Mal hü, mal hott
So befinden wir uns mehr als die Hälfte des Spiels auf der Suche nach dem Menschenführer Antaras, ohne wirklich zu wissen, warum wir das tun sollen oder wer der Kerl überhaupt ist. Nachdem wir ihn endlich ausfindig gemacht haben, erzählt er uns kurz, dass wir auch noch die übrigen Herrscher töten müssen und schickt uns prompt wieder fort.
Es ist, als würde uns das Setting konsequent auf Distanz halten, als könnte es sich nicht entscheiden, ob es eher direkt über Zwischensequenzen oder Dialoge oder subtil mit kreativen Leerstellen vermittelt werden will. Und am Ende erreicht es uns deshalb weder auf die eine, noch auf die andere Weise. Mit Auslassungen zu arbeiten, kann durchaus ein elegantes Stilmittel sein, wenn es die Kreativität des Spielers beflügelt, die Leerstellen selbst zu schließen.
Lords of the Fallen gelingt das aber zumindest in der Hauptquest an keiner Stelle, weil hinter dem Kampf gegen die dämonischen Rhogar keine erzählerische Tiefe steckt. Ohne dass uns die Charaktere, die Welt oder die eigenen Beweggründe in irgendeiner Form nähergebracht werden, wird uns die Handlung schnell egal. Wer die Stärken von Lords of the Fallen erleben will, konzentriert sich deshalb zurecht eher auf die Spielmechaniken als auf die erzählte Geschichte.
Knüppeln mit Geschick
Und gerade dort werden sich die Geister der Spieler scheiden zwischen denen, die ein deutsches Dark Souls erwarten und all jenen, die Lords of the Fallen als eigenständiges Action-Rollenspiel betrachten. So oder so lässt sich rein spielmechanisch die Ähnlichkeit zu From Softwares Souls-Serie nicht leugnen - wer einen der bockschweren Teile gespielt hat, wird Lords of the Fallen instinktiv bedienen können.
Ganz anders als in Dark Souls funktioniert allerdings auch die Steuerung mit Maus und Tastatur einwandfrei und geht gerade bei der Kameraführung sogar merklich präziser von der Hand als mit Gamepad. Den Großteil des Spiels sind wir mit Kämpfen beschäftigt und dabei ist vor allem Geschick gefragt.
Anders als bei vielen Rollenspielen geben uns zusätzliche Attributspunkte in Lords of the Fallen bestenfalls einen Schadensbonus oder sie schalten neue Zaubermanöver frei - wer sich gegen die Rhogar-Dämonen nicht um präzises Timing bemüht und kein Gefühl für Harkyns Geschwindigkeit oder Trägheit entwickelt, der wird sich bereits am ersten Boss die Zähne ausbeißen. Das Kampfsystem funktioniert grundsätzlich einwandfrei und gibt uns das Gefühl, als Spieler stetig besser zu werden, indem wir die Angriffsmuster der Feinde studieren, neue Waffen ausprobieren und Schildparaden verinnerlichen.
Dabei können wir unseren Spielstil recht individuell zusammenstellen: Auf Tastendruck rüstet sich Harkyn entweder mit Schild und Schwert oder er packt die Waffe für mehr Wumms mit beiden Händen an, opfert damit aber seine Deckungsmöglichkeiten. Oder wir stülpen uns den Fernzauber-Handschuh über die linke Hand, um im richtigen Augenblick magische Granaten oder Projektile zu verschleudern.
Gott des Krieges
Allerdings ist Harkyn im Kern ein Krieger. Zwar können wir bei der groben Charaktererstellung ein leichteres Schurken-Set wählen oder mit ein bisschen mehr Zauberkraft starten, ein waschechter Assassine oder Vollmagier wird der Ex-Knacki aber nicht. Klar, wenn wir uns langsam nähern oder den Feind geschickt umtänzeln, können wir bei manchen Rhogar einen starken Hinterrücksangriff starten, bei schweren Gegnern oder Bossen funktioniert das aber nicht. Und auch die drei Magieschulen wirken eher unterstützend, indem sie uns heilen, stärken oder den Gegner verlangsamen.
So läuft's in Lords of the Fallen in der Regel auf den Nahkampf hinaus. Diese fehlende Klassenvielfalt mag Rollenspielveteranen übel aufstoßen, wer sich hingegen eher auf action-lastige Kurzweil freut, profitiert von der Tatsache, dass man in punkto Skill-Verteilung kaum etwas falsch machen kann. So haben wir in einem Durchlauf mit relativ leichter Bewaffnung begonnen, uns später als schwerer Panzerschrank verdingt, nur um am Ende bei einem Mix aus wendigem Akrobaten und übergroßer Zweihand-Klinge zu landen. Dabei wird unser Bewegungstempo durch das Gewicht unserer Rüstung bestimmt, die Angriffsgeschwindigkeit hingegen durch die verwendete Waffe. Es ist also durchaus möglich einen flinken Harkyn mit übergroßer Zweihand-Axt zu spielen oder umgekehrt einen laufenden Panzer mit kleinem Dolch.
Lords of the Fallen gibt uns die Freiheit, unterschiedliche Kampfstile auszuprobieren, bevor wir uns auf eine Spielweise einschießen. Das Aufleveln funktioniert dabei recht intuitiv. Mit jedem erledigten Gegner gewinnen wir Erfahrung, die wir dann in Attributsteigerungen oder in unsere Zauberkräfte stecken.
Einen Kniff gibt's dann aber doch: Lords of the Fallen belohnt Risiko. Wer stirbt, verliert an Ort und Stelle all die Erfahrung, die er nicht verteilt hat, und hat beim erneuten Versuch nur begrenzte Zeit, um selbige wieder einzusacken. Stirbt man auf dem Weg dahin erneut, ist der Fortschritt futsch. Es lohnt sich aber trotzdem, nicht alle gewonnenen Punkte direkt zu verteilen, denn je mehr Erfahrung wir mit uns schleppen, desto mehr gewinnen wir mit jedem neuen Gegner dazu. Es ist ein eigentlich spannendes »Risk-Reward«-System - wenn Harkyn leicht zu töten wäre. Ist er aber nicht.
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