Railway Empire lohnt sich jetzt auf Steam, selbst wenn ihr Züge doof findet

Man kann es anhand des Namens kaum vermuten, aber in Railway Empire gründet ihr ein Imperium - mit Zügen. Und das hat Dimis Herz erobert, obwohl er keinen Schimmer von Zügen hat.

Früher mochte ich Züge. Klar, ich war nie so enthusiastisch wie dieser eine Typ, der vom Anblick eines 1953er EMD E8 orgasmische Jubelkrämpfe bekommt (ich liebe den Kerl), aber hey: Für einen Dorfjungen wie mich waren Dampfloks schon eine coole Sache. Dann wurde ich erwachsen - und wie jeder erwachsene Deutsche habe ich viele, viele negative Erfahrungen mit Zügen gemacht.

Ich habe immer eine Lanze der Milde für die Deutsche Bahn gebrochen, denn dort arbeiten unzählige Menschen, die einfach nur ihr Bestes geben und absolut nichts dafür können, dass ich einmal ein komplettes Let's Play von Europa Universalis 4 während einer einzigen Fahrt gucken konnte, weil mein Zug vier Stunden im Nirgendwo (aka hinter Stuttgart) festhing, während wir auf einen Ersatzzug gewartet haben.

Oder dass einmal alle Klos in einem Abteil überliefen und wir gerade noch rechtzeitig den Wagen evakuieren konnten, bevor die Ergüsse das Zuginnere mit dem Aroma einer Todessternmüllpresse garnierten. Oder dass ein Zug in Spuckweite zum Zielbahnhof München wegen einer Störung kehrtmachen und einen mehrstündigen Umweg über Augsburg nehmen musste.

Nochmal: Dem gegenüber stehen viele positive Begegnungen mit freundlichen Bahnangestellten, die mir hilfreich zur Seite standen, netten Smalltalk betrieben, die Kinder im Zug zum Lachen brachten und, und, und. Aber am Ende muss ich rein emotional einfach zugeben, dass ich Zugfahrten leider nicht mehr mag. Die Liebe ist weg. Ich wünschte, es wäre anders.

Aber trotzdem macht mir Railway Empire unglaublich viel Spaß! Denn Züge sind hier bloß der Anfang.

Steam-Empfehlung: Auf der GameStar empfehlen wir ja gerne mal Steam-Spiele im Angebot - und Railway Empire ist noch bis zum 17. Januar 2021 um 67 Prozent reduziert. Koscht also nur rund 10 statt 30 Euro. Im Grundspiel bekommt ihr Nordamerika als Schauplatz inklusive Kampagne und Endlosmodus, außerdem könnt ihr euch unterschiedliche Länder als DLCs dazukaufen. Also beispielsweise Australien, Mexiko oder Deutschland. Alle DLCs sind derzeit um 50 Prozent reduziert, aber schaut euch vielleicht lieber erstmal das Grundspiel an, bevor ihr alles in die Einkaufstüte packt.

Was ist denn Railway Empire?

Menschen spielen aus unterschiedlichsten Gründen, das merke ich im Joballtag immer wieder. Einige legen die Story auf die Goldwaage, andere wollen in Assassin's Creed Valhalla einfach bloß die Landschaft erkunden - und wieder andere lieben die Rollenspiel-Fantasie eines Wikingerdaseins. Je mehr Facetten ein Spiel anbietet, desto mehr Spielertypen können dort ihre Wünsche erfüllen - und Railway Empire deckt eigentlich zwei Genres in einem ab.

Der Autor: Dimi hat mit Zügen in etwa so viel gemein wie mit Stabhochsprung, aber er liebt es, sich in neue Leidenschaften reinzufuchsen. In seiner Zeit als GameStar-Redakteur waren das beispielsweise Rennsport, Baseball, Battlefield, American Football, Gundam-Kampfroboter und Total War - alles Themen, mit denen man auf Partys ohne jeden Zweifel zu den coolsten Kids gehört. Oder? Oder?!

Zuallererst geht's im Spiel natürlich um Züge. Ihr bekommt hier eine Logistiksimulation, in der ihr zig Städte mit Zuglinien verbindet, sowie Schaltungen, Ausweichgleise, Bahnhofsauslastung und Zustand eurer Züge im Blick behaltet. Das Grundspiel ohne DLCs fokussiert sich auf Nordamerika im 19. Jahrhundert (die DLCs bringen dann andere Länder und Landschaften).

Ihr verkörpert die Pionierköpfe, die damals die Ostküste mit der Westküste verbanden und somit schnelle Routen quer über den Kontinent erschufen. Wer mal Hell on Wheels gesehen oder ein Geschichtsbuch gelesen hat, kennt die blutigen, ungerechten und ausbeuterischen Seiten dieser tragischen Unternehmung, aber Railway Empire will auch Kinder für das Zughandwerk begeistern und konzentriert sich deshalb ganz auf die Sonnenseiten. Unser Testvideo gibt euch da einen schönen Einblick:

Railway Empire - Test-Video zur Wirtschaftssimulation Video starten 8:35 Railway Empire - Test-Video zur Wirtschaftssimulation

Durch Tutorials und die US-Kampagne werdet ihr ins Zughandwerk eingeführt, könnt danach aber natürlich auch im Endlosspiel euer ganz persönliches Traumnetzwerk aus Schienen, Bahnhöfen, Zügen und so weiter zusammenzimmern. Für Tüftler ist das ein Paradies, aber Logistikpfeifen wie ich, die schon bei Lego-Bauanleitungen Grenzerfahrungen durchleben, brauchen natürlich bessere Köder als einen interaktiven Zugfahrplan. Zum Glück bedient Railway Empire noch ein weiteres Genre.

Wie man mit Strategiespielen wie Railway Empire Geld verdient (zum Beispiel in Japan) und sich als kleine Firma gegen große Publisher behauptet, haben wir im Podcast mit dem Geschäftsführer von Kalypso besprochen:

Link zum Podcast-Inhalt

Tschuu, tschuu

Ich liebe das Reisen, auch wenn ich's im echten Leben nie gemacht habe. Wollte mir damals die Zeit dafür nach meinem sechsmonatigen GameStar-Praktikum geben und das ist ... naja ... fast zehn Jahre her. Aber umso lieber erkunde ich in Videospielen fremde Orte, beschäftige mich mit der Landschaft und träume mich gerne dorthin. Railway Empire ist auch ein Aufbauspiel, in dem ich mich stundenlang verlieren kann.

Denn ich verlege ja nicht nur Gleise, sondern baue auch die einzelnen Städte auf, die ich miteinander verbinde. Und gucke, was die Leute dort gerne essen oder sonst wie konsumieren, weil meine Güterzüge schließlich mehr transportieren als bloß Leute. Vielleicht kaufe ich einem Maisfarmer in Kansas seine Farm ab, platziere dort einen kleinen Bahnhof und schaue zu, wie mein mit Mais vollgepackter Eisenkoloss friedlich nach Cheyenne, Wyoming tuckert.

Railway Empire macht aus mir keinen Hardcore-Zug-Enthusiasten. Aber es zieht mich in sein Szenario, auf dass die Stunden dahin rinnen. Railway Empire macht aus mir keinen Hardcore-Zug-Enthusiasten. Aber es zieht mich in sein Szenario, auf dass die Stunden dahin rinnen.

Und wenn ich Omaha ein paar Landschaftsverschönerungen baue, wollen vielleicht mehr Touristen dorthin reisen, also klingeln die Kassen und alle sind glücklich. Jeden Morgen schaue ich den ganzen Berufstätigen zu, wie sie in den Zug zur Arbeit steigen - oder zumindest stelle ich's mir vor, denn Railway Empire ist jetzt kein Anno, Tropico oder Cities: Skylines, wo ich wirklich voll und ganz im Siedlungsbau aufgehe.

Aber der Aufbau- und Wirtschaftsteil ist cool genug, um mich immer wieder zu motivieren. In meinem Kopf schreibe ich eine Geschichte, in der ich das Leben der Leute besser mache, winzige Orte mit großen Städten verbinde, Steinbrüche mit Wohnsiedlungen vernetze, um Arbeitsplätze zu schaffen. Ich gucke mir die ganzen historischen Züge an, brüte darüber, welcher Passagierzug den Einwohnern von Pittsburgh wohl am besten gefällt - gut, und ich steche natürlich jede Konkurrenz martialisch aus!

So, genug fabuliert, eigentlich will ich nur Folgendes sagen: Ihr braucht kein jahrelanges Faible für Züge, um mit Railway Empire Spaß zu haben. Es genügt ein bisschen Spaß am Bauen, ein Herz für rudimentäres Wirtschaften und natürlich die Offenheit, euch trotzdem ein bisschen mit Gleisbau, Schaltungen und dem ganzen Krams zu beschäftigen.

Für mich als Zugn00b (oder Z00b) hat sich Railway Empire über mehrere Wochen zu dem Feierabendspiel schlechthin entwickelt. Und während ich diese Zeilen tippe, habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich länger nicht mehr reingeschaut habe. Aber ich bin auch gerade erst wieder zurück in München angekommen und tatsächlich hat die Bahnfahrt völlig reibungslos funktioniert! Um hier auch mal mit was Positivem zu enden.

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