Spider-Man: Far From Home in der Kritik: Tolle Zutaten, schale Suppe

Unsere Filmkritik zu Spider-Man: Far From Home schreiben wir mit lachendem und weinendem Auge. Denn im neuen Marvel-Film steckt so viel ungenutztes Potenzial.

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Spider-Man: Far From Home verschlägt Spidey nach Europa. Spider-Man: Far From Home verschlägt Spidey nach Europa.

Mittlerweile ist der Spruch »Aus großer Kraft folgt große Verantwortung« für viele Superhelden-Fans bloß noch ein altes Klischee. Der junge Peter Parker ignoriert diese Weisheit, dadurch stirbt sein lieber Onkel Ben - der schockierte Teenager begibt sich auf einen steilen Pfad, um irgendwann ein Held zu werden. Eine klassische Story, die Spider-Man: Homecoming 2017 getrost (und zurecht) ignorierte, weil sie alleine im Kino schon viel zu oft erzählt wurde.

Doch im Nachfolger Spider-Man: Far From Home zahlt der Tom-Holland-Spidey allmählich einen Preis dafür. Denn bei allem Klischee: In den ersten beiden Tobey-Maguire-Streifen ging es zumindest um etwas. Ein Teenager bekommt plötzlich unglaubliche Kräfte, reagiert im falschen Moment wie ein patziges Kind, muss umso mehr lernen, der Verantwortung gerecht zu werden. Spider-Man ist eine Coming-of-Age-Story. Für Peter. Für MJ, die in der Kirsten-Dunst-Variante viel zu früh mit der harten Realität des Lebens konfrontiert wurde.

Beim Schauen von Spider-Man: Far From Home merkt man indes schnell: Der Film ist von innen hohl. Selbst für einen Marvel-Superheldenfilm. Darüber hinaus sieht man die großen Wendungen des Films auf 100 Kilometer Entfernung anrollen, sofern man irgendwann mal irgendwo eine Spidey-Geschichte aufgeschnappt hat. Und das ist so schade, denn meiner Meinung nach stecken trotzdem viele tolle Ideen drin.

Tom Holland und Zendaya könnten in ihrer Ausgangslage, mit ihrem Charisma ein viel spannenderes Spidey-MJ-Gespann verkörpern als Maguire und Dunst. Leider wirft der Film letztlich zu viele halbgare Inhalte wirr ineinander, um wirklich triumphieren zu können. Was aber wirklich nicht heißen soll, dass er nicht auch klare Stärken auffährt.

Spoilerfreie Kritik: Wir verraten abseits des ersten Trailers keinerlei Details zur Story, den Plot-Twists und sonstigen Aspekten, die euch das Filmvergnügen verderben könnte. Wer jedoch absolut nichts über Far From Home und dessen Vor- wie Nachteile lesen will, wartet lieber bis nach dem Kinobesuch. Logisch.

Die Stärken von Spider-Man: Far From Home

Far From Home macht Spaß. Nach den Ereignissen von Avengers: Endgame begibt sich Peter Parker mit seinen Freunden auf Klassenfahrt nach Europa, die Hormone liegen in der Luft, es geht um Teenie-Kram, um Liebe, Sorgen und allerlei Quatsch, der auf Klassenfahrten nun mal passiert.

Hier erfindet der Film kein Rad neu, aber es macht einfach Spaß, dem charismatischen Tom Holland bei seinem Spagat zwischen Superhelden-Dasein und ganz alltäglichem Teenie-Kram zuzuschauen. Das hat Spider-Man immer schon ausgemacht, hier trifft der Film noch mehr ins Schwarze als Homecoming, weil das Casting einfach super ist.

In der zweiten Hälfte zieht nach dann auch die Action mit einigen ziemlich kreativen und spektakulären Kämpfen an. Wo der Geier aus dem ersten Film im Prinzip nur ein ziemlich starker Klopper war, den Spidey vor allem mit Kraft bezwingt, dachte ich mir bei der neuen Bedrohung: Wie will Peter die bitte besiegen? Und ich wollte folglich unbedingt wissen, was Parker für ein Ass aus dem Ärmel schüttelt. Selbst wenn die Persönlichkeit des neuen Schurken ziemlich lahm ist.

Generell wirft der Film den Zuschauern immer wieder wirklich coole Ideen entgegen. Zu Beginn geht's etwa kurz um die Auswirkungen der Geschehnisse in Avengers: Endgame. Hieraus resultieren skurrile Situationen - super! Auch der Humor landet ein paar echte Volltreffer, ganz generell stimmt die Chemie zwischen den Figuren. Nachdem Homecoming sich sehr auf das Zusammenspiel zwischen Spider-Man und Iron Man konzentrierte, steht jetzt der klassische Spidey-Support-Cast stärker im Vordergrund. Die richtige Entscheidung. Nur greift der Film leider auch hier viel zu kurz.

Die Schwächen von Spider-Man: Far From Home

In Spider-Man: Far From Home geht es mal um Peters Suche nach einer Vaterfigur, mal um die Liebe, mal um die Frage, ob ein Superheld nicht trotzdem ein Recht auf ein normales Leben hat. Der Film thematisiert manchmal die großen Fußstapfen, die etablierte Helden hinterlassen, und in anderen Momenten muss Peter damit klar kommen, dass man es niemals jedem Recht machen kann.

Aber es geht nie wirklich konsequent um irgendwas. MJ wirft an einer Stelle lapidar in den Raum, dass sie Bindungsprobleme hat, doch es fehlt jeder weiterführende Dialog, der sie als Figur mal ein wenig atmen lässt. Über Rüpel Flash Thompson erfahren wir völlig beiläufig, dass seine Eltern ihn komplett missachten - ohne dass das je wieder eine Rolle spielt.

Spider-Man: Far From Home - Neuer Trailer mit Jake Gyllenhaal als Mysterio mit mächtigem Spoiler zu Avengers: Endgame! Video starten 2:48 Spider-Man: Far From Home - Neuer Trailer mit Jake Gyllenhaal als Mysterio mit mächtigem Spoiler zu Avengers: Endgame!

Und Peters bester Kumpel Ned Leeds ist erneut nur dafür da, sich zum Deppen zu machen. Tante May reduziert der Film wieder fast komplett auf ihre attraktive Verjüngung. Neuzugang Mysterio (Jake Gyllenhaal) wird ziemlich interessant aufgebaut, nur um sein Potenzial auf der menschlichen Seite letztlich völlig vorhersehbar zu verpulvern.

Generell ist Vorhersehbarkeit ein großes Problem des Films. Die komplette erste Hälfte schaut sich als Superhelden-Film zäh, weil man nur darauf wartet, dass die absolut offensichtlichen Karten endlich auf dem Tisch landen. Mich hat das gegenseitige Umtänzeln von Peter und MJ bis zu diesem Punkt mehr unterhalten als meine Kollegen im Saal, aber ich bin auch ein Spidey-Fan der ersten Stunde.

Gut? Schlecht? Was ist Far From Home denn nun?

Doch gerade als Fan hat mir Far From Home letztlich zu wenig wirklich Neues mit den altbekannten Figuren angestellt. Versteht mich nicht falsch: Ich erwarte von einem Marvelfilm in erster Linie gute Unterhaltung und keine tiefsinnige Charakterstudie.

Wo jedoch Avengers: Endgame große Emotionen auf den Weg brachte und kleinere Filme wie Doctor Strange launige Einzelgeschichten erzählen (über ein arrogantes Genie, das zum Helden werden muss), plätschert der neue Spider-Man zwei Stunden vor sich hin. Ohne Fokus. Ohne Überraschungen.

Spider-Man: Far From Home - Erster Trailer mit Spidey, Nick Fury und Jake Gyllenhaal als Mysterio Video starten 2:16 Spider-Man: Far From Home - Erster Trailer mit Spidey, Nick Fury und Jake Gyllenhaal als Mysterio

Ist Far From Home deshalb ein schlechter Film? Ich finde nicht. Gerade gegen Ende wird die Action wirklich gut, die Vorbereitung aufs Finale hat mir regelrechte Gänsehaut beschert, weil hier die Emotionen auf den Punkt gebracht werden. Die Schauspieler spielen charmant, die Gespräche sind häufig pfiffig, witzig, zeigen Herz.

Aber Far From Home könnte so viel besser sein, wenn er seine spannenden Ansätze mutiger, konsequenter und überraschender verfolgt hätte. Der Film bleibt oberflächlich, bietet an der Oberfläche aber weniger Augenschmaus als andere Marvel-Streifen. Er redet unheimlich viel, traut sich jedoch kaum, irgendwas zu sagen.

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