»Ob in riesigen Hallen bei den E-Sports-Veranstaltungen, ob Zuhause am PC, oder ob beim Casual Game mit dem Smartphone in der U-Bahn - die Menschen spielen und spielen«. Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung Koelnmesse, bringt es auf den Punkt. Ein Beweis für die globale Gamifizierung: Seit ihrer ersten Ausstellung im Jahr 2009 verzeichnet die Gamescom, nach der Asia Game Show die weltweit zweitgrößte Spielemesse, jährlich neue Rekorde.
Die Erfolgskurve ist streng monoton steigend, wie der Mathematiker sagen würde. 2017 sind es 910 Aussteller aus 54 Ländern auf einer Fläche von über 200.000 Quadratmetern. Im Vergleich zu 2009 bedeutet das: plus 100 Prozent bei den Ausstellern, plus 75 Prozent bei den Fachbesuchern, plus 70 Prozent bei der Fläche und plus 40 Prozent bei den Besuchern insgesamt.
Das sind eine ganze Menge Plusse. Kein Wunder also, dass mittlerweile auch die Politik auf den Gaming-Zug aufspringt. Nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2017 eröffnet die ehemalige und erneute Bundeskanzlerin Angela Merkel das Event. Der Gamescom Congress, eine zur Veranstaltung gehörende Konferenz über Videospielthemen, beginnt erstmalig mit einer Podiumsdiskussion.
Die Disputanten: Politiker der großen Parteien. Die (Streit)Themen: Die Relevanz von Spielen und die Herausforderungen der Digitalpolitik der Bundesrepublik. Der Titel des Ganzen: »Wahlkampf-Arena«. Das erinnert an Arena-Shooter wie Quake, Unreal Tournament und Co. Und das soll es auch.
Gerald Böse formuliert es vorsichtig so: »Ganz offensichtlich ist Digital Entertainment auch in der Spitzenpolitik kein Randthema mehr«. Die Politik hat die Spiele-Industrie als ökonomischen Motor und die Masse der Spieler als potenzielle Wählerschaft erkannt. Überspitzt könnte man sagen: Nicht die Spiele sind in der Politik angekommen, sondern die Politik ist in den Spielen angekommen.
Comics und Mordgedanken: Die Urahnen der »Killerspiel«-Debatte
Die Autorin
Warum sie spielt, weiß Nora Beyer in den verschiedensten Momenten. Als Irenicus, der legendäre Endgegner in Baldur´s Gate 2 endlich - nach unzähligen Anläufen - am Boden liegt, weiß sie es. Als sie sich im Körper einer zerbrechlichen Fliege in Monte Cristo's Minispiel The Plan endlich dem glücksverheißende Licht nähert, die melancholische Suite »Åses Tod« des Komponisten Edvard Grieg einsetzt und ihr am Ende des Spiels die Tränen in den Augen stehen. Als der Bogenschuss in Tomb Raider endlich sitzt. Als die Bösewichter geschlagen, die Welt endlich gerettet ist etc. pp. Aber es steckt noch mehr dahinter als Triumph, Genugtuung oder Unterhaltung. Aber was? Nora macht sich auf die Suche nach dem Zockerherz.
Das goldene Zeitalter der Spiele
Aber woher rührt diese Hoch-Zeit der Spiele? »Computer- und Videospiele sind aus dem Alltag längst nicht mehr wegzudenken«, stellt inzwischen selbst Frau Merkel fest. Die Spieleindustrie boomt, die Kreativität vor allem im Indie-Bereich scheint schier unerschöpflich. Richard Garriott alias Lord British, Ultima-Entwickler und Spielepionier, spricht gar vom »goldenen Zeitalter der Spiele«.
Journalisten wie Christian Schiffer vom BR, Carsten Görig vom Spiegel oder Thomas Lindemann (ehem. Die Welt) rücken Spiele in die Nähe des Feuilletons und selbst die CDU raunt, dass Spiele Kulturgut seien und deshalb gefördert werden müssten (Dr. Peter Tauber). Diesen Statements, Plädoyers und (Wahl)Aussagen ist eines gemeinsam:Sie gehen davon aus, dass Spiele mehr sind als nur Spiele.
Exemplarisch deutlich wird das im Motto des letztjährigen Gamescom Congress. Der heißt nämlich genau so: »Mehr als Spiele«. Gekleckert wird da nicht. Die Dachthemen sind umfassend: »Mehr als Wissen - Games bilden«, »Mehr als Business - Games lohnen«, »Mehr als Gamification - Games verwandeln«, »Mehr als Recht - Games fundieren« und der existenzielle Rundumschlag: »Mehr als Leben - Games faszinieren«.
Ganz offensichtlich hat die Spieleindustrie nicht (mehr) das Gefühl, kleine Brötchen backen zu müssen. Allgegenwärtig ist das Schlagwort von Spielen als Kulturgut (Gerald Böse). Spielen wird sozusagen der Ritterschlag erteilt, nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein, sondern zudem noch einen essenziellen Wert zu haben - einen kulturellen nämlich.
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