Genau 25 Jahre sind vergangen, seit sich südlich der Stadt Pripyat eine Explosion ereignete, die den Namen der Siedlung und des nahe gelegenen Kernkraftwerks auf einen Schlag berühmt machen sollte: Die Zerstörung des Reaktors in Block 4 von Tschernobyl kann exakt auf einen Tag datiert werden, den 26. April 1986, doch der Abbau der dabei freigesetzten Radioaktivität wird Tausende von Jahren dauern. Eine unfassbar lange Zeit. Da ist diese andere Zahl der Vorstellungskraft schon zugänglicher: 25 Jahre, ein Vierteljahrhundert – das klingt nach Vergangenheit, nach einem Sicherheitsabstand, von dem aus sich feststellen lässt: Tschernobyl ist Geschichte.
Selbst in der Ukraine, dem Land, das noch mehrere Generationen lang mit den Folgen des Unfalls leben muss, scheint man dies so zu empfinden: »Tschernobyl ist kein brennend aktuelles Thema mehr«, meint Oleg Yavorski, der die Katastrophe als Kind mitterlebt und zum Thema seines (Berufs-)Lebens gemacht hat. Yavorski arbeitet in der ukrainischen Hauptstadt Kiew für das Entwicklerstudio GSC Game World, dessen Stalker-Reihe an die Ereignisse von 1986 gekoppelt ist. Die mittlerweile drei Spiele, Shadow of Chernobyl, Clear Skyund Call of Pripyatsind in einer Welt angesiedelt, die von Monstern und tödlichen Anomalien heimgesucht wird, aber unschwer zu erkennen ist als eine Spiegelung der realen »Zone«, die Tschernobyl umgibt und dem menschlichen Zutritt versperrt bleibt. Einzig einige Arbeiter und Plünderer verirren sich dorthin – und eine Handvoll Katastrophentouristen, die unter strengen Auflagen Touren zur Kraftwerksruine unternehmen.
Ein Computerspiel als Mahnmal
Die »Zone« in den Stalker-Spielen ist einer der eigenartigsten und furchteinflößendsten Spielräume, die das Medium bislang gesehen hat. Und nachdem kürzlich bekannt wurde, dass GSC Game World schließen muss und die Zukunft der Serie ungewiss ist, scheint es, als würde sie auch das Vermächtnis des Studios werden. Eine passende Hinterlassenschaft, schließlich war die postapokalyptische Landschaft für die Entwickler stets mehr als ein origineller Abenteuerspielplatz: Von Anfang an erklärten sie ihr Ziel, mit Stalker auch eine Warnung auszusprechen, ein Mahnmal errichten zu wollen, das die Erinnerung an den GAU am Leben erhalten soll.
Ein Computerprogramm als Denkmal? Ein Spielraum als Raum der Erinnerung? Was ist im Rückblick von dieser »Mission« zu halten, 25 Jahre nach der Katastrophe und unmittelbar nach dem Aus des ukrainischen Studios? »Angesichts dessen, was jüngst in Fukushima passiert ist, scheinen alle Warnungen umsonst gewesen zu sein«, resigniert Anton Bolshakov, der Projektleiter der ersten Stalker-Spiele. Doch er findet Trost in einem anderen Gedanken: »Immerhin sehen wir, dass das Bewusstsein für die Gefahr der Radioaktivität und die historischen Ereignisse um Tschernobyl bei den Stalker-Spielern gestiegen ist.« Oleg Yavorski präzisiert: »Wir bekommen regelmäßig Briefe von jungen Menschen, die mehr über die Katastrophe erfahren möchten. Und in den Fan-Foren werden Neuigkeiten zum echten Tschernobyl ebenso aufmerksam verfolgt wie Meldungen zu den Spielen. So gesehen denke ich, dass unsere Mission erfolgreich war.«
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