Ich bin froh, dass ich AC Unity erst jetzt gespielt habe - und ihr solltet das auch

Meinung: Auf Steam ist Assassin's Creed Unity aktuell unheimlich günstig - der perfekte Zeitpunkt, um diesem Spiel eine zweite Chance zu geben. Das hat es sich verdient.

Assassins Creed Unity hat schon über sieben Jahre auf dem Buckel. Assassin's Creed Unity hat schon über sieben Jahre auf dem Buckel.

Ich bin froh, dass Assassin's Creed Unity zum Release ein Desaster war. Hm, ok. Der Satz klingt schon sehr zynisch. Ich probiere es nochmal, aber anders:

Ich bin froh, dass ich Assassin's Creed Unity zum Release nicht gespielt habe (ja, besser). Was ungewöhnlich für mich war. Denn eigentlich bin ich Assassin's-Creed-Fan von der ersten Stunde. Selbst den noch sehr kantigen ersten Teil habe ich inbrünstig geliebt. Liebe ich bis heute. Danach habe ich verständlicherweise jeden Nachfolger verschlungen.

Es fühlt sich heute ein wenig seltsam an, wenn ich an diese Zeit denke. Denn damals loderte in meiner Brust noch eine viel größere Leidenschaft für diese Serie als jetzt. Unity war das erste Anzeichen dafür, dass dieses Feuer erlischt. Nachdem das Spiel trotz seines desaströsen technischen Zustandes veröffentlicht wurde, beschloss ich damals für mich selbst: Das spiel ich nicht!

Inzwischen sind seit dem Release sieben (!) Jahre vergangen und erst kürzlich konnte ich mich doch noch dazu durchringen, diesem verlorenen Sohn eine zweite Chance zu geben. Nur dass mir das extrem großen Spaß bereitet, das habe ich so nicht kommen sehen.

Deshalb sitz ich hier nun, werfe einen Blick auf den aktuellen Steam Sale, wo Unity für schmale fünf französische Euros zu haben ist und fühle mich dazu verpflichtet zu sagen: Nutzt diese Gelegenheit und spielt es auch!

Der Autor: Fabiano ist ein absoluter Geschichts-Nerd und hat diesem Fach sogar mehr Studienjahre gewidmet, als eigentlich nötig gewesen wäre - mit voller Absicht natürlich, ähem. Deshalb gehört Assassin's Creed auch zu einer seiner liebsten Spielereihen. Hier bekam er vor allem früher das Gefühl, als würde er durch die Zeit reisen. Mit welcher Akribie das Entwicklerteam stets versucht hat, historische Städte zum Leben zu erwecken, begeistert ihn bis heute. Leider verlor Assassin's Creed über die Jahre ein wenig was von seiner historischen Faszination. Spaß hat Fabiano mit diesen Spielen trotz allem bis heute.

Früher der Standard, heute ein Exot

Wenn ich mir die Rezeptionen zu Unity kurz nach seinem Release ansehe, dann hatte dieses Spiel damals noch mehr Probleme als seine horrenden Bugs. Nach sieben Jahren mit Assassin's Creeds im Jahresrhythmus war Unity schlicht nicht mehr außergewöhnlich genug. Vor allem im Vergleich zu Black Flag, dem direkten Vorgänger.

Unity trat einen Schritt zurück, nahm seine weitreichendere Vergangenheit ins Visier und beschloss, genau da anzudocken. Das Spiel fühlt sich mehr wie ein Nachfolger zur Ezio-Trilogie an, aber nicht wie eine Fortsetzung des Piratenabenteuers Black Flag. Und genau das war für viele offenbar ein Problem.

Assassins Creed Unity - Test-Video zum Frankreich-Abstecher Video starten PLUS-Archiv 7:48 Assassin's Creed Unity - Test-Video zum Frankreich-Abstecher

Aber diese Entscheidung ist jetzt eben der Grund dafür, warum ich so froh bin, es damals nicht gespielt zu haben. Denn sieben weitere Jahre nach Unity sieht die Welt anders aus. Assassin's Creed erscheint nicht länger jedes Jahr und wenn mal ein Teil erscheint, dann sind das Open-World-Action-RPGs. Das mein ich gar nicht abwertend, ganz subjektiv hat mir dieser Richtungswechsel nur nie zugesagt.

Jetzt erst Unity zu spielen, zieht mich wieder zurück in eine andere Zeit und gerade das macht es so erfrischend. Es hat bei mir genau das ausgelöst, was man sich als Fan von einer Fortsetzung eigentlich wünscht. Wie ein nach Hause kommen - in eine renovierte Wohnung. Alles ist vertraut, das, was ich früher geliebt hatte, ist noch immer da. Nur halt in besser, gemütlicher und schöner.

Diese Open World sollte man gesehen haben

Wäre ich absolut unwissend und jemand hätte mir garantiert, dass Unity letztes Jahr erschienen ist, ich wäre nicht einmal auf die Idee gekommen, daran zu zweifeln. Das Aussehen dieses Spiels hat mich aufrichtig verblüfft.

Das ist einer der Gründe, wieso Unity sich für mich wie ein komplett neues Assassin's Creed anfühlt, auf das ich eben sehr lange gewartet habe. Rein optisch ist dieses Spiel über jeden Zweifel erhaben und würde selbst heute noch als Big-Budget-Produktion durchgehen. Das fängt bei den unheimlich detaillierten Charaktermodellen an, setzt sich über die fantastischen Lichtstimmungen fort und betrifft sogar die liebevoll gestalteten Interieurs, die teilweise nur wenige Augenblick überhaupt zu sehen sind.

Paris ist ein perfektes Spiegelbild seiner Gesellschaft und macht schmerzhaft deutlich, wieso die Französische Revolution so war, wie sie war. Paris ist ein perfektes Spiegelbild seiner Gesellschaft und macht schmerzhaft deutlich, wieso die Französische Revolution so war, wie sie war.

Von den Parkour-Animationen im laufenden Spiel und den Cutscenes fang ich gar nicht erst an. Mein Gesichtsausdruck beim Starten des Spiels muss in etwa dem von Marie Antoinette entsprochen haben, als sie erfuhr, dass die französische Unterschicht keinen Kuchen statt Brot essen kann.

Fairerweise sollte man dazu sagen, dass es nach wie vor teilweise unschöne Pop-up-Effekte gibt. Davon abgesehen gibt es aber nichts, was mich aus dieser Welt reißt. Paris surrt vor Leben, die Straßen sind brechend voll und trotzdem bewegen sich die Bewohner nicht als gleichgeschaltete Masse. Zwischen dem pöbelnden ähm Pöbel kann ich immer wieder individuelle Details wie ein tanzendes Paar erkennen.

Sexismus-Probleme bei Ubisoft
Dem französischen Entwickler und Publisher wird seit Juli 2020 eine toxische Unternehmenskultur vorgeworfen. Es geht um Sexismus-Probleme und Diskriminierung, die tief in der Firma verankert sein sollen. Ubisoft hat inzwischen einige Personen aus der Führungsebene entfernt und zu den Vorwürfen Stellung bezogen.

Dazu erzählt die Stadt die Geschichte dieser Zeit. Klar, brennende Flaggen und wütende Bürger sind eine Sache. Doch wer die Augen offen hält, versteht nur zu gut, warum diese Menschen eigentlich so wütend sind. Als Assassine sehe ich Paris von allen Seiten. Eben schleiche ich als Arno noch durch die mit Gold verzierten Flure von Versailles, renne danach über gepflasterten Straßen des Nobelviertels, bevor ich irgendwann die dreckige Seite der Stadt erblicke, wo die Gassen voll sind von Schlamm und Unrat.

Tut mir einen gefallen und nutzt Unity wirklich, um einmal sein Paris einzuatmen. Diese Darstellung einer historischen Stadt ist meiner Meinung nach bis heute unerreicht.

Spielt sich das noch gut?

Grafik ist bekanntlich nicht alles. Dem Gameplay kann man sein Alter allerdings schon etwas anmerken. Gerade hier hat sich Unity schlechter gehalten. Aber wirklich auch nur dann, wenn ich eine hohen Maßstab anlege.

Unity spielt sich nicht durchgehend so dynamisch, wie es sich die Entwicklerinnen und Entwickler wahrscheinlich erträumt haben. Gerade die Kämpfe sind eine seltsame Mischung. Offensichtlich hat man hier mit aller Gewalt den Versuch gewagt, die vielfach kritisierten (weil anspruchslosen) Kämpfe der Vorgänger etwas aufzupeppen.

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Zumindest in Sachen Anspruch kommt das auch ganz gut hin, allerdings geht das auf Kosten der Dynamik. Das mag zum Teil auch ein Überbleibsel der Bughölle sein, die Unity mal war. Denn nicht nur steuert sich das ungelenk, gelegentlich will auch die Kamera nicht so richtig.

Aber mal ehrlich. Wer in Unity viel kämpfen muss, ist auch selber Schuld. In keinem Assassin's Creed davor und seitdem lohnt es sich mehr zu schleichen. Es ist so ein tolles Gefühl, sich hier wieder wie ein echter Assassine zu fühlen!

Denn ich sag euch mal was: Ich finde Assassinen und Meuchelmörder spannend! Also ... so als dramatische Fantasie, nicht als echte Berufsgruppe. Und Unity ist gleich in vielerlei Hinsicht der Gipfel dessen, was die Serie einmal sein wollte. Hier darf ich schleichen, Gadgets einsetzen und setze mich so tief mit dem Kredo, den Assassinen und dem Ausschalten von Machtmenschen auseinander, wie der Name eigentlich voraussetzt.

Was bedeutet es ein Assassine zu sein und wie übersetzt sich das ins Gameplay? Diese Fragen hat Unity noch zielstrebiger verfolgt als seine Nachfolger. Was bedeutet es ein Assassine zu sein und wie übersetzt sich das ins Gameplay? Diese Fragen hat Unity noch zielstrebiger verfolgt als seine Nachfolger.

Vergebung statt Vergeltung

Eines der größten Probleme der französischen Revolution war, wie die Gewalt damals immer weiter eskaliert ist. Bis zu einem Punkt, dass man eigentlich nur noch Mitleid mit den Adeligen haben konnte, obwohl die sich das alles selbst eingebrockt haben. Und auch Unity wurde bei seinem Release vollkommen zurecht kritisiert.

Aber Zeit heilt eben doch viele Wunden und was früher nichts Besonderes war, kann heute in einem ganz anderen Licht erstrahlen. Vor allem, wenn Bugs und äußere Umstände eine größere Schuld am Scheitern tragen als das eigentliche Spiel.

Unity ist auch heute noch bei weitem nicht perfekt und bei diesem Multiplayer hat Ubisoft sicher nicht an Menschen gedacht, die versuchen, sieben Jahre später damit Spaß zu haben. Aber abgesehen von solchen seltenen Verfehlungen gibt es viele Argumente, um Unity zu verzeihen. Und sei es auch nur, um einmal diese Welt zu sehen.

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