2018 haben wir noch spekuliert: Werden diese plötzlich aufploppenden Abo-Services bald die Spielelandschaft auf den Kopf stellen? Damals flogen sie zumindest in den großen öffentlichen Debatten ziemlich unter dem Radar. Ein kurzlebiger Trend wie 3D-Monitore? Oder Kinect? Mitnichten, sage ich. Auch wenn das Modell bislang noch recht kleine Wellen schlägt, werden diese Wellen 2020 und 2021 drastisch anwachsen.
Schon 2019 sehen wir große Fortschritte: Das Netflix-Modell weitet sich in der Gaming-Landschaft aus. Microsoft setzt auf den Game Pass, Ubisoft setzt auf Uplay Plus, EA hat Access schon vor Jahren etabliert, erweitert das Angebot um Origin Access Premier. Und Sony bewirbt PlayStation Now. Neue Bezahlmodelle werden für Publisher zunehmend wichtiger.
Zynische Zocker mögen da die Stirn runzeln: Sollen wir uns ab 2020 jetzt fünf Abos gleichzeitig leisten? Zumal bei vielen ja auch noch Netflix, Spotify oder Amazon monatlich um Zeit und Geld buhlen. Diese Frage ist sicher spannend, aber ich will heute mal eine Lanze dafür brechen, dass in diesen Abo-Diensten auch Chancen stecken.
Wenn Publisher verstärkt auf Abo-Services setzen, wird sich das unweigerlich auf ihre Spiele auswirken und könnte vor allem im Triple-A-Bereich wieder einen größeren Wunsch nach Vielfalt erwachsen lassen.
Eine attraktive Alternative
Ich kann bis heute reinen Multiplayer-Spielen nicht viel abgewinnen. Ich liebe eine gute Geschichte, ziehe mich gern vollends in eine Welt zurück, brauche keinen ständigen Kontakt zu Mitspielern oder muss meine Skills in einem Online-Match unter Beweis stellen. Ich will in Ruhe spielen und dazu noch das Jahr über viele unterschiedliche Spiele, statt ein einziges Service-Game jeden Abend anzuwerfen.
Der Autor: Fabiano ist der zweite Maurice Weber der Redaktion, weil die Gaming-Gewohnheiten der beiden Kollegen sich ziemlich ähneln. Strategie, Rollenspiel, Oldschool - Spiele müssen keine Season Passes, Roadmaps oder Skin-Enzyklopädien haben, um fantastisch zu sein. Lieber eine unvergessliche Solo-Kampagne als ein unendliches Service-Game.
Doch diese Art des Spielens ist in den letzten Jahren schmerzlich aus der Mode gekommen. Gerade große Publisher wie EA und Ubisoft investieren ihre Ressourcen lieber in Spiele, die ihre Kunden monatelang mit Inhalten versorgen.
Hier locken lukrative Skin-Shop-Märkte, weil Spieler ihre Figuren individualisieren wollen, um sich vom Rest abheben zu können. Spieler sollen so lange wie möglich Zeit und Geld in ein einziges Spiel investieren.
Aus Singleplayer-Größen werden Service-Spiele
Der Drang zum Online-Zwang sorgte 2019 für einige schwarze Schafe, darunter Fallout 76 und Anthem. Spiele von Entwicklern, die vor wenigen Jahren noch für ihre famosen Singleplayer gefeiert wurden, entwickeln sich für viele Fans zu den größten Enttäuschungen des ganzen Jahres.
Gerade große Publisher müssen sich nach 2019 eingestehen, dass nicht jeder Service gleich einen großen Geldsegen verspricht. Ghost Recon: Breakpoint war sogar so ein großer Reinfall, dass Ubisoft eine ganze Reihe an Spielen verschieben musste, um die Qualität zukünftiger Projekte sicherzustellen. EA zeigte sich von Anthem enttäuscht und sprach sogar von einem Strategiewechsel.
Natürlich gibt es ebenso Ausnahmen wie Apex Legends oder Fortnite. Doch sollten Abomodelle neben dem klassischen Service-Games nächstes Jahr weiter an Relevanz gewinnen, könnte sich das positiv auf das Angebot großer Publisher auswirken und Desaster wie Breakpoint oder Anthem eventuell vermeiden. Stattdessen könnten gerade passionierte Einzelspieler wieder vermehrt auf ihre Kosten kommen.
So macht's die Konkurrenz
Um zu erahnen, was uns erwartet, reicht schon ein Blick auf Streaming-Anbieter abseits des Gamings. Netflix verkauft sich nicht in erster Linie über eine einzige Serie, die 16 Staffeln lang läuft, sondern über Vielfalt! Der Anbieter investiert Unsummen in neue Serien, Filme oder Dokumentationen und versucht, damit eine möglichst breite Nachfrage abzudecken. Dasselbe passiert inzwischen auch bei Amazon und jüngst Disney+.
Auch im Gaming verbaut sich ein Abo-Service unglaublich viel Reichweite, wenn er einfach nur auf zwei oder drei Pferde setzt. Für ein Ghost Recon: Breakpoint alleine brauche ich nicht Uplay Plus. Ein Abo-Service nutzt vor allem den Spielern etwas, die nach möglichst vielen unterschiedlichen Spiele zu einem geringen Preis trachten.
Entwickler müssen also ihre Titel nicht länger unnötig in die Länge ziehen und mit einem aufgesetzten Service-Anspruch das ganze Spielerlebnis verwässern. Auch kurze Spiele, die eine intensive Erfahrung bieten und Aufmerksamkeit durch Qualität generieren, haben als Teil eines Abo-Service einen Sinn.
Oder um es mit den Worten des Chefs der Xbox Game Studios Matt Booty zu sagen: »Entwickler können sich darauf konzentrieren, was sie am besten können: großartige Spiele machen.« Das beste Beispiel für so einen Abo-Seller ist übrigens Star Wars Jedi: Fallen Order, das vielen Fans für 60 Euro vielleicht zu teuer, als Teil eines Abos aber ungemein verlockend ist.
Doch auch Service-Game-Liebhaber werden mit ins Boot geholt. Immerhin finden Spiele wie Rainbow Six: Siege ebenfalls im Spieleabo statt und Uplay Plus lockt beispielsweise mit besonderen Vorteilen. Im Falle von Siege etwa der Year 4 Ultimate Edition mit 48 Operatoren. Es geht Publishern nicht mehr nur um einen Spielertypen, sondern um alle. Und die Abos haben in meinen Augen auch das Potenzial, alle zu erreichen.
Eine neue Hoffnung
2019 hat Microsoft mit dem Game Pass schon sehr imposant gezeigt, wo die Reise hingeht. Ihre Aushängeschilder für das Spieleabo allein lassen mein Singelplayer-Herz schon schneller schlagen. Ganz vorne stehen dabei The Outer Worlds, Gears 5 oder The Witcher 3.
Hier wird mit Qualität geworben und einer runden Spielerfahrung. Keiner dieser Titel ist zum Live-Service gezwungen. Höchstens Gears 5 setzt mit seinen Operations auf Langfristigkeit, aber ohne dass sein Kern-Gameplay darunter leidet.
Eine ähnliche Strategie konnten wir zuletzt auch im Konsolenrennen beobachten. Sonys PlayStation 4 etwa bietet mit Singleplayer-Perlen wie God of War, Horizon: Zero Dawn oder Uncharted 4 genau das Programm, das sich viele vom Service-Gedanken abgeschreckte Spieler eigentlich wünschen. Und die Kunden danken es ihnen mit über 100 Millionen verkauften Konsolen.
Trotzdem wäre es natürlich naiv, zu glauben, dass Abo-Services die gesamte Gaming-Welt komplett auf den Kopf stellen und nur noch fantastische Spiele entstehen. Es gibt auch Schattenseiten. Was passiert etwa, sobald ein Spiel irgendwann exklusiv im Abo erscheint? Wie leicht so eine exklusive Strategie bei der PC-Community auf Widerstand trifft, konnten wir dieses Jahr ja bereits an der Epic-Kontroverse sehen. Und da war es nur ein weiterer digitaler Store.
Doch noch bleibe ich vorsichtig hoffnungsvoll. Zu einem lebendigen Markt gehört es einfach dazu, dass Publisher immer nach neuen Wegen suchen, um ihr Produkt in Bares zu verwandeln. Und während ich mit dem Live-Service-Ansatz nie so ganz warm wurde, sehe ich bei den Abo-Modellen zumindest eine realistische Chance auf bessere Spiele und kann deshalb frohen Mutes in das nächste Jahr blicken.
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