Die Rollenspiel-Elemente: Rollenspiel? Wo?
Der Herr der Ringe: Der Krieg im Norden will ein Action-Rollenspiel sein, und auf den ersten Blick steckt auch genug rudimentäres Rollenspiel unter der Rüstung: Inventar, Fertigkeitenbäume, Nebenaufgaben sowie Level- und Dialogsystem lassen es Abenteurern in den Fingern kribbeln. Unterwegs finden und kaufen wir zahlreiche Gegenstände, Waffen und Rüstungsteile, die sich sogar zu seltenen (und besonders widerstandsfähigen) Sets zusammenfügen lassen.
Dazu leveln wir unsere Figur mit Erfahrungspunkten auf und schalten innerhalb von je drei Talentbäumen pro Charakter neue Fertigkeiten frei. Die sind besonders wichtig, wenn wir gegen die schier endlosen Horden von Orks und Uruk-Hai bestehen wollen, dafür aber auch wenig spektakulär und an fünf Fingern abzählbar. Man merkt recht schnell: Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf unkompliziertem Geschnetzel. Und so enttarnt man die rudimentären Gespräche, in denen wir trotz designtechnischen Parallelen zum Dialogsystem von Mass Effectkeinerlei Einfluss nehmen können, blöd in der Gegend herumstehenden Nebencharaktere und Händler sowie eine Hand voll Nebenquests schnell als sinn- wie inhaltlos. Wenigstens aber nicht total plump -- die Illusion eines Rollenspiels bleibt teilweise erhalten.
Das Kampfsystem: Krieg ... Krieg bleibt immer gleich
Bei Der Krieg im Norden haben wir es also mit einem Actionspiel zu tun, das uns durch schlauchige Levels schickt und im Sekundentakt mit Gegnern bombardiert. Entsprechend machen wir unterwegs ausgiebig von Schwert, Bogen und Zauberstab sowie ein paar Spezialfähigkeiten Gebrauch.
Dabei trennen sich Orks und Goblins schon mal von einem Arm oder Bein. Ungewohnt drastisch für ein Herr der Ringe-Spiel, aber völlig im Einklang mit Peter Jacksons Verfilmungen der Bücher. Auch die Möglichkeit, den riesigen Adler Beleram gezielt auf Gegner zu hetzen, macht Laune. Allerdings wird das Gemetzel, so spaßig es zu Beginn auch sein mag, schnell öde. Haben wir das erste Kapitel überstanden, wissen wir ab sofort genau, was uns in den darauffolgenden Abschnitten erwartet. Immer wieder stürmen Gegnerscharen auf uns los, die wir im variantenarmen Kampfgetümmel mit Links-, gelegentlich auch mit Rechtsklicks platt machen müssen, um voranzukommen.
Das Spiel ist klar auf den kooperativen Mehrspielermodus ausgelegt -- und wir raten jedem Spieler, diese Möglichkeit auch zu nutzen, denn die KI handelt stellenweise unter aller Kanone. Immer wieder stehen die Begleiter doof in der Gegend herum oder spulen ungerührt ihr Standard-Angriffsprogramm ab, ohne uns wirklich unter die Arme zu greifen. Das wäre gar nicht weiter schlimm, wenn man jederzeit zwischen den Charakteren hin und her schalten könnte, um deren besondere Fähigkeiten gezielt einzusetzen. Doch wechseln können wir nur zwischen den jeweiligen Abschnitten.
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So gestaltet sich das Spiel, wenn wir es allein angehen, an einigen Stellen regelrecht unfair. Gemeinsam mit anderen Spielern ist’s dafür recht ausgewogen. Allerdings trifft es die Bezeichnung »Kooperation« nicht ganz, denn wirklich zusammen arbeiten können die Spieler in den wenigsten Momenten. Die meiste Zeit stehen wir einfach nur nebeneinander und vertrimmen Agandaurs Diener, von echter Kooperation keine Spur.
Weltdesign und Technik: Wiedererkennungswert trotz Detailarmut
Geschnetzel im Überfluss muss nichts Schlechtes sein, wenn es entsprechend packend inszeniert ist. Die Story und Charaktere von Der Herr der Ringe: Der Krieg im Norden sind allerdings so beliebig, dass echte Stimmung einfach nicht so recht aufkommen will. Die drei Protagonisten wirken austauschbar und seelenlos. Wir erfahren nichts über ihre Persönlichkeit, ihre Hintergründe und was sie zusammengeführt hat. Zwischenmenschlich geben sich die Drei ebenfalls bescheiden: Dialoge untereinander wie etwa in Dragon Age: Originsgibt es nicht. Hintergründe vermittelnde Zwischensequenzen kann man an einer Hand abzählen. Zudem leidet die Geschichte unter extremer Spannungsarmut.
Man wird nicht mitgerissen, sondern schlitzt und zaubert sich unberührt durch Agandaurs Horden. Immerhin haben die Entwickler versucht, durch die thematisch äußerst unterschiedlichen Schauplätze wie die Ruinen von Fornost, das eisige Gundabad-Gebirge oder den finsteren Düsterwald Abwechslung ins Spielgeschehen zu bringen. Schade nur, dass dieses lobenswerte Vorhaben durch die nicht immer ganz zeitgemäße Technik etwas gedämpft wird: Matschige Texturen, allgemeine Detailarmut und unsichtbare Wände mitten in der Landschaft machen den Feldzug durch Mittelerdes Norden nicht gerade zu einem unvergesslichen Erlebnis. Da fügt sich die mittelprächtige deutsche Synchronisation inklusive nicht vorhandener Lippensynchronität trotz bekannter Sprecher leider »bestens« ins Gesamtbild ein.
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