Seite 2: BGH-Urteil gegen WoW-Bots - »Cheat-Anbieter leben gefährlich«

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Bekommt Blizzard Schadenersatz?

GameStar: Geht aus dem Urteil hervor, ob Bossland Schadensersatz an Blizzard leisten muss?

Sebastian Schwiddessen: In diesem Verfahren ging es noch nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern zunächst nur um einen Unterlassungsanspruch gegen Bossland, den Vertrieb bestimmter Bots einzustellen. Ferner wollte Blizzard erreichen, dass Bossland etwaige Kopien vernichtet. Allerdings war Gegenstand des Verfahrens auch ein Auskunftsanspruch über die Anzahl der von Bossland verkauften Bots, den damit erzielten Umsatz und die diesbezüglich betriebene Werbung. Ein solcher Auskunftsanspruch dient üblicherweise der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung. Damit könnte Blizzard den ihnen entstandenen Schaden berechnen und später auch belegen. Da Bossland nun verloren hat und Auskunft erteilen muss, wird eine Schadensersatzforderung wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Über die exakte Höhe steht dann möglicherweise aber ein weiteres Gerichtsverfahren an, sollte Bossland die Forderung nicht akzeptieren.

GameStar: Ist dadurch auch die Nutzung oder der Besitz von Bots durch Spieler rechtlich gesehen unzulässig?

Sebastian Schwiddessen: Das wohl eher nicht. Aber nach wie vor ist es möglich, dass Cheat-Nutzer aufgrund eines Verstoßes gegen die EULA seitens des Spieleherstellers gesperrt werden.

Wer Cheats verwendet, verdirbt anderen Spielern den Spaß. Daraus lässt sich nun sogar ein Schadenersatzanspruch ableiten. Wer Cheats verwendet, verdirbt anderen Spielern den Spaß. Daraus lässt sich nun sogar ein Schadenersatzanspruch ableiten.

GameStar: Der BGH hat entschieden, dass der Vertrieb von Bots vom Spielehersteller nicht hingenommen werden muss. Greift dies auch, wenn jemand einen Bot oder Cheat gratis, also nicht-kommerziell anbietet?

Sebastian Schwiddessen: Tatsächlich wäre die Frage bei nicht-kommerziellen Cheats unter Umständen anders zu beantworten. Damit das UWG anwendbar ist, bedarf es einer sogenannten geschäftlichen Handlung. Diese liegt in der Regel nur bei kommerziellen Angeboten vor. Allerdings sind die gesetzlichen Anforderungen an eine geschäftliche Handlung nicht besonders hoch. Alles, was nicht rein privaten oder ideellen Zwecken dient, ist bereits eine geschäftliche Handlung. Das kann schon der Fall sein, wenn jemand die Cheats zwar umsonst zur Verfügung stellt, Einnahmen aber durch Werbung auf seiner Internetseite generiert, etwa über Affiliate-Programme. Auch Spendenaufrufe können schon reichen.

GameStar: Und wie sieht es in solchen Fällen mit dem Urheberrecht aus?

Sebastian Schwiddessen: Da stellen Sie die richtige Frage. Man darf natürlich auch nicht vergessen, dass der BGH schon am 6. Oktober 2016 ein Verfahren gegen Bossland entschieden hat. Darin ging es nicht um wettbewerbsrechtliche Verstöße, sondern um urheberrechtliche Ansprüche. Urheberrechtsverstöße können auch durch nicht-kommerzielle Angebote begangen werden und hohe Schadensersatzansprüche auslösen. Als Bot-Anbieter geht man daher mittlerweile insgesamt auf gefährlichen Wegen.

Selbst nicht-kommerzielle Cheatprogramme würden gegen die vom BGH festgelegten Richtlinien verstoßen. Selbst nicht-kommerzielle Cheatprogramme würden gegen die vom BGH festgelegten Richtlinien verstoßen.

Verstoßen Bots gegen das Urheberrecht?

GameStar: In den gerade vom BGH veröffentlichten Entscheidungsgründen des Urteils vom 6. Oktober 2016 heißt es, dass es nicht gegen das Urheberrecht verstoße, die Funktionen eines Spiels »zu beobachten, zu untersuchen und zu testen«, selbst wenn dies gewerblichen Zwecken dient, die in der EULA untersagt sind. Ist es also grundsätzlich erlaubt, Cheat-Software zu entwickeln, solange man nicht den auf den urheberrechtlich geschützten Quellcode zugreift?

Sebastian Schwiddessen: Zunächst einmal zitiert der BGH hier nur eine Vorschrift aus dem Urhebergesetz, nämlich § 69d Abs. 3 UrhG. Diese gilt für alle Computerprogramme, also nicht nur für Videospiele. Gemeint ist damit, dass es erlaubt ist, ein Computerprogramm, welches man legal erworben hat, zu untersuchen und dann ähnliche Funktionen selbst im Rahmen eines neuen und eigenen Programms nachzubauen. Ein einfaches Beispiel: Jemand kauft Word, in der Absicht ein eigenes Schreibprogramm zu entwickeln. Nach § 69d Abs. 3 UrhG darf er Word dazu verwenden, sich Funktionen anzuschauen und auszuprobieren. Er darf also die Schreibfunktion, die Fettschrift, die Tabellen usw. ausprobieren und versuchen, die Funktionen selbst mittels seiner eigenen Programmierfähigkeiten nachzubauen und das so geschaffene Programm anschließend auf den Markt zu bringen. Dies aber nur, solange dabei nicht der Quellcode kopiert wird. Es muss also ein eigenes Programm selbst und neu geschaffen werden. Dann liegt kein Urheberrechtsverstoß vor, obwohl man in gewisser Weise etwas gespickt hat. Der BGH hat im zitierten Urteil entschieden, dass dies auch gilt, obwohl die EULA-Regeln eine gewerbliche Verwendung des Computerprogramms verbieten.

Auch der Vertrieb von Wallhacks (hier für Call of Duty: Ghosts) ist nach dem BGH-Urteil unzulässig. Auch der Vertrieb von Wallhacks (hier für Call of Duty: Ghosts) ist nach dem BGH-Urteil unzulässig.

GameStar: Die Entwicklung von Cheats hat der BGH dennoch verboten?

Sebastian Schwiddessen: Richtig, jedoch mit einer anderen Begründung. Ein Computerspiel ist nämlich nicht nur ein auf dem Quellcode basierendes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm mit unterschiedlichen Funktionen, sondern es enthält auch zahlreiche weitere urheberrechtlich geschützte Werke, etwa Grafiken, Musik, Soundeffekte usw. Für diese Werke gilt die Ausnahme des § 69d Abs. 3 UrhG nicht. Das heißt, niemand darf sich die Grafiken und Sounds eines Computerprogramms oder Spiels ansehen und dann selber nachbauen und verkaufen. Genau das hat Bossland nach der Feststellung der Gerichte aber getan.

GameStar: Diese Leitsatzentscheidung gilt für ein anderes Verfahren, das sich um die persönliche Haftbarkeit des Bossland-Betreibers drehte. Ist diese Haftbarkeit gegeben?

Sebastian Schwiddessen: Ja. Beklagter des ersten Verfahrens war der Geschäftsführer von Bossland, der Blizzards Spiele genutzt hat, um die entsprechende Cheatsoftware zu entwickeln bzw. entwickeln zu lassen. Auch dort ging es aber zunächst nur um einen Unterlassungs- und Auskunftsanspruch. Zudem hat Blizzard die Feststellung beantragt, dass Bosslands Geschäftsführer alle entstandenen Schäden zu ersetzen hat. In all diesen Punkten konnte sich Blizzard vor Gericht durchsetzen.

Cheats verletzten das Urheberrecht der Spielehersteller. Cheats verletzten das Urheberrecht der Spielehersteller.

GameStar: Was muss nun geschehen, um den Schadensersatzanspruch durchzusetzen?

Sebastian Schwiddessen: Auch nach diesem Urteil muss Bossland nun zunächst Auskunft über die verkauften Botzahlen sowie die damit generierten Umsätze und Gewinne geben. Im Unterschied zum wettbewerbsrechtlichen Verfahren trifft diese Verpflichtung rechtlich gesehen aber den Geschäftsführer selbst und nicht Bossland als Unternehmen. Faktisch macht das natürlich keinen Unterschied. Darauf basierend kann dann ebenfalls eine Schadensersatzforderung berechnet und direkt gegenüber dem Geschäftsführer geltend gemacht werden. Möglicherweise kommt es aber auch hier zu einem zweiten Verfahren, das dann die konkrete Höhe des Schadens zum Gegenstand hat.

Sind EULAs rechtlich bindend?

GameStar: Es gilt als umstritten, ob eine Endnutzer-Lizenzvereinbarung (EULA) nach deutschem Recht wirklich bindend ist. Könnten Sie umreißen, wie die aktuelle Rechtslage aussieht?

Sebastian Schwiddessen: Das ist eine sehr interessante und vieldiskutierte Frage. Hier gilt es zunächst zwei Themenkomplexe zu unterscheiden. Der erste besteht darin, wie EULA-Regeln überhaupt rechtlich einzuordnen sind. Es ist in der Tat rechtlich umstritten, ob EULA-Regeln bloße Spielregeln sind, oder ob ihnen der rechtliche Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zukommt. Diese Einordnung hat weitreichende Konsequenzen. Wären EULA-Regeln bloße Spielregeln, ähnlich dem Beipackzettel bei einem »Mensch ärger dich nicht«-Spiel, dann wären diese gerichtlich auch nicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüfbar. Andererseits könnte sich der Spielhersteller dann unter Umständen auch nicht darauf berufen, dass ein Cheat-Anbieter andere zum Vertragsbruch verleitet, da nur AGB vertragliche Klauseln sind. Müssten sich die EULA-Klauseln demgegenüber am AGB-Recht messen lassen, dürften diese den Verbraucher zum Beispiel nicht unangemessen benachteiligen oder einen überraschenden Inhalt haben.

GameStar: Und wenn EULA-Regeln bloße Spielregeln wären?

Sebastian Schwiddessen: Spielregeln sind rechtlich nicht bindend. Man muss sie nur einhalten, wenn man das Spiel benutzen möchte. Ähnlich, wie man sich etwa die Schuhe ausziehen muss, wenn man anderer Leute Häuser betreten will. Tatsächlich hat die erste Instanz - das LG Hamburg - angenommen, dass EULA-Regeln keine AGBs seien und als Spielregeln eher einem virtuellen Hausrecht glichen. Auch einige andere Gerichte hatten bereits in diese Richtung argumentiert. Demnach sei der Spielehersteller völlig frei, auch intransparente oder benachteiligende Spielregeln festzulegen. Ihm droht dann eben nur die Gefahr, dass Spieler abwandern und Kunden verloren gehen. Die zweite Instanz - das OLG Hamburg - hat diese Frage ausdrücklich offengelassen.

GameStar: Hat das BGH-Urteil hier etwas klargestellt oder verändert?

Sebastian Schwiddessen: Der BGH hat in der mündlichen Verhandlung angedeutet, dass die EULA-Regeln durchaus als AGB klassifiziert werden könnten. Ob er bei seinem Urteil dann tatsächlich hiervon ausging, wird sich erst mit Veröffentlichung der Entscheidungsgründe klären.

GameStar: Sie erwähnten einen zweiten Themenkomplex bei EULAs. Was hat es damit auf sich?

Sebastian Schwiddessen: Richtig. Geht man letztendlich davon aus, dass EULA-Regeln als AGB zu qualifizieren sind, dann stellt sich die Frage, ob die diese überhaupt wirksam zwischen dem Spielehersteller und dem Spieler vereinbart wurden. AGB werden grundsätzlich nur dann wirksam in den Vertrag einbezogen, wenn der Verbraucher bei Vertragsschluss ausdrücklich auf die AGB hingewiesen wird und die Möglichkeit hat, von deren Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Ist das nicht der Fall, sind die AGB nicht bindend. Wer ein Spiel kauft, egal ob digital oder auf einem Datenträger, bekommt die EULA-Regeln jedoch meist noch nicht zu Gesicht. Das geschieht regelmäßig erst, wenn er das Spiel installiert.

GameStar: Wurde dies auch im Verfahren zwischen Blizzard und Bossland thematisiert?

Sebastian Schwiddessen: Ja. Bossland hatte sich mit der eben genannten Begründung auf den Standpunkt gestellt, dass Blizzards AGB überhaupt nicht Vertragsbestandteil geworden sind; und damit natürlich auch nicht das Verbot, Cheats zu verwenden. Blizzard hingegen vertrat die Auffassung, dass der Kauf des Spiels nur die technischen Voraussetzungen für die Nutzung schaffe. Erst mit der Installation werde dann ein sog. Gebrauchsüberlassungsvertrag geschlossen, im Rahmen dessen der Nutzer auch den AGB zustimmen müsse. Die Vorinstanz stimmte zwar Bossland zu, dass die AGB nicht beim Kauf des Spiels vereinbart werden, hielt den Umstand jedoch für irrelevant, da der Spieler den AGB jedenfalls bei der Registrierung für den Battle.net-Server zustimmen muss, wo regelmäßig ein zweiter Vertrag geschlossen wird. Der BGH hat angedeutet, dass er dies ähnlich sieht. Genaueres werden wir aber erst bei Veröffentlichung der Entscheidungsgründe erfahren.

Der Teufel im Vertragsdetail:Unsere EULA-Analyse von EA Origin

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