Ich habe nachgedacht«, sagt Sid Meier, setzt sich zu uns und stellt die Schachtel mit dem Hühner-Wrap ungeöffnet auf den Tisch. Es ist Mittagspause, aber Sid kann jetzt nicht essen, er muss ein Problem lösen: »Ich habe nachgedacht darüber, wie man den Fußball reparieren könnte.«
Mit Luftpumpe und Klebespray? Aber nein, Sid spricht ja nicht von einer undichten Gummikugel, sondern von der ganzen Sportart. Am Vortag hat Deutschland das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Argentinien gewonnen, das entscheidende Tor fiel in der Verlängerung. Doch während Letztere in Berlin und Buenos Aires den kollektiven Fan-Blutdruck bis an die Explosionsgrenze trieb, versank Sid gähnend in seiner Couch: »In der Verlängerung geht es einfach so weiter wie vorher, das Spiel wird bloß in die Länge gezogen. Das ist kein gutes Design. Es wäre doch viel spannender, wenn man die Regeln ändern würde … zum Beispiel, wenn beide Teams in der Verlängerung ohne Torwart antreten müssten!«
Nun hat sich Sid diesen Geistesblitz bestimmt vorab als Smalltalk-Eisbrecher zurechtgelegt, dennoch beweist er zweierlei. Erstens darf man mit Nordamerikanern einfach nicht über Fußball reden. Zweitens sind Regeln für Sid Meier das A und O (und vermutlich auch alle anderen Buchstaben); man muss sie analysieren, diskutieren - und dann so radikal ändern, dass sie das Spiel komplett umkrempeln.
Sid brütet gerne über solchen Gedankenspielen, dreht Ideen, Formeln, Systeme so lange hin und her, bis sie funktionieren; er ist der Wissenschaftler unter den Entwicklern. Das hat ihn so erfolgreich gemacht, sein Name steht für Klassiker wie Civilization, Pirates!, Railroad Tycoon. In den Neunzigern gehört das meiersche Gesamtwerk ins Spieleregal wie der Brockhaus ins Wohnzimmer, Sid verantwortet schlaflose Nächte und Beziehungskrisen, begeisterte Schulhofgespräche und gescheiterte Prüfungen.
Doch heute ist es ruhig geworden um die lebende Legende, aus dem Rampenlicht hat sich Sid weitgehend zurückgezogen. Umso gespannter setzen wir uns mit ihm zusammen, um über seine Karriere zu plaudern, über seine Philosophie, über Höhe- und Tiefpunkte. Und natürlich über diese Sache mit den Dinosauriern, die ihn bis heute verfolgt.
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