Spin-offs von gescheiterten Spielen - Zweite Chance ohne Markenballast

Was haben Blizzards MMO-Hoffnung Titan und der neueste Teil der Siedler-Reihe gemeinsam? Die Entwickler haben die Reißleine gezogen – zum Glück, findet Jochen Redinger.

Champions of Anteria - Ankündigungs-Trailer Video starten 1:41 Champions of Anteria - Ankündigungs-Trailer

Wie viele Empörungswellen in der Videospielgeschichte hätten vermieden werden können, wäre nicht irgendein - für sich eigentlich gut funktionierendes und durchaus spaßiges - Spiel mit einem ganz bestimmten Seriennamen verknüpft worden. Denn damit wird eine Erwartungshaltung geschürt, an der das neue Spiel nur scheitern kann, und die letztlich auch der Zugpferd-Marke massiven Schaden zufügt. Sacred 3 beispielsweise war ein launiges Spiel, aber bis auf das »Sacred« im Titel hatte es erzählerisch fast und spielerisch gar nichts mit den ambitionierten Diablo-Herausforderern von früher zu tun.

Genau deshalb habe ich mich gefreut, dass aus Die Siedler: Königreiche von Anteria nach langem Hin und Her Champions of Anteria wird. Ohne komplexen Basisbau und vor allem ohne Bezug zur Siedler-Serie! So kann das neue Spiel dafür stehen, was es kann: taktische, jederzeit pausierbare Echtzeitschlachten mit starken Helden und viel Mikromanagement. Ein bisschen Basisbau wird's zwar immer noch geben, aber nichts, was auch nur ansatzweise mit dem mithalten kann, was ich von einem Siedler erwarte. Deshalb ist es okay, dass die Entwickler jetzt die Reißleine ziehen, denn wenn sie selbst nicht hinter dem stehen, was sie am Ende abliefern, wird der Releasetermin zur Katastrophen-Voransage!

Der Autor
Würde man Jochen ein Mount & Blade 2 vorsetzen, das alles richtigmacht, aber urplötzlich im Ersten Weltkrieg spielt, wäre sein zornesroter Kopf aus dem Weltall zu sehen! Über verpasste Chancen und totgerittene Serien zu meckern, gehört für ihn zum Spielerdasein genauso dazu wie die Freude über ein tolles Spiel. Deshalb begrüßt er die Entscheidungen der Titan- und Siedler-Macher, rechtzeitig Adieu zu sagen und ihre Spiele nicht unnötig mit Altlasten zu beschweren.

Es ist in Ordnung, wenn ein Team sich umorientiert, das gilt auch bei Blizzards gescheitertem Online-Rollenspiel Fall von Titan. Niemand im Team war mit dem zufrieden, was da im Geheimen entwickelt wurde: »Wir sind in jeglicher Hinsicht grauenhaft gescheitert«, sagt der Ex-Chefentwickler Jeffrey Kaplan. So eine Aussage zu treffen, schmerzt. Sich einzugestehen, dass es besser ist, jetzt aufzuhören, als endlos weiterzufuhrwerken, ist außerdem verdammt schwierig, schließlich stecken ja bereits Arbeit und Mühe in dem Scherbenhaufen.

Für uns Spieler ist das jedoch ein absoluter Glücksfall! Wenn Ubisoft Champions of Anteria als Die Siedler 8 verkauft hätte, hätte sich nach dem wohlverdienten Aufschrei der Fans niemand mehr getraut, ein neues Siedler zu finanzieren. Und wäre Titan nicht eingestellt worden, hätten wir heute kein Overwatch, das offensichtlich aus Titan-Resten entstanden ist.

Deshalb sollten gerade wir Spieler uns ins Gedächtnis rufen, was wir lieber haben: eine vollkommen an die Wand gefahrene Marke, die nach dem x. Misserfolg in der Versenkung verschwindet, oder ein Spiel, das zumindest für Genre-Fans interessant sein kann. Scheitern muss erlaubt sein, und das Eingestehen von Fehlern ist keine Schwäche - es ist die größte Stärke überhaupt. Vor allem im Sinne der Spieler!

Titan-Diskussion: Teil 1 - Warum wurde das Blizzard-MMO eingestellt? Video starten 10:29 Titan-Diskussion: Teil 1 - Warum wurde das Blizzard-MMO eingestellt?

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