Seite 3: Microsofts PC-Strategie - Abrechnung mit Games for Windows LIVE

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... und Wirklichkeit

Doch nach der Ankündigung des Programms wurde es ruhig. Seitdem schnarcht das Konzept vor sich hin. Die deutsche Website von Games for Windows steht weitgehend auf dem Stand von 2007; sie wirbt für ein bis zwei Jahre alte Titel wie Bioshock, Sacred 2, Fallout 3 und James Bond: Ein Quantum Trost.

Bewirbt die deutsche Games for Windows Website noch leicht veraltete Spiele wie Sacred 2 oder Fallout 3... Bewirbt die deutsche Games for Windows Website noch leicht veraltete Spiele wie Sacred 2 oder Fallout 3...

Auch Windows 7 ist dort noch nicht angekommen, stattdessen wird noch Windows Vista angepriesen. Da ist es fast schon Nebensache, dass DirectX 10 noch immer als Maß der Dinge gilt. Die US-Website ist dagegen mit Dirt 2, DirectX 11 und Windows 7 auf dem aktuellen Stand. Zumindest auf der anderen Seite des großen Teiches scheint sich also jemand um Games for Windows zu kümmern. Doch auch Games for Windows Live entlockte PC-Spielern kaum Jubelrufe, vor allem wegen des extrem schwachen Spiele-Angebotes. Selbst nach über zwei Jahren stehen 500 Xbox-Live-Titeln nur 23 GfW-Live-Spiele auf dem PC gegenüber. Trotz zwei großer Updates für Games for Windows Live sind viele der geplanten Elemente nach wie vor nicht umgesetzt, von der Funktionalität des Xbox-Bruders ist der PC-Ableger meilenweit entfernt. Ein technischer Grund dafür ist nicht zu erkennen.

Die größte Enttäuschung ist aber Microsofts Zertifizierungsplan, nach dem jedes Spiel eine Prüfung durchlaufen soll. Die Idee zerbröselte schon kurz nach dem Start, seitdem gelten die Regeln nicht viel. Dass die Kompatibilitätsprüfungen durch Microsoft nichts anderes sind als windelweiche Lippenbekenntnisse, zeigen offensichtliche technische Debakel wie bei GTA 4 oder Empire; funktionierte das eine Spiel nicht auf Grafikkarten mit Radeon-Chipsatz, sorgten beim anderen Mehrkern-Prozessoren für Probleme. So beschloss Microsoft zuletzt kurzerhand, die technische Prüfung ganz wegfallen zu lassen. Seitdem sollen Entwickler ihre Spiele einfach selbst zertifizieren. Die Kapitulationserklärung wird in Redmond dreist umgedeutet: »Die Selbst-Zertifizierung hat in den letzten Monaten viele Entwickler an Bord des Games for Windows-Programms gezogen und ist heute ein wertvoller Bestandteil unserer Strategie«, heißt es von Microsoft. Kein Wunder, wenn sich jeder das Prädikat nach Belieben auf die Schachtel pappen kann.

PC Gaming Alliance

Öffentlichkeitswirksam gründete Microsoft 2008 mit anderen Größen der Spielebranche wie Intel, AMD oder Nvidia die PC Gaming Alliance (PCGA). In der Pressemitteilung vom 19. Februar 2008 erklärte die PCGA das Ziel ihrer Organisation: das »gemeinschaftliche Ziel, den PC als weltweite Spieleplattform zu stärken«.

...ist die internationale Seite mit Batman und Section 8 auf dem aktuellen Stand. ...ist die internationale Seite mit Batman und Section 8 auf dem aktuellen Stand.

Auch Microsofts damaliger »Senior Globar Director Games for Windows«, Kevin Unangst, meldete sich zu Wort: »Microsoft glaubt fest an den PC als Spieleplattform. Die Gründung der PC Gaming Alliance ist ein riesiger Vorwärtsschritt für die Industrie und die PC-Spieler.« Davon ist nichts zu bemerken. Die PC Gaming Alliance fällt bislang nur durch eines auf: ihr Schweigen. Die Öffentlichkeit erfährt wenig bis gar nichts über ihre Arbeit, Erfolge gibt es ebenso wenig wie konkrete Strategien. Stattdessen redet Randy Stude, der Vorsitzende der PCGA (und gleichzeitig Intels Spiele-Beauftragter), den Status quo schön: »Verglichen mit dem Konsolenbereich erwirtschaftet der PC-Spiele-Markt mehr als alle Konsolen inklusive der Handhelds zusammen.

Während der PC-Markt wächst, erlebt der Konsolenbereich seit Jahren einen leichten Abschwung.« Die Zukunft des PCs als Spieleplattform sieht der PCGA-Boss folglich optimistisch: »Heutzutage sind viele Spiele reine Konsolen-Portierungen. Aber wir glauben, dass viele zukünftige Spiele von Direct X11 profitieren werden.« Statt konkreter Aktionen also: Prinzip Hoffnung.

Ursachenforschung

Microsofts fehlendes Engagement für den PC als Spieleplattform dürfte vor allem einen finanziellen Grund haben. Denn während der PC ein offenes System ist, kontrolliert der Konzern mit der Xbox 360 eine geschlossene Spieleplattform, bei der mit jedem einzelnen Spiel Geld in die Kassen kommt. Mit PC-Spielen verdient Microsoft keinen Cent. Bei Xbox-360-Titeln wandern pro produzierter Kopie etwa 6 bis 9 Euro in die Taschen des Softwareriesen, selbst bei Spielen fremder Hersteller – pro produzierter Kopie wohlgemerkt, nicht pro verkaufter.

Während die Xbox 360 den Spieler-Avatar, Erfolgspunkte, gespielte Spiele oder heruntergeladene Videos übersichtlich im eigenen Menü präsentiert, herrscht bei Games for Windows Live weiße Tristesse. Während die Xbox 360 den Spieler-Avatar, Erfolgspunkte, gespielte Spiele oder heruntergeladene Videos übersichtlich im eigenen Menü präsentiert, herrscht bei Games for Windows Live weiße Tristesse.

Für Microsoft ist das eine Goldmine. Im ersten Halbjahr wurden in Deutschland lautMedia Control 13 Millionen Konsolenspiele verkauft, Microsoft hält dabei einen Marktanteil von etwa 10 Prozent. Wenn Microsoft also an jedem einzelnen Spiel im Schnitt 7 Euro verdient, summiert sich das im ersten Halbjahr 2009 auf insgesamt 9,3 Millionen Euro allein in Deutschland, ganz ohne die unbekannte Summe zwar produzierter, aber nicht verkaufter Einheiten. Und das ist noch nicht alles, denn Xbox-Spieler geben ihr Geld nicht nur für Vollpreis-Programme aus, sondern auch für Download-Titel über Xbox Live Arcade, kaufen Zusatzmissionen wie The Ballad of Gay Tony für GTA 4, nutzen den Video-on-Demand-Service oder laden reihenweise Lieder für Guitar Hero oder Rock Band herunter.

Im Gegensatz zu Sonys Playstation Network bezahlen Sie bei Microsoft nicht direkt mit echtem Geld, sondern müssen erst in eine Zwischenwährung namens Microsoft-Points investieren. Kleines Beispiel: Wenn Sie bei Sony einen Song für Rockband herunterladen, zahlen Sie 1,49 Euro. Bei Microsoft kostet der Song 160 Punkte. Die Punkte gibt’s aber nicht in flexiblen Beträgen, sondern nur in festen Kontingenten. Für das kleinste Punktepaket bezahlen Sie sechs Euro und erhalten 500 Punkte, ein Euro entspricht demnach 83,3 Punkten. In unserem Beispiel zahlen Sie für das gleiche Lied also etwa 1,86 Euro. Das ist nicht nur teurer, sondern auch undurchsichtiger. Und unflexibel: Weil Sie immer Pakete erwerben müssen, legen Sie mehr Geld an als geplant. Die übrigen 320 MS-Punkte aus unserem Beispiel liegen erst mal brach, bis zum nächsten Einkauf.

Eine dritte Einnahmequelle für Microsoft ist die Live-Gold-Mitgliedschaft. Denn vernetzte Multiplayer-Partien lässt sich Microsoft bezahlen. Auf der Konsole erwerben Sie sich durch das Bezahl-Abo neben dem Recht, online gegen andere Spieler anzutreten, noch einige weitere Privilegien. All diese Einnahmen bieten sich Microsoft auf dem PC nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten, wie es das schnelle Scheitern der Gold-Mitgliedschaften unter Games for Windows Live eindrucksvoll demonstrierte. Unterm Strich sprechen also aus finanzieller und strategischer Sicht viele Gründe für ein Xbox-Engagement und gegen die PC-Spieleplattform. Warum sollte Microsoft Spieler auf dem PC halten wollen, wo doch ein konvertierter Xbox-Nutzer sehr viel lukrativer ist?

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