BGH-Urteil gegen WoW-Bots - »Cheat-Anbieter leben gefährlich«

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Bossland seinen WoW-Bot Honorbuddy nicht weiter vertreiben darf. Wir fragen einen Anwalt, was das für andere Spiele und Cheat-Anbieter bedeutet.

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Der deutsche Cheat-Entwickler Bossland darf seinen World of Warcraft-Bot Honorbuddy nicht mehr anbieten, weil der Vertrieb von Bots »wettbewerbswidrig« sei. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 12. Januar 2017 festgestellt. Bereits am 6. Oktober 2016 hatte der BGH in einem separaten Rechtsstreit geurteilt, dass die Entwicklung von Bots gegen das Urheberrecht von Blizzard verstößt. Zu diesem urheberrechtlichen Verfahren hat der BGH am 19. Januar 2017 auch seine Entscheidungsgründe veröffentlicht.

Beide Verfahren zwischen Bossland und Blizzard waren zuvor durch mehrere Instanzen gegangen, doch Bossland legte gegen Niederlagen immer wieder Berufung bzw. Revision ein. Der BGH hat nun jeweils in letzter Instanz entschieden. Und diese höchstrichterlichen Entscheidungen könnten Signalwirkung entfalten!

Erstes Interview mit dem Anwalt:Wie illegal sind Cheat-Tools?

Wenn Bots, also Automatisierungsprogramme, in World of Warcraft untersagt sind, sind sie's dann auch in anderen (Online-)Spielen? Und gilt dies ebenso für andere Cheatprogramme wie Wallhacks und Aimbots, etwa für Counter-Strike: Global Offensive oder Battlefield 1?

Ist damit nun erstmals rechtlich eindeutig geklärt, dass der kommerzielle Vertrieb von Cheats gegen Gesetze verstößt und bestraft werden kann? Können Entwickler gar Schadenersatz von Cheat-Entwicklern fordern? Und sind EULA-Regeln wie das Verbot von Cheats denn nun tatsächlich rechtlich bindend - oder nicht?

Dazu sprechen wir mit einem Anwalt: Sebastian Schwiddessen, LL.M. ist Rechtsanwalt im Bereich IT- und Medienrechtbei der internationalen Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie. Er berät nationale und internationale Mandaten aus der Entertainment- und IT-Branche. Für uns hat er beide BGH-Urteile über Honorbuddy analysiert und gibt seine rechtliche Einschätzung zu ihren Folgen.

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Die letzte Instanz

GameStar: Ist das BGH-Urteil vom 12. Januar 2017 der Schlussstrich unter diesem Rechtsstreit?

Sebastian Schwiddessen: Mit dem Urteil des BGH dürfte endgültig Schluss sein. Der BGH ist das höchste Zivilgericht in Deutschland. Zwar besteht theoretisch noch die Möglichkeit, dass Bossland gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegt, dort könnte man sich allerdings nur auf eine Verletzung von Grundrechten berufen, etwa der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG. Eine ungerechtfertigte Verletzung von Verfassungsrecht liegt aber im vorliegenden Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vor.

GameStar: Wäre eine Neuverhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) denkbar?

Den WoW-Bot Honorbuddy darf Bossland nicht mehr anbieten. Den WoW-Bot Honorbuddy darf Bossland nicht mehr anbieten.

Sebastian Schwiddessen: Auch vor dem EuGH ist nur theoretisch ein weiteres Verfahren denkbar. Der BGH ist als Gericht letzter Instanz bereits verpflichtet, zu prüfen, ob im vorliegenden Fall Unklarheiten bei der Auslegung von EU-Recht bestanden haben. Hätte der BGH diesbezüglich Zweifel gehabt, hätte er das Verfahren dem EuGH vorlegen müssen. Diesen Weg hat er nicht gewählt. Nur wenn der BGH diese Prüfung praktisch vergessen oder grundlos beziehungsweise mit völlig abwegigen Argumenten verneint hätte, wäre noch denkbar, dass das Bundesverfassungsgericht das Urteil mit der Begründung aufhebt, der BGH hätte das Verfahren dem EuGH vorlegen müssen. Auch dabei handelt es sich aber eher um eine bloß auf dem Papier existierende Möglichkeit.

GameStar: Können Sie erklären, wie genau das Gericht seine Entscheidung begründet hat? Was ist an Cheatprogrammen »wettbewerbswidrig«?

Sebastian Schwiddessen: Die genauen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Maßgeblich für das Verfahren sind zum einen markenrechtliche Fragen, weil Bossland für seine Bots mit Marken von Blizzard geworben hat, und zum anderen Fragen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Das UWG regelt den Wettbewerb untereinander. Wer dagegen verstößt, handelt »wettbewerbswidrig«. Das UWG besagt auch, dass man Mitbewerber nicht gezielt behindern darf. Das ist unter anderem bei einer sog. vertriebsbezogenen Behinderung der Fall und auch bei einem Verleiten zum Vertragsbruch. Die Vorinstanz hatte eine vertriebsbezogene Behinderung bejaht, weil Blizzard durch den Einsatz der Cheatsoftware Kunden verloren gehen bzw. diese verärgert werden. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass der BGH diesem Argument gefolgt ist.

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GameStar: Und hat Bossland die Cheat-Nutzer auch zum Vertragsbruch verleitet?

Sebastian Schwiddessen: Das ist eine sehr spannende Frage. Die Vorinstanz hatte dies abgelehnt, obwohl die schummelnden Spieler durch den Einsatz von Bots die Endnutzerlizenzvereinbarung (EULA) brechen. Das vorinstanzliche Gericht vertrat die Auffassung, der Spieler entscheide schließlich selbst, ob er den Bot einsetze, und nicht Bossland. Diese Begründung hielt ich bereits in meinem ersten Gamestar-Interview zu diesem Rechtsstreit für falsch. Zumindest in der mündlichen Verhandlung hat der BGH angedeutet, dass er diese Frage möglicherweise auch anders beurteilt. Ob das tatsächlich der Fall war, wird sich jedoch erst mit der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe zeigen.

Signalwirkung für andere Fälle

GameStar: Könnte dieses Urteil auch Einfluss auf die anderen Verfahren haben, die gegen Bossland laufen - etwa im Falle von Overwatch, wo ein Verfahren in den USA läuft?

Um den Watchover Tyrant, ein Cheat-Tool für Overwatch, läuft ein Rechtsstreit in den USA: Um den Watchover Tyrant, ein Cheat-Tool für Overwatch, läuft ein Rechtsstreit in den USA:

Sebastian Schwiddessen: Selbstverständlich. Das Urteil kann zunächst einmal großen Einfluss auf die noch in Deutschland geführten Verfahren haben. Schließlich liegen dem BGH noch zwei weitere Verfahren zwischen Bossland und Blizzard vor. Dort zieht das jetzige Urteil aller Voraussicht nach nun einen vorzeitigen Schlussstrich. In anderen Ländern gelten im Detail andere Gesetze, wobei die Standards in der westlichen Welt zumindest in gewissem Rahmen denselben Schutz vor Rechtsverletzungen gewähren. Ein letztinstanzliches Urteil aus einem der führenden Wirtschaftsländer hat jedenfalls immer eine gewisse Signalwirkung.

GameStar: Könnte dieses Urteil auch Auswirkungen auf andere Spiele haben?

Sebastian Schwiddessen: Auf jeden Fall. Es ist nun höchstrichterlich entschieden, dass der Verkauf von Cheatsoftware für Videospiele wettbewerbswidrig und damit illegal ist. Auf das Spiel kommt es dabei nicht an. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass in gewissen Einzelfällen - je nach Cheat und Spiel - eventuell eine abweichende Bewertung angestellt werden muss. Ich kann mir aktuell aber kein solches Beispiel vorstellen.

GameStar: Das Urteil bezieht sich konkret auf Bots, also Automatisierungsprogramme. Könnte es sich auch auf andere Arten von Cheats auswirken?

Sebastian Schwiddessen: Definitiv. Schon die Begründung der Vorinstanz ließ sich ohne Probleme auf jegliche Arten von Cheats übertragen und nicht bloß auf Automatisierungssoftware. Wettbewerbswidrig ist demnach, dass dem Spielehersteller durch den Einsatz von Cheats möglicherweise Kunden verloren gehen oder diese verärgert werden. Für diese Begründung spielt es keine Rolle, ob man einen Bot oder Wallhack verkauft.

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