Bogenschießen in Avatar: Völliger Blödsinn oder kann man wirklich mit Pfeilen gegen Mechs gewinnen?

Steffi kann gar nicht aufhören, über das Bogenschießen in Frontiers of Pandora zu schwärmen. Denn das ist viel spannender, als man auf den ersten Blick meinen könnte!

Mit Pfeil, Bogen und fliegendem Ikran geht es in Avatar gegen die Hochtechnologie der Menschen. Ist das realistisch? Mit Pfeil, Bogen und fliegendem Ikran geht es in Avatar gegen die Hochtechnologie der Menschen. Ist das realistisch?

Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, in dem ich mich ins Bogenschießen verliebt habe. Als ich zum ersten Mal einen ungarischen Reiterbogen in der Hand hielt, die Sehne zurückzog und das schönste Geräusch der Welt hörte: Das leise Knarren der hölzernen Wurfarme. Mein persönliches ASMR. Danach kann man süchtig werden, ich schwöre es. Die »Stimme« meines Bogens erkenne ich unter hundert anderen.

Seit ich selber schieße, sehe ich Filme und Spiele mit anderen Augen. Ja, ich bin so ein nerviger Nerd geworden, der darüber meckert, warum es totaler Blödsinn ist, körperlich schwachen Figuren einen Kriegsbogen in die Hand zu drücken – versucht mal, vierzig Kilo oder mehr mit drei Fingern zu halten!

Stephanie Schlottag
Stephanie Schlottag

Steffi liebt traditionelles Bogenschießen, auch wenn sie nur noch selten (zu selten!) selbst dazu kommt. 2024 aber ganz bestimmt wieder öfter! Immerhin liebäugelt sie schon seit einer ganzen Weile mit einem koreanischen Bogen, der würde sich bestimmt ganz toll neben ihrem türkischen Reiterbogen machen ...

Umgekehrt versetzen mich winzigen Szenen in höchste Euphorie, zum Beispiel wenn jemand seinen Bogen zwischendurch abspannt oder den Ellbogen nach innen dreht (sehr wichtig, sonst gibt’s blaue Flecken von der Sehne!). Und Avatar löst bei mir sowohl Schwärmerei als auch Kopfschütteln aus.

Das Bogenschießen ist für die Na’vi in Filmen und Spielen von höchster Bedeutung, auch in Ubisofts Frontiers of Pandora sind wir mit mehreren Bogen unterwegs und rücken damit auch riesigen Maschinen zu Leibe. Was natürlich übertriebener Blödsinn ist, der in Echt nie funktionieren würde – oder?!

Schnallt euch den Köcher um und spannt die Sehne, dann nehme ich euch mit auf eine kleine Bogenschieß-Tour durch Pandora. 

Navi benutzen den Bogen vor allem zur Jagd auf große Tiere. Na'vi benutzen den Bogen vor allem zur Jagd auf große Tiere.

Was ist so spannend an den Na'vi-Bogenkünsten?

Das Bogenschießen der Na'vi sieht auf den ersten Blick aus wie das, was Menschen im Mittelalter (oder auf heutigen Fan Conventions) auch angestellt haben: Pfeil auf die Sehne, zurückziehen, loslassen und hoffentlich das Ziel treffen. Doch es gibt auch ein paar sehr spannende Unterschiede!

Keine Köcher: In den Filmen tragen die Na'vi ihre Pfeile in der Hand, mit der sie auch den Bogen halten, statt sie in einen Köcher zu packen. Daher haben sie normalerweise nur wenige dabei und sammeln die Geschosse immer wieder auf. Ergibt einigermaßen Sinn, sie bewegen sich ja ständig durch dichten Dschungel, da würde ein Köcher ständig hängenbleiben. Außerdem hat sich ihre Bogenkunst aus der Jagd und nicht aus der Kriegsführung entwickelt, da reichen wenige Pfeile.

Fast alle Navi sind Linkshänder, deshalb hält unsere Figur den Bogen mit der rechten Hand. Fast alle Na'vi sind Linkshänder, deshalb hält unsere Figur den Bogen mit der rechten Hand.

In Frontiers of Pandora dagegen haben wir mehr Munition dabei. Mir persönlich hätte besser gefallen, wenn es filmnäher geblieben wäre, aber vermutlich wären die meisten schnell genervt davon, dass sie sich ständig nach ihren Pfeilen umschauen müssen.

Fun Fact: Wusstet ihr, dass Rückenköcher zwar in den meisten Filmen vorkommen, in Echt aber Hüftköcher viel verbreiteter waren? Die stören weniger und man muss nicht dauernd blind hinter sich greifen. Zum irdischen Schnellschießen ist es dagegen üblich, die Pfeile in der Bogenhand zu halten.

Die Rückhand: Vielleicht ist es euch schon aufgefallen: Beim Na'vi-Griff zeigt die Handfläche der Pfeilhand nach außen statt wie bei den irdischen Traditionen nach innen (»Dagger Draw«). Das sieht cool aus, ist aber in meinen Augen extrem unpraktisch. Man kann einen Bogen so benutzen, aber der Ellbogen protestiert sofort, weil man ihn komisch verdreht. Und außerdem verreißt man den Pfeil beim Abschuss viel leichter.

Neytiri demonstriert die perfekte Navi-Bogenhaltung auf dem Rücken ihres Ikran. Bild: Walt Disney Company Neytiri demonstriert die perfekte Na'vi-Bogenhaltung auf dem Rücken ihres Ikran. Bild: Walt Disney Company

Der Release ist eh schon die größte Fehlerquelle, weil sich ein ganz kleiner Impuls massiv auf die Treffsicherheit auswirken kann. »Einfach nur die Finger öffnen«, sagt mein Trainer immer und grinst dabei verschmitzt, weil er ganz genau weiß, dass daran nichts einfach ist. Warum sich die Na'vi das Leben also noch schwerer machen? Keine Ahnung, vermutlich, weil es eben cool aussieht.

Warum gewinnen Pfeile gegen Mechs?

In den Filmen und Spielen von Avatar müssen ganze Flotten von Mechs und Helis dran glauben, die von Na’vi-Pfeilen gespickt werden. Fiktiver Blödsinn, oder? Ein Pfeil kann doch kein Metall oder Sicherheitsglas durchschlagen? Oh doch, erst recht nach den besonderen Regeln von Pandora!

Schon in der realen Welt werden Pfeil und Bogen oft massiv unterschätzt. Ich glaube, daran sind Filme und Spiele mitschuldig, denn darin ist ein Pfeiltreffer häufig nur so lästig wie ein Nadelstich. Der Bogen ist die Waffe schmächtiger Charaktere, die damit höchstens supporten. Tatsächlich liegt die Sache ganz anders: Um einen traditionellen Jagd- oder Kriegsbogen sinnvoll zu verwenden, braucht man extrem viel Muskelkraft, vor allem im Rücken. Moderne High-Tech-Bögen sind da anders, aber für meine Na'vi-Analyse uninteressant.

Als leise Waffe ist der Bogen natürlich besonders gut für Attacken aus dem Hinterhalt geeignet. Als leise Waffe ist der Bogen natürlich besonders gut für Attacken aus dem Hinterhalt geeignet.

Die Geschosse solcher Bögen lassen Knochen splittern und Organe platzen. Mit genug Zugkraft dahinter fliegt so ein Pfeil einmal komplett durch einen Körper durch und bleibt im Baum dahinter stecken – deshalb darf ein Jagdbogen eine gewisse Stärke nicht überschreiten, das würde zu große Qualen bedeuten.

In der Film- und Spielwelt Pandora kommen weitere Faktoren hinzu, die mein Bogennerd-Herz höher schlagen lassen, weil die Physik so absurd wird:

  • Auf dem Mond herrscht niedrigere Schwerkraft als auf der Erde. Heißt konkret, Geschosse fliegen bei gleicher verwendeter Kraft weiter. In Frontiers of Pandora fühlt sich der schwere Bogen entsprechend fast an wie ein Sniper-Gewehr.
  • Na’vi sind doppelt so groß wie Menschen, das bedeutet auch doppelte Zugweite – sprich, mehr gespeicherte Energie, die hinter einem Pfeil steckt.
  • Außerdem sind Na’vi überproportional stärker, da sie dichtere Knochen und Muskeln haben.
  • Ein Na’vi-Bogen ist ungefähr drei Meter lang und besteht aus dem extrem stabilen Holz eines Mutterbaums (was auch erklärt, warum man die Dinger wie einen Knüppel im Nahkampf verwenden kann). Gleichgesinnte Bogen-Nerds haben ausgerechnet, dass die Zugkraft locker bis zu 1.000 Pfund betragen dürfte – das Fünffache der stärksten irdischen Bögen.

Ich will euch nicht zu sehr mit den Berechnungsformeln langweilen (und sprenge die Zeichenzahl des Artikels eh schon zu sehr), aber ein Na'vi-Bogen entspricht eher einer tragbaren Belagerungswaffe als einem irdischen Bogen. 

Die Menschheit hat im Avatar-Universum außerdem nicht unbedingt Zugriff auf die besten Ressourcen, denn seit Jahren toben Kriege auf der Erde, deren Rohstoffe größtenteils erschöpft sind. Kein Wunder also, dass nicht jeder einzelne Mech mit dem besten kugelsicheren Glas rumrennt – zumal der Ausflug nach Pandora eigentlich nicht als kriegerischer Konflikt geplant war.

Die RDA verfügt zwar über gigantischen Reichtum und Einfluss, aber unbesiegbar ist sie längst nicht. Die RDA verfügt zwar über gigantischen Reichtum und Einfluss, aber unbesiegbar ist sie längst nicht.

Unrealistisch sind also höchstens die ziemlich unblutigen Darstellungen von Menschen, die einen Na'vi-Pfeiltreffer einstecken – aber es wäre sicherlich nicht im Sinne der Altersfreigabe, da eine lebensechte Darstellung zu wählen. Das ist in Frontiers of Pandora zumindest glaubhaft umgesetzt: Nach einem Schuss mit dem schweren Bogen steht kein Mensch wieder auf. Und auch im Kampf gegen schwere Maschinen bewähren sich die Na'vi-Pfeile.

So, jetzt wisst ihr erstens, womit sich mein Gehirn gern beschäftigt, statt sich zu merken, wie Steuererklärung funktioniert. Und zweitens, warum das Bogenschießen in Avatar echt cool ist. Ich würde mir wünschen, dass mehr Filme und Spiele sich an eine realistische Form des Bogenschießens wagen. Kingdom Come: Deliverance hat sich daran ziemlich erfolgreich versucht. Gerne mehr davon, liebe Entwickler!

Ich weiß, dass auch in unserer Community Archery-Nerds unterwegs sind: Welches Spiel oder welcher Film hat euch mit der Darstellung des Bogenschießens begeistert und warum? Welche Klischees lassen euch mit den Augen rollen? Womit schießt ihr selbst und was ist euer Traumbogen? Schreibt mir gern eure Meinung unten in den Kommentaren!

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