Seite 5: Die Akte Ascaron - Große Hits, große Reinfälle

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Ascaron setzt aufs falsche Pferd

Es ist nicht so, dass Ascaron nie Geld hatte. Vor allem durch den überraschend großen Erfolg von Sacred fließt nach 2004 ein Schwung frischen Kapitals in die Kasse. Die Krux, wohl auch die Tragik ist, wie Ascaron sein Kapital wieder und wieder falsch investierte, in Ideen ohne Analysen.

Trotz Kritikerlob verkaufte sich Darkstar One nicht blendend. Trotz Kritikerlob verkaufte sich Darkstar One nicht blendend.

Darkstar One zum Beispiel, ein Weltraumspiel von Daniel Dumont, entstand aus dem Gedanken, ein brachliegendes Genre zu besetzen. Das Spiel war sehr gut, wurde mit Kritikerlob überhäuft, doch es blieb in den Regalen liegen. Es hatte, wie sich herausstellte, schon seinen Grund, dass keine Firma mehr Weltraumspiele herstellte. Die Entwicklungskosten von zwei Millionen Euro spielte Darkstar One nicht wieder ein, auch wenn es diese Marke nur knapp verfehlte.

Tortuga: Two Treasures entsprang der Idee, im Piraten-Genre den Glorienschein des legendären Pirates! zu stehlen; ein Wagnis, an dem sogar der offizielle Pirates!-Nachfolger 2005 zerschellte.

Anstoss Action soll sich als taktische Fußball-Simulation neben der actionlastigen Fifa-Serie etablieren, ohne Lizenz und echte Vereine. Es war, so Guido Eickmeyer, »ein utopisches Ziel«.
Man muss den Eindruck bekommen, dass Ascaron eher zufällig Hits produzierte, um sich dann regelmäßig in den Nachfolgern zu verrennen. »Patrizier, Anstoss und Sacred waren für uns Überraschungserfolge«, urteilt selbst Holger Flöttmann, und es wirkt entwaffnend wenn er das sagt und ein bisschen naiv.

Als sich um die Games Convention 2007 herausstellt, wie es um Sacred 2 steht, zieht man bei Ascaron personelle Konsequenzen. Die Investoren, die bei Ascaron mit am Tisch sitzen, setzen den Marketing-Leiter Heiko tom Felde als neuen Geschäftsführer durch. Von nun an hat tom Felde in der Firma das Sagen. Franz Stradal, der Projektleiter von Sacred 2, verlässt die Firma.

Ascaron hofft auf Sacred 2

Ende 2007 laufen bei Ascaron Vergangenheit und Zukunft zusammen, und der Daseinszweck der Firma reduziert sich auf eine einzige Sache: Sacred 2. 15 Jahre lang hat Ascaron versucht, sich breit aufzustellen, das Sortiment auszuweiten, zum internationalen Publisher mit universellem Portfolio heranzuwachsen. Nun knüpft die Firma ihr Schicksal auf Gedeih und Verderb an ein einzelnes Produkt.

Ab 2007 übernahm Heiko tom Felde die Geschäftsführung von Ascaron und richtete die Firma auf Sacred 2 aus. Ab 2007 übernahm Heiko tom Felde die Geschäftsführung von Ascaron und richtete die Firma auf Sacred 2 aus.

Von Sacred 2 sind zu dem Zeitpunkt nur Teile der Welt und der Grafiken fertig, eine hübsche Hülle. »Die ersten zwei Jahre der Entwicklung waren praktisch für die Katz«, sagt ein Insider. Heiko tom Felde hat einen anderen Führungsstil als Holger Flöttmann, er gilt als Mensch, dem schnell der Kragen platzt. Er sagt Dinge wie: »Ich musste mit dem eisernen Besen durchgehen.« Er habe »Ergebnisse erwartet, Druck gemacht, klare Worte gefunden.« Die Entwicklung von Sacred 2 muss umstrukturiert werden, der Firma läuft jetzt die Zeit davon. In der Entwicklung sitzen zu Hochzeiten 60 Leute, dazu kommen 30 weitere Angestellte, »die Kosten waren immens«, sagt Daniel Dumont. Jeden Monat verschlingt Ascaron 500.000 Euro, zum 31.3.2008 weist der Geschäftsbericht einen Fehlbetrag von 8.774.606,93 Euro aus. Innerhalb eines Jahres haben sich die Schulden verdoppelt.

Wie lange kann das gut gehen? Bis wann rechnet sich ein Spiel? »Es gibt eine einfache betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise«, sagt Holger Flöttmann: »Solange man mehr Geld rauskriegt, als man hineinsteckt, lohnt es sich.« Das erste Sacred hat sich weltweit zwei Millionen Mal verkauft. Für den zweiten Teil setzt Ascaron 1,2 bis 1,4 Millionen an, allein auf dem PC. Das ist die erste Rechnung, vor der Games Convention, vor den Verschiebungen. Stück für Stück muss die Verkaufsprognose in Folge der steigenden Entwicklungskosten nach oben geschraubt werden, bis sie zur Verkaufsfantasie wird. »Die Verkäufe von Sacred vier Jahre später zu wiederholen war eher unrealistisch«, sagt der Pressesprecher Torsten Meier, »der Markttrend hat sich im Laufe der Zeit verändert.« Aber es gibt für Ascaron kein Zurück. »Irgendwann erreichst du den point of no return«, sagt Holger Flöttmann, »entweder du machst weiter, oder die Firma ist am Ende. Und das Ende ist keine Alternative.« Sacred 2 muss ein Erfolg werden. »Wir haben da alles reingepfeffert«, sagt Torsten Meier. »Wir waren an jedem Punkt der Welt, um Journalisten und Spieler für Sacred 2 zu begeistern. Irgendwann habe ich angefangen, von der Seraphim zu träumen.«

Nach Tortuga: Two Treasures wird Daniel Dumont mit seinem Team abgeordnet, um die Konsolenumsetzung von Sacred 2 vorzubereiten. Das Spiel soll nach dem PC für Xbox 360 und Playstation 3 erscheinen. Als Dumont den Zustand des Spiels sieht, schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. Dumonts Mannschaft ist auf die Zuarbeit aus Aachen angewiesen, zwischen PC- und Konsolenteam kommt es immer wieder zu Verstimmungen. Sacred 2 ist so fehlerhaft, dass es mehrere Male an der Qualitätskontrolle für Konsolenspiele von Microsoft und Sony scheitert.

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