»100 Schläge ins Gesicht« - Erschreckender Missbrauch in Gaming-Studio kommt ans Licht, das an Age of Empires 4 und Assassin's Creed mitgearbeitet hat

Ein Bericht des britischen Investigativkanals People Make Games legt offen, dass Mitarbeiter eines indonesischen Zuliefer-Studios offenbar körperlicher Gewalt am Arbeitsplatz ausgesetzt waren.

Das indonesische Studio Brandoville war unter anderem bei Age of Empires 4 und Assassins Creed Shadows unterstützend tätig. Das indonesische Studio Brandoville war unter anderem bei Age of Empires 4 und Assassin's Creed Shadows unterstützend tätig.

Unter Outsourcing versteht man in der heutigen globalisierten Wirtschaftswelt die Praxis, bestimmte Aufgaben nicht selbst im eigenen Unternehmen zu erledigen, sondern diese möglichst günstig an Subunternehmer weiterzugeben.

Auch in der Gaming-Industrie ist diese Praxis mittlerweile gang und gäbe. Große Konzerne wie Xbox und Ubisoft beauftragen kleinere Studios damit, bestimmte Teilbereiche eines kommenden Spiels zu entwickeln und dem eigentlichen Entwicklerstudio zuzuliefern. Die Arbeitsbedingungen dort werden von den Auftraggebern oft kaum überprüft.

Das britische Investigativmedium People Make Games hat nun aufgedeckt, dass es in einem solchen Zulieferstudio in Indonesien offenbar zu psychischer und körperlicher Gewalt gegenüber Angestellten gekommen ist. Das Studio war unter anderem an der Entwicklung von Assassin's Creed Shadows und Age of Empires 4 beteiligt und half dort mit Animationen und Artworks aus.

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Worum geht es konkret?

Bereits im Jahr 2021 berichtete People Make Games, dass das indonesische Studio Brandoville seinen Angestellten regelmäßigen Crunch, also Arbeitszeiten weit über das normale Maß hinaus, abverlange. Nach der Schließung des Studios im Jahr 2024 kamen jedoch noch deutlich mehr Missstände bei Brandoville ans Licht, denen sich das Team von People Make Games nun in einem neuen Video, das wir euch weiter unten eingebunden haben, widmet.

Dort berichtet die ehemalige Angestellte Christa Sydney, sowohl mental als auch körperlich von Kwan Cherry Lai, der Frau des CEOs von Brandoville, missbraucht worden zu sein. Lai sei in der Firma eine Art inoffizielle Aufseherin gewesen.

Schlafentzug und körperliche Strafen

Während einer Geschäftsreise habe sie Christa Sydney unter anderem nicht erlaubt, ausreichend zu schlafen und zudem gegen ihren Willen gezwungen, regelmäßig an christlichen Gottesdiensten teilzunehmen. Außerdem habe die Frau des Chefs beinahe täglich Sydneys Kleidung kontrolliert und sie vor ihren Kollegen bloßgestellt.

Christa Sydney war von 2019 bis 2024 für Brandoville tätig.

Mit der Zeit wurde Lais Missbrauch angeblich auch physisch. Sie habe Sydney gezwungen, sich dabei zu filmen, wie sie sich zur Strafe 100 Mal ins Gesicht schlug oder ihren Kopf gegen einen Türrahmen donnerte, bis sie eine Gehirnerschütterung erlitt, um eine Entschuldigung der Angestellten zu erzwingen.

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In dem Report von People Make Games kommen darüber hinaus noch zwei andere ehemalige Angestellte von Brandoville zu Wort, die Christa Sydneys Worten Gewicht verleihen.

So berichtet Entwickler Caesarion Balthazar, Lai habe unrechtmäßig Teile seines Gehalts einbehalten und behaupte, er schulde der Firma Geld für teure Ausbildungsmaßnahmen, an denen er nie teilgenommen hatte. Letztendlich sei ihm so ein ganzes Monatsgehalt gestohlen worden.

Überstunden, bis der Arzt kommt

Noch drastischer sind die Erfahrungen von Syifana Afiati, die während ihrer Zeit als Angestellte bei Brandoville schwanger war. Sie berichtet, von Lai regelmäßig zu Überstunden gezwungen, und deswegen zwischenzeitlich ins Krankenhaus eingeliefert worden zu sein. Lai habe allerdings trotzdem von ihr erwartet, umgehend wieder zur Arbeit zu kommen.

Vermutlich im Zusammenhang mit dieser gesundheitlichen Belastung wurde Afiatis Sohn zwei Monate zu früh geboren und starb im Alter von nur vier Monaten auf der Intensivstation. Lai habe Afiati allerdings keine Auszeit nehmen lassen und ihr auch keinerlei Unterstützung vonseiten der Firma angeboten.

Nach der Schließung von Brandoville im August 2024 haben Lai und ihr Mann bereits eine neue Firma mit dem Namen LaiLai Studios eröffnet. Man habe eine Handvoll ehemaliger Angestellter von Brandoville übernommen.

Auch Christa Sydney sei unter großem psychischem Druck zunächst mit in die neue Firma gekommen. Nachdem sie dort allerdings erneut direkte körperliche Gewalt durch Kwan Cherry Lai erfahren habe, konnte sie sich zur Flucht durchringen und verständigte die zuständigen Behörden.

Kwan Cherry Lai und ihr Mann wollten sich bisher nicht eingehend zu den Vorwürfen äußern. In einem bizarren Statement per WhatsApp heißt es von der Frau des CEOs lediglich: Für mich ist mein Teil der Geschichte nicht wichtig. Weitere Fragen der Kollegen von People Make Games blieben unbeantwortet.

Von anderen Angestellten heißt es jedoch, Studioleiter Ken Lai habe seine Frau bei ihrem übergriffigen Verhalten unterstützt und nichts unternommen, um seine Angestellten zu schützen. Er könnte allerdings auch ein Opfer seiner Frau sein, vermutet Christa Sydney.

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Publisher Ubisoft, für den Brandoville an Assassin's Creed Shadows beteiligt war, hat inzwischen auf die Vorwürfe gegen seinen Auftragnehmer reagiert und teilte gegenüber Eurogamer mit:

Wir sind zutiefst verstört von den jüngsten Berichten über die Brandoville Studios. Wir verurteilen jede Form von Missbrauch aufs Schärfste und unsere Gedanken sind bei den betroffenen Mitarbeitern.

Wir haben auch beim Age-of-Empires-Publisher Microsoft eine Stellungnahme zu den Vorwürfen angefragt. Bisher hat der Konzern aber noch nicht auf die Berichte zu den Zuständen beim Zulieferer Brandoville reagiert.