- Videospiele machen süchtig.
- Es sind Designer-Drogen, speziell darauf ausgelegt, dass wir nicht davon loskommen.
- In ihrer Kolumne #entwicklungsland legt Petra Fröhlich die perfiden Mechaniken und Tricks offen, mit denen Spiele-Hersteller uns abhängig machen.
Die meisten von uns sind wahnsinnig schlecht darin, nach einer halben Chips-Tüte oder zwei Riegeln einer Schokoladentafel einfach aufzuhören. Warum das so ist, haben Hirnforscher herausgefunden: Bestimmte Kombinationen von Zucker, Salz, Eiweiß, Aromen, Geschmacksverstärkern und Fett sollen ähnlich süchtig machen wie Alkohol und Heroin. Das gilt bereits für vergleichsweise triviale Produkte wie Döner-Dressing oder »Pommes Schranke«.
Einige wenige Lebensmittel bringen diesen Synapsen-Fasching von Haus aus mit, ansonsten wird eben nachgeholfen. Die Lebensmittelindustrie baut Eiscreme, Schokoriegel, Fritiertes, Softdrinks und Tiefkühlpizza gezielt so, dass Geschmackserlebnis, Aroma, »Schmelz« oder »Crunch« möglichst intensiv ausfallen und wir einfach nicht genug davon bekommen können. Die genaue Rezeptur und die Verfahren bleiben natürlich das sahnige Geheimnis der Hersteller.
Das Ergebnis: Schon beim Betrachten von Werbeplakaten und TV-Spots läuft uns buchstäblich das Wasser im Mund zusammen.
Seit Jahren wehrt sich die Branche dagegen, auf die Bewerbung besonders zuckerhaltiger Produkte im Umfeld von Kinder-Sendungen zu verzichten. Noch umstrittener: Transparenz bei Nährwert-Profilen, etwa mithilfe des Nutriscore. Der gewöhnliche Kunde sei mit so einem Ampelsystem hoffnungslos überfordert. Jetzt sickert das System doch allmählich ein - allerdings nicht flächendeckend und auch nicht verpflichtend. Paragraph Eins: Jeder macht seins.
Warum erzähl ich das hier in einem GameStar-Plus-Beitrag? Weil die Spiele-Industrie ganz ähnlich tickt. Und mit vergleichbaren Argumenten versucht, Kritik an diversen Fehlentwicklungen abzubügeln, etwa Lootboxen. Der »mündige Verbraucher« soll selbst entscheiden dürfen, was er sich in welcher Menge zumutet und was gut für ihn ist.
Als die Weltgesundheitsorganisation es wagte, auch nur laut darüber nachzudenken, die Computerspiel-Sucht analog zur Glücksspiel-Sucht als Krankheit einzustufen, lief die Lobby-Maschinerie heiß: Milliarden Computerspieler würden dadurch unter Generalverdacht gestellt. Die WHO hat sich durch dieses durchsichtige Manöver nicht beeindrucken lassen.
Die Autorin
Petra Fröhlich (45) war über 22 Jahre durchgehend Bestandteil der Redaktion von PC Games - von 2000 bis 2014 im Amt der Chefredakteurin. Im Juli 2016 startete sie das Nachrichtenmagazin GamesWirtschaft.de, inzwischen eines der führenden deutschsprachigen B2B-Angebote mit Schwerpunkt Computerspiele. Für GameStar Plus schreibt sie in ihrer Kolumnenserie #entwicklungsland regelmäßig über Wohl und Wehe der deutschen und internationalen Spielebranche.
Droge Videospiel: Abhängigkeit per Design
Nun kommt es zum Glück selten vor, dass sich Menschen in ambulante oder gar stationäre Behandlung begeben müssen, um ihre Online-Rollenspiel-Abhängigkeit therapieren zu lassen. Sehr viel häufiger sorgen Computer- und Videospiele dafür, dass Schule, Studium, Job leiden.
Wer noch nie eine Klausur versemmelt hat, weil er sich zuvor die Nächte beim »Suchten« um die Ohren gehauen hat, werfe den ersten Stein. Gerade Jugendliche sind außerdem anfällig für Kostenfallen, wie sie zum Beispiel die Stiftung Warentest den bekanntesten Free2Play-Apps bescheinigt.
Die Spiele-Industrie verteidigt all diese Gratis-Spiele und -Modi wiederum damit, dass ja 90, 95, 99 Prozent der Spieler teils jahrelang spielen, ohne auch nur einen Cent auszugeben. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Denn das bedeutet, dass 1, 5, 10 Prozent der Spieler für den Löwenanteil des Umsatzes verantwortlich sind, weil sie zum Beispiel enormes Geld in Lootboxen investieren. Electronic Arts macht etwa mit den Ultimate-Team-Modi von FIFA und Madden NFL mehr Umsatz als mit dem Verkauf der Spiele.
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