Nein, früher war nicht alles besser! Schon gar nicht die Spiele. Trotzdem steht gefühlt unter jedem fünften GameStar-Artikel der sinngemäße Kommentar: »Eigentlich müsste man Spiel X nur mit moderner Grafik herausbringen - fertig ist der Hit!«
Mit Tony Hawk's Pro Skater 1+2 bekommen zumindest Sportfans jetzt die spielbare Probe aufs Exempel. Denn viel besser als hier kann man ein Remake eines legendären Klassikers eigentlich kaum umsetzen, obwohl oder gerade weil die Entwickler von Vicarious Visions das Original nicht nur technisch, sondern auch spielerisch an ein paar entscheidenden Stellen aufpolieren. Im Kern handelt es sich trotzdem noch um das gleiche Spiel wie vor 20 Jahren, mit allen Vor- und Nachteilen, die dies mit sich bringt.
Exklusiv im Epic Store
Zum Release könnt ihr Tony Hawk's Pro Skater 1+2 ausschließlich im Epic Store erwerben. Anders als bei Xbox One und PS4 gibt es auch keine physische Version. Wir haben bei Activision nachgefragt, wie lange die Epic-Exklusivität gilt, der Publisher möchte hierzu aber noch kein Statement abgeben.
Zwei Minuten Highscore-Hatz
»Wie vor 20 Jahren« heißt im Fall von Tony Hawk's Pro Skater vor allem: gute alte klassische Highscore-Jagd. Ihr habt in der Kampagne genau zwei Minuten, um in den 17 unterschiedlichen Skate-Arealen der ersten beiden Tony-Hawk-Spiele möglichst abwechslungsreiche Trick-Kombinationen abzufeuern und so euren Punktestand in immer neue Höhen zu schrauben.
Ja, nur zwei Minuten! In Zeiten, bei denen wir gern mal allein zwei Minuten benötigen, um in der Open World zum nächsten Quest-Ziel zu latschen, wirkt das tatsächlich um ein Vielfaches kürzer, als wir es in nostalgischer Erinnerung hatten.
Entsprechend blöd schauen wir aus der Wäsche, als unser erster Run in der Lagerhalle mit kläglichen 15.378 Punkten plötzlich endet. Und starten direkt unseren zweiten Versuch. Dann den dritten, vierten, fünften … huch, so spät schon? Ja, zwei Minuten sind verflucht wenig und wir hätten uns fürs Remake zumindest eine Option für längere Runs gewünscht - ohne Zeitdruck lassen sich die Level nur abseits der Kampagne im neuen Free-Skate-Modus erkunden. Und ja, das harte Zeitlimit kaschiert, dass die Areale nach heutigen Maßstäben ziemlich winzig sind.
Tony Hawk's Pro Skater 1+2 - Screenshots aus der PC-Version ansehen
Nur warum können wir dann einfach nicht aufhören? Zum einen, weil sich die Steuerung unseres Skateboarders im Remake genauso knackig-präzise anfühlt, wie wir es vom Original in Erinnerung haben. Wir spüren förmlich, wie uns Grabs, Plants, Ollies sowie die jeweiligen Spezialmanöver der Skater mit jedem Run mehr in Fleisch und Blut übergehen.
Kombinationen und Punktevorgaben, die anfangs unmöglich erscheinen, entlocken uns ein paar Stunden später nur noch ein entspannt-müdes Lächeln. Wer sich trotzdem aufs Fressbrett packt, weiß immer ganz genau, woran es gelegen hat … und probiert es gleich nochmal.
Die Grenzen eines Remakes
Zum zweiten können wir nicht aufhören, weil die Skate-Areale zwar winzig sein mögen, Kennern der Originalspiele aber ein nostalgisches »Ach ja, so war das!« nach dem anderen bescheren. Neben der klassischen Highscore-Jagd motivieren uns pro Skatepark nämlich sieben weitere, teils sogar neue Missionsziele zum Erkunden und Experimentieren - vom Einsammeln oder Zerstören bestimmter Gegenstände bis zum Vollziehen besonders spektakulärer Tricks wie dem Überspringen von drei parkenden Autos. Und natürlich sind da noch die vielen versteckten Geheimnisse, wir sagen nur »Grind über die Hubschrauber-Rotorblätter«.
Wer die Nostalgiebrille absetzt oder die Vorlagen erst gar nicht kennt, stößt allerdings früher oder später an die Grenzen eines im Kern 20 Jahre alten Spiels. 17 Level aus zwei Spielen klingen nach viel, dennoch habt ihr nach spätestens fünf Stunden prinzipiell alles gesehen, was Tony Hawk's Pro Skater 1+2 bietet.
Denn ob ihr nun über das Treppengelände eines Einkaufszentrums oder den Fahnenmast eines Schulgeländes grindet (also mit den Achsen eures Skateboards drüber rutscht), macht spielerisch keinen Unterschied. Die Level und Aufgaben von Tony Hawk's Pro Skater 3 und Tony Hawk's Pro Skater 4 waren da schon deutlich abwechslungsreicher.
Dem Remake ist dies durchaus bewusst, weshalb es jetzt ein neues Challenge-System gibt, dass euch mit Freischaltgedöns geradezu bombardiert, teils spezifisch für jeden Skater. Für wirklich jede Kleinigkeit im Spiel - und sei es das Anpassen der Spezialtrick-Tastenkombination - erhalten wir Erfahrungspunkte sowie ein paar Dollar.
Je höher unser Spieler-Level, desto mehr Gegenstände schalten wir im Shop frei, die wir wiederum mit unserer verdienten Ingame-Kohle kaufen können. Die Motivation, noch unbedingt diese Challenge zu absolvieren, um auch das zehnte bunte T-Shirt zu kaufen, hält sich allerdings in engen Grenzen.
Legendäre Level im neuen Unreal-Glanz
Die offensichtlichste Neuerung von Tony Hawk's Pro Skater 1+2 ist aber natürlich die von Grund auf neue Optik auf Basis der Unreal Engine. Sämtliche Skater wurden zudem neu eingescannt, was den witzigen Nebeneffekt hat, dass wir nun mit einem 52-jährigen Tony Hawk durch die Halfpipes fliegen. Neben den Altstars der Originalspiele gibt's im Remake aber auch neue Skateboard-Profis wie die Brasilianerin Letícia Bufoni (3,4 Millionen Instagram-Follower) oder Tony Hawks Sohn Riley.
Für Kenner des Originals ist es tatsächlich ein echtes Erlebnis, legendäre Serien-Schauplätze wie den Downhill Jam, den Flugzeughangar oder die Stierkampfarena in moderner Grafik und mit den alten Helden wiederzuentdecken. Allerdings übertüncht auch hier die neue Technik ein teils veraltetes Leveldesign.
So skaten wir etwa durch die zwar hübsch beleuchtete, aber bis auf ein paar umherbrausende Taxis komplett leere New Yorker Innenstadt. Und in den insgesamt vier Wettbewerbsarenen sehen wir weder Publikum, noch die konkurrierenden Skateboard-Profis. Ja, das mag originalgetreu sein, aber auch Originalgetreues lässt sich behutsam erweitern - und sei es nur als optionale Levelvariante.
Splitscreen-Punkrock-Party
An anderer Stelle waren die Entwickler durchaus rigoroser beim Abschneiden alter Zöpfe. So kommt im Remake der ersten beiden Tony-Hawk-Spiele nämlich in allen Levels bereits das erweiterte Tricksystem des dritten Serienteils zum Einsatz.
Dies erlaubt uns mittels Halfpipe-Reverts (Drehung des Skateboards) theoretisch endlose Kombos, so uns das Tempo nicht ausgeht. Eine überaus sinnvolle Verbesserung, die zudem deutlich höhere Highscores als in den Original-Spielen ermöglicht, sich in den Optionen aber auch deaktivieren lässt.
Außerdem könnt ihr eure Skater wahlweise nun auch per Analog-Stick navigieren, was tatsächlich ähnlich präzise funktioniert wie mit dem gewohnten Digikreuz. Die vorbildlich sauber portierte PC-Version (samt Maus-Unterstützung in den Menüs!) ermöglicht sogar eine freie Tastaturkonfiguration, was euch in der Praxis aber trotzdem schneller einen Fingerknoten beschert als ihr »One Foot Tailgrab« sagen könnt und sich somit maximal als freiwilliges Handicap für den Multiplayer-Modus eignet.
Und der liefert euch neben zwei Online-Spielmodi (Jam & Wettkampf) etwas, das es auf dem PC viel zu selten gibt: gescheite Splitscreen- und Hotseat-Action! Wenn ihr mit euren Freunden um die Wette Gegenstände einfärbt oder »Fangen« mit dem Skateboard spielt, bleibt kein Auge trocken … vor Lachtränen.
Fehlt zur gelungenen Party nur noch der perfekte Soundtrack und auch hier haut Tony Hawk's Pro Skater 1+2 richtig einen raus. Denn die Musik reaktiviert nicht nur die Punk- und Rap-Hymen der Originalspiele, sondern packt noch 37 neue Songs oben drauf, die sich nahtlos einfügen und einen der besten Spiele-Soundtracks der letzten 20 Jahre ergeben. Wie es sich für das Comeback einer Funsport-Legende gehört!
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