solle CIG überprüfen, da das Geld der Backer ganz offensichtlich für Vaporware verbrannt werde. Dabei belässt er es aber nicht, wühlt im Privatleben von Angestellten bei CIG und ist sich auch nicht zu schade, irgendwelche Makleranzeigen (inklusive Adresse) auf Facebook zu posten, die angeblich der Beweis dafür seien, wo Roberts die 85 Millionen Dollar Crowdfunding-Geld gerade verprasst. CIG schmeißt Smart daraufhin kurzerhand aus dem Backer-Pool und erstattet ihm sein Geld wieder. Begründung: Er habe deutlich zu verstehen gegeben, dass er kein Unterstützer ist, und wolle obendrein nur sein eigenes Spiel bewerben: Line of Defense.

Zugegeben, unser Interesse wurde tatsächlich geweckt: Was ist dieses Line of Defense eigentlich? Wie gut funktioniert der Early-Access-Titel? Insofern war Smarts »PR-Aktion« tatsächlich erfolgreich. Wir wollen Fakten und stellen daher Smarts Aussagen, er habe mit seinem Studio 3000AD im Gegensatz zu Roberts bereits ein aktuelles, funktionierendes Spiel - nämlich Line of Defense - geliefert, auf den Prüfstand. Was steckt wirklich hinter den großen Worten?

Was soll Line of Defense sein?

Nicht weniger als ein MMOG, sagt die Spielbeschreibung auf Webseite und Steam. Gewaltige Schlachten in denen Tausende Spieler (255 pro Karte) mit jeder Menge Waffen, Fahrzeugen und Raumschiffen zu Land, Wasser, Luft sowie im All um die Vorherrschaft streiten. Dafür stehen uns zwei Seiten zu Wahl: die Galactic Command Kräfte (GALCOM) und die paramilitärischen Insurgents. Dieser Kampf findet auf dem Planet Lyrius auf vier unterschiedlichen Karten sowie im Weltall inner- und außerhalb von Raumstationen statt.

Station PR PR-Screenshot einer großen Waffe in einem Raum mit großer Konsole.

Station Real Der gleiche Screenshot, diesmal von uns: Die Waffentextur ist offen, der »NPC« ist schlechter beleuchtet, es ist insgesamt dunkler und hier gibt es ein Waffenpaket.

Schleuse PR PR-Screenshot der Luftschleuse.

Schleuse Real Und so sieht die Luftschleuse wirklich aus: Keine Aufschrift, keine nachbearbeiteten Farben, stattdessen matschige Texturen.

All das in einem persistenten Universum, mit einem reinen Spieler-gegen-Spieler-Setting und »atemberaubenden Umgebungen« plus Wettereffekten sowie Tag-und-Nacht-Wechsel. Dies soll zu einem nie dagewesenen Open-World-Gameplay führen, in dem die Spieler am Boden in ein Raumschiff steigen und nahtlos in den Weltraum fliegen können. Am besten von der eigenen, selbst errichteten Heimatbasis aus.

Das klingt alles super und untermauert die Aussagen des Chefentwicklers, dass sie im Gegensatz zu Star Citizen bereits ein richtiges Spiel am Start haben. Oder?

Interstellarer Software-Schrott

Der erste Blick ins Spiel: Dunkler Texturmatsch begrüßt uns Der erste Blick ins Spiel: Dunkler Texturmatsch begrüßt uns

Es geht damit los, dass wir auf einer riesigen Raumstation aufwachen, die komplett aus fantasielos aneinandergereihten, identischen Texturbausteinen besteht. Dazu kommt eine Beleuchtung aus der Programmierhölle, die oft mehr verdunkelt als erhellt. In diesem Grafikbrei, der sich durch das ganze Spiel zieht, schweben wir durch komplett leere Gänge. Die First-Person-Ansicht besitzt keinerlei natürliche Bewegungsmuster.

Im Gegenteil: Wenn wir sprinten, jagen wir mit gefühlter Überschallgeschwindigkeit durch den Gang und driften kaum noch steuerbar mit voller Wucht in der Kurve gegen die Wand, was uns dann irgendwo anders hinkatapultiert. Die sprichwörtliche Kuh auf dem Eis wird in Line of Defense zum wildgewordenen Bullen auf der olympisch polierten Eislaufbahn.

Waffen zum Abgewöhnen

Wer nur ein (derzeit Free2Play) Starter-Kit besitzt, der hat eine Pistole und eine Art Sturmgewehr zur Verfügung. Waffenpakete mit zusätzlichen Waffen können wir finden oder für Echtgeld kaufen (dazu gleich mehr). Die Sounds beim Abfeuern sind unglaublich billig, teilweise verändern sie sich deutlich beim Wechsel des Feuermodus. Dazu kommt, dass wie in Uralt-Shootern nur per Fadenkreuz gezielt werden kann. Kimme und Korn ist nicht möglich. Stattdessen bewegt sich die jeweilige Waffe beim Zielen teilweise so unglücklich und mit heftigen Clippingfehlern ins Bild, dass wir es lieber lassen. Ganz davon abgesehen, dass die Waffe überhaupt nicht in die »Hände« passt.

Line of Defense - Screenshots ansehen

Wollen wir nachladen, verschwindet die Waffe einfach. Ziehen wir sie über die entsprechende Taste erneut, ist sie immer noch leer. Nur wenn wir lang genug warten, sind wieder Kugeln in der Waffe. Interessant: Im Trailer (der aus dem Jahr 2012 stammt) wird eine kurze Nachladeanimation gezeigt, obwohl Smart im März 2015 konstatierte, dass aufgrund der vielen Waffen im Spiel keine Nachladeanimationen eingebaut werden.

Die zusätzlichen Waffen aus den Waffenpaketen haben übrigens einen Clou: Wir können zwar jede Menge Waffen mitschleppen, verbrauchen aber ab der dritten Waffe beim ganz normalen Laufen - pardon - Schweben Ausdauer. Und das bedeutet, dass wir mit jedem verlorenen Ausdauerpunkt immer langsamer werden, sprinten ist fast gar nicht mehr möglich. Und unsere Ausdauer regeneriert in einem Tempo, als wären wir kein Supersoldat, sondern ein Rentner mit Raucherlunge. Wollen wir waffenstarrend durch die Welt ziehen, müssen wir also alle paar Meter minutenlang pausieren. Wir haben verzichtet.

Tote Station mit totem Ausgang

Was das sein soll, wissen wir auch nicht, vermutlich etwas NPC-artiges. Es bewegt sich nicht, es hat keine Kollisionsabfrage und man kann sowieso kaum was erkennen. Was das sein soll, wissen wir auch nicht, vermutlich etwas NPC-artiges. Es bewegt sich nicht, es hat keine Kollisionsabfrage und man kann sowieso kaum was erkennen.

In den Gängen begegnen uns NPC-artige Gebilde, die sich als Statuen ohne Kollisionsabfrage entpuppen. Die einzigen interaktiven Dinge in den drei Schiffsdecks sind die Teleporter, die uns von einem Deck auf das andere bringen, sowie ein paar Ausrüstungspakete. Alle anderen Anzeigen (zum Beispiel massenhaft Support-Konsolen) sind »Potemkinsche Dörfer«: reine Fassade und zu nichts zu gebrauchen.

Über mehrere Stunden haben wir versucht, die Station zu verlassen und auf eine der vier Karten zu gelangen, auf denen die Action abgehen soll. Doch das funktionierte nicht: Auf zwei Karten stürzte das Spiel im Ladescreen ab, eine Karte schickte uns unter die Welt in den freien Fall und eine andere fesselte uns an unseren Spawnpunkt, während das Bild wie verrückt wackelte, zuckte und ruckelte. Auf unseren Bugreport wurde der letzte Patch innerhalb von Minuten zurückgezogen, was uns endlich den Übergang vom Schiff auf eine Karte ermöglichte.

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