Eine der umstrittensten Open Worlds hat mich in einem Punkt schwer beeindruckt

Das allererste Watch Dogs hatte für Peter eine besondere Atmosphäre, die in den Nachfolgern verloren ging. Großen Anteil daran hatte das regnerische Chicago.

Es gibt Spiele, deren Existenz man für längere Zeit vergisst. Das hätte man damals, als sie erschienen sind, nie für möglich gehalten, weil sie zu diesem Zeitpunkt so omnipräsent wirkten, so weltumspannend, so unheimlich wichtig. Und dann sind plötzlich neun Jahre vergangen und man denkt zufällig wieder an dieses eine Spiel, über das niemand mehr redet.

Watch Dogs ist so ein Spiel, aber ich will hier nicht über Watch Dogs sprechen. Watch Dogs wurde totgeredet, zwischen der Kontroverse um das Grafik-Downgrade und dem Hype vor Release, den das fertige Spiel in keiner Weise rechtfertigen konnte, gingen die eigentlichen Inhalte dieses Open-World-Titels völlig unter.

Apropos Open World: Ich möchte über Watch Dogs Spielwelt reden. Denn die ist bis heute einzigartig.

Peter Bathge
Peter Bathge

Als Redakteur hat Peter in seinen 18 Jahren im Beruf auch viele Open-World-Spiele getestet. Er erinnert sich noch sehr gut, wie er damals, 2014, Watch Dogs für die PC Games in einem Wochenende durchspielen musste. An die damalige (zu hohe) Wertung will er heute lieber nicht mehr denken, auch wenn er immer noch der Meinung ist, dass das Spiel viele gute Seiten hatte. Auf jeden Fall gefiel ihm damals die Atmosphäre deutlich besser als in den zwei Nachfolgern.

Watch Dogs muss man von hinter dem Lenkrad erleben

Watch Dogs spielt in der »Windy City«, dem oftmals bitterkalten Chicago. Das kenne ich vor allem aus dem Fernsehen (»Emergency Room«): die vielen Brücken, der leicht heruntergekommene Look der Stadt. Und dann Regen, der atmosphärisch auf einen niederprasselt, den Asphalt tränkt und der Straße einen schicken, nassen Look verleiht. Ein bisschen melancholisch wirkt diese Metropole, mit vielen ärmlichen Gegenden, das gläserne Stadtzentrum ein Kontrast zum rostigen Rest.

Watch Dogs - Grafikvergleich: Trailer von 2012 gegen finale PC-Grafik Video starten 3:46 Watch Dogs - Grafikvergleich: Trailer von 2012 gegen finale PC-Grafik

Ich habe es geliebt, abseits der Missionen um den furchtbar ernsten Protagonisten Aiden einfach eine Runde durch diese Stadt zu drehen. Natürlich habe ich den Held dafür in ein Auto oder auf ein Motorrad steigen lassen und natürlich war das erste, was ich geändert habe, die Kamera.

Denn Watch Dogs bietet eine exzellente Cockpit-Perspektive, aus der die Erkundung der Spielwelt gleich nochmal so viel Spaß macht. Das kommt nicht von ungefähr: Mit Ubisoft Reflections haben die Entwickler von Driver: San Francisco an Watch Dogs mitgearbeitet, ebenfalls ein großartiger Titel fürs Cockpit-Cruisen.

Hinter dem Steuer fühlt sich die Welt so viel greifbarer an, die Perspektive wirkt weitaus beeindruckender - so sehr, dass ich mich frage, warum nicht mehr Spiele mit modernem Großstadtszenario komplett in der Ego-Perspektive ablaufen, quasi ein Elder Scrolls zwischen Wolkenkratzern.

Auto fahren in einem Open-World-Spiel? Nur aus der Cockpit-Perspektive, bitte! Glücklicherweise hatte Watch Dogs eine ganz exzellente. Nur die fehlenden Reflexionen im Rückspiegel nerven. Auto fahren in einem Open-World-Spiel? Nur aus der Cockpit-Perspektive, bitte! Glücklicherweise hatte Watch Dogs eine ganz exzellente. Nur die fehlenden Reflexionen im Rückspiegel nerven.

Die Stadt, in der ich niemals schlafe

Watch Dogs sah damals großartig aus, wenn auch die Grafik keine absolute Wundertüte war wie die ersten Trailer suggerierten. Dennoch fehlten dem Spiel in meinen Augen lediglich realistische Spiegelungen der Spielfigur - will nicht zufällig jemand hier einen Raytracing-Patch nachschieben?

Egal, auch ohne Reflexionen habe ich mich nachts bei Regen so irrsinnig gerne im virtuellen Chicago herumgetrieben. Während ich aus dem Fenster schaue, sehe ich Dutzende NPCs an mir vorbeigehen, die sich die Zeitung über den Kopf halten, um trocken zu bleiben - Wahnsinn. Natürlich hat Watch Dogs Defizite in Sachen Detailtiefe, wie dieses Video beweist:

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Aber das ist punktuell, anderswo gibt's so viel zu bestaunen, so viel zu sehen. Die Lichteffekte sind eine Wonne, etwa das sanfte Glühen einer grünen Leuchtreklame im Dunkeln der Nacht. In der toll ausgeleuchteten Innenstadt lasse ich Glasscheiben mit Kugeln in unzählige Splitter zerbersten oder schaue dabei zu, wie der Regen Aidens Ledermantel dunkel färbt, der noch dazu dank glaubwürdiger Windsimulation herrlich in der Brise flattert.

Der eigentliche Star, über den bei Watch Dogs so gut wie niemand spricht, ist aber der tolle Soundtrack. Mehr als einmal ertappe ich mich dabei, wie ich die Lautstärke aufdrehe und den exzellent ausgesuchten Stücken zuhöre, gänzlich eingetaucht in eine Atmosphäre, die mir nicht einmal das famose Los Santos aus GTA 5 bietet.

Leuchtrekklame, die sanft im Dunkeln glüht und sich in einer Pfütze spiegelt: Watch Dogs sah damals schon unverschämt gut aus. Leuchtrekklame, die sanft im Dunkeln glüht und sich in einer Pfütze spiegelt: Watch Dogs sah damals schon unverschämt gut aus.

Mit »Cold Night in Chicago« im Radio und dem Regen, der sanft aufs Autodach prasselt, habe ich mich in Watch Dogs Open World verliebt. Nachts, wenn nur wenig Verkehr auf den Straßen unterwegs ist, lausche ich den vertrauten Klängen und schaue den Scheinwerfern der mir entgegenkommenden Autos zu, wie sie unstet durch die Windschutzscheibe flackern.

Es ist ein tolles Gefühl, wenn einen eine Spielwelt und ihre Stimmung so gefangen nimmt, dass das eigentliche Gameplay zur Nebensache wird. Wenn man sich auch später noch an bestimmte Eindrücke erinnert, an gewisse Ecken der Open World zurückdenken muss, an Szenen, die sich vor einem abgespielt haben. Das Schöne daran: Auch wenn ich das eigentliche Spiel dahinter schon längst vergessen habe, bleibt mir dieses Gefühl selbst neun Jahre später noch erhalten.

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