Open-World-Tourismus - Wo bleibt GTA: Berlin?

Es gibt Spielwelten, in denen ist Sebastian einfach nur gern zu Besuch. Wieso, erklärt er in seiner Kolumne.

Vor einigen Tagen kehrte mein Kollege Mirco Kämpfer von einem Anspiel-Event zu Watch Dogs 2 zurück und hatte dabei ein gerütteltes Maß an Aufnahmen im Gepäck. Daraus haben wir eine schöne Video-Vorschau zu Watch Dogs 2 gebastelt, doch viel spannender: Das Rohmaterial übte eine enorme Sogwirkung auf mich aus. Das ist ja San Francisco, da im Spiel! Und das sieht ja aus wie echt! Sofort ist mein Interesse am Spiel geweckt - und nix davon hat mit dem Gameplay zu tun.

Manchmal, da will ich in einem Open-World-Spiel einfach nur gucken. Da will ich wie ein Touri gaffend durch die Straßen schlendern und die Atmosphäre eines Ortes in mich aufsaugen. Früher tat ich sowas eher mal in gelungenen Fantasy-Welten getan, doch erst mit dem Open-World-Genre haben Spiele diese Qualität gewonnen, auch als virtuelles Tourismusziel zu funktionieren.

Beim Beispiel Watch Dogs 2 ist es ganz klar die Art und Weise, wie San Francisco ins Spiel gebracht wurde, die mich fasziniert. Ich kenne die Stadt. Ich war erst kürzlich zur Game Developers Conference dort und ich erkannte im Spielmaterial direkt einige Orte wieder: den Dolores Park mit seinen umliegenden Hügeln, die moderne Innenstadt oder das Armenviertel Tenderloin direkt nebenan. Ich liebe es, solche bekannten Orte in Spielen erneut zu besuchen.

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Sebastian mag es, in Städten nicht an den Hochglanzfassaden entlang zu schlendern, sondern auch dahinter zu blicken. Etwa im Tenderloin-Bezirk von San Francisco, mit seinen Obdachlosen, seinem abblätternden Putz, seinem Nachhall des Reichtums längst vergangener Tage. Und zwar nicht mit dem Handy in der Hand, sondern mit offenen Augen für Menschen und Umgebung. Umso mehr freut er sich, wenn auch Spiele die schummrigen Seiten realer Städte abbilden, statt nur funkelnde Ladenfronten und Touristenviertel.

Die echte Welt! In unecht!

Dieser Tourismus-Aspekt von Open-World-Spielen ist nicht neu. So ziemlich jedes Assassin's Creed bot etwa atmosphärische, historische Spielwelten, in denen ich mich ebenfalls toll verlieren konnte. Doch je moderner, desto besser. Die heftigsten Fernweh-Attacken hatte ich tatsächlich beim Spielen von Grand Theft Auto 5, dessen Spielwelt den Großraum Los Angeles in einer famos karikierten Version darstellt. Und die Entwickler treffen den Nagel auf den Kopf. Los Angeles sieht genauso aus, wie im Spiel. Die Flughafenterminals, das Observatorium, das Bankenviertel, die Strandpromenaden. Beim Spielen hatte ich oftmals das Gefühl, den eigentümlichen Geruch nach Meer, Asphalt und Urin in der Nase zu haben, der Los Angeles zu eigen ist.

GTA 5 ist das Spiel, mit dem ich den virtuellen Touristen in mit entdeckt habe. Den Spaß, einfach nur umherzulaufen und in die Welt einzutauchen. Ganz ohne Geballer, ohne Missionen, ja ohne Gameplay. Und GTA 5 ist auch das Spiel, das mich irgendwann frustrierte, weil es kaum Möglichkeiten gibt, auf normale Art und Weise mit dieser Welt zu interagieren. Die vielfältigsten Optionen bietet mir das Spiel, wenn ich Chaos anrichten will. Ein paar mehr soziale Gesten und Interaktionen wären mir lieber gewesen aber herrje … es ist beeindruckend genug, wie sehr das Spiel als »Spaziergang-Simulator Los Angeles« funktioniert.

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Und ich wünsche mir mehr davon. Mehr authentische Orte als Schauplätze in Spielen, mehr Möglichkeiten beim virtuellen Stadtbummel und vor allem: Endlich eine deutsche Großstadt als Open-World-Spielwelt außerhalb von irgendwelchem Simulatorschrott. Müssen es denn immer US-Metropolen oder London sein? In denen habe ich zwar meinen Spaß als virtueller Tourist, doch das auch nur, weil ich diese Städte beruflich oft bereist habe. Und ich gönne jedem Spieler, diese grandiose Erfahrung, einen vertrauten Ort in einem Spiel wiederzuentdecken. Also Rockstar Games oder Ubisoft Montreal - ein GTA: Berlin oder Assassin's Creed: Köln (auf den Dom klettern!) wären doch eine tolle Idee, oder?

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