Sexismus bei Activision Blizzard: Bobby Kotick gibt strittiges Interview im Angesicht neuer Belege

Der CEO des Publishers äußert sich zu den Vorfällen und spricht in diesem Zuge von einem »hetzerischen Narrativ«. Eine interne Untersuchung widerspricht ihm.

Der CEO von Activision Blizzard hat sich in einem neuen Interview zu den anhaltenden Vorwürfen geäußert. Der CEO von Activision Blizzard hat sich in einem neuen Interview zu den anhaltenden Vorwürfen geäußert.

Wenn dieser Tage über Activision Blizzard gesprochen wird, dann meist im Rahmen der nach wie vor in der Luft schwebenden Übernahme durch Microsoft. Doch das heißt nicht, dass die seit Jahren diskutierten Missbrauchsvorwürfe nicht sowohl öffentlich als auch konzernintern weiterhin ein wichtiges Thema bleiben.

Die gesamte Chronologie der seit Jahren bestehenden Sexismus- und Missbrauchsvorwürfe rund um Activision Blizzard könnt ihr in unserer großen Zusammenfassung nachlesen.

Zwei neue Entwicklungen haben sich ereignet: CEO Bobby Kotick hat sich in einem neuen Interview mit dem Nachrichtenportal Variety zu den Vorfällen geäußert. Zeitgleich hat Activision Blizzard einen neuen Transparenzreport vorgelegt, der die Ergebnisse der internen Untersuchungen präsentiert.

Kotick: Kein systemisches Problem mit Sexismus

Im Gespräch mit Variety spricht der CEO im Zusammenhang mit der Situation unter anderem von böswilligen Verzerrungen und einem hetzerischen Narrativ. Er verweist auf die Untersuchung der EEOC (Equal Employment Opportunity Commission), auf die wir im untenstehenden Abschnitt näher eingehen.

Ich würde nicht hier sitzen und mit Ihnen reden, wenn irgendetwas von dem, was Sie in der hetzerischen Erzählung lesen, wahr wäre. [...] Wir haben alle möglichen Untersuchungen durchführen lassen und wir hatten nie ein systemisches Problem mit Belästigung.

Quelle: Variety

Er räumt ein, dass es zwar wie in jedem großen Unternehmen zu einigen Vorfällen von Missbrauch am Arbeitsplatz oder Diskriminierung gekommen sei, es sich dabei aber nur um eine kleine Zahl handle, über die man sich dennoch zutiefst besorgt zeige.

Gewerkschaften in der Kritik

Bobby Kotick sieht die Ursache für all diese Probleme an ganz anderer Stelle, nämlich bei Arbeitergewerkschaften wie der in den gesamten USA operierenden CWA (Communications Workers of America). Auch konzernintern haben sich kürzlich zwei Teams erfolgreich zu einer Gewerkschaft zusammengeschlossen - die QA-Abteilungen bei Raven Software und Blizzard Albany.

Kotick sagt:

Wir hatten keine der in den Medien gemeldeten Fehlcharakterisierungen. [...] Aber was wir hatten, war eine sehr aggressive Arbeiterbewegung, die hart daran arbeitete, das Unternehmen zu destabilisieren.

Quelle: Variety

Als Gegner dieser Arbeiterzusammenschlüsse wolle er das aber nicht missverstanden wissen. Er habe keine Abneigung gegen eine Gewerkschaft an sich, aber gegen eine Gewerkschaft, die sich nicht an die Regeln halte.

29 begründete Vorfälle im Jahr 2022

Widmen wir uns noch wie oben erwähnt der konzerneigenen Untersuchung. Wie das Businessportal Axios berichtet, hat Activision Blizzard zwischenzeitlich den Transparenzbericht veröffentlicht, den ihr euch in voller Länge durchlesen könnt.

Laut diesem seien im Jahr 2022 insgesamt 119 Fälle von Diskriminierung oder anderweitigem Missbrauch am Arbeitsplatz konzernintern an höhere Stellen gemeldet worden. Von diesen Fällen haben die mit der Untersuchung Beauftragten 29 Stück als begründet eingestuft.

In diesem Zuge seien mehr als drei Dutzend Maßnahmen eingeleitet worden, unter anderem die Kündigung der beschuldigten Personen aufgrund von diskriminierender Ausdrucksweise, physischem Missbrauch, Misgendering sowie nicht einvernehmlichen körperlichen Berührungen.

Im Laufe des Transparenzberichts äußert sich der Konzernvorstand wie folgt:

Schon ein einziger Fall von Belästigung, Diskriminierung oder Vergeltung ist einer zu viel. [...] Wir verfügen über solide Verfahren, um Sorgen und Bedenken am Arbeitsplatz auf neutrale und faire Weise zu lösen und geeignete Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.

Quelle: Transparenzbericht von Activision Blizzard, Seite 33

Abschließend bezeichnet der Vorstand den Anstieg des gemeldeten Fehlverhaltens im Jahr 2022 als Zeichen einer gesunden Meldekultur und effektiver Schulung.

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Das neue Interview mit Bobby Kotick ist während einer für den Publisher wichtigen Zeit erschienen: Die eingangs erwähnte Übernahme seitens Microsoft ist noch nicht in trockenen Tüchern und muss noch von Behörden in verschiedenen Ländern genehmigt werden. Mit Diablo 4 steht der für den Konzern wichtigste Launch des Jahres an und noch vor einigen Wochen kämpfte man mit einem stark sinkenden Aktienkurs.