Es ist schon seltsam, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Also wenn es funktioniert. Bei meinem habe ich da gewisse Zweifel. Doch das nur nebenbei. Wo war ich? Ach ja: Erinnerungen an alte Spiele. Wie ich sie liebe. Wie ich sie hasse.
Wenn mich heute jemand fragt, was ich von Icewind Dale halte, dann sage ich wie aus der Heißklebepistole gepresst: »Joa, also, na ja, Baldur's Gate 2 war dann schon besser, ne?« Ich weiß nämlich - nein, besser: Ich erinnere mich daran, dass dieses Rollenspiel so einige Probleme hatte.
Sein größtes: Es war gar kein richtiges Rollenspiel. Dafür aber ein exzellenter Dungeon-Crawler, der nunmal unfairerweise den Vergleich mit den kurz zuvor veröffentlichten Dialog- und Quest-Schwergewichten Baldur's Gate und Planescape: Torment aufnehmen musste.
Das Seltsame daran ist, dass sich mein Gehirn gleichzeitig aber auch an viele Stunden großartigen Spaß mit Icewind Dale erinnert, wegen der ich ihm den Platz in unserer Liste der 100 besten Rollenspiele von ganzem Herzen gönne.
Am Ende war Icewind Dale nämlich bei meinen ersten Schritten im Genre ein ganz wichtiger Begleiter. So wichtig, dass ich es gleich drei Mal durchgespielt habe. Auch wenn ich mich (und mein löchriges Gehirn) aus heutiger Perspektive fragen muss, wieso. Vielleicht hilft ein Blick auf die allererste Videosequenz des Spiels:
Was Icewind Dale noch heute besonders macht
Es gibt keine einzige große Stadt in Icewind Dale. Dieser typische Rollenspiel-Moment, in dem man nach Stunden des Koboldkloppens im Hinterland die prächtige Metropole betritt und erstmal von lauter Nebenquests erschlagen wird: Er findet in Icewind Dale nie statt! Denn hier steckt ihr euer Schwert nur ganz selten weg, um mit NPCs zu reden.
Feinde lauern an allen Enden und Ecken, die typische Heldenreise ist ein einziges Abklappern von Dungeons. Klassisches Rollenspiel der Marke »Ich löse eine Quest auf drei unterschiedliche Arten« ist unmöglich und Gespräche innerhalb der Gruppe gibt es eh nicht: alle Figuren in Icewind Dale werden von mir zu Spielstart selbst generiert.
Das verleiht mir weitaus mehr Macht als ich in den anderen, vermeintlich tiefgängigeren Rollenspielen von Bioware und Black Isle habe: Macht, meine perfekte Elitetruppe zu schmieden, ohne auf Sympathien achten zu müssen (»Imoen ist schon nervig, aber sie ist eben auch einer der wenigen Diebe in Baldur's Gate!«). Und Macht, es ganz gewaltig zu verkacken (»Hätte ich mal nur einen Kleriker statt dem nutzlosen Druiden mitgenommen!«).
Am Ende war es wohl genau diese Flexibilität und Varianz, die mich wieder und wieder zum Durchspielen veranlassten, bis zum letzten Kampf um den schwarzen Kristall, angelehnt an die gleichnamige Roman-Trilogie von R.A. Salvatore. Heute würde ich Fantasy-Fans andere Bücher empfehlen, aber damals habe ich die Abenteuer von Drizzt und seiner Crew tatsächlich gerne gelesen.
Egal, das war nun wirklich schon mehr Text zur Story, als Icewind Dale verdient hat. Kämpfe bleiben eben das A und O im Spiel. Ich kann mich noch heute an die schicken Zaubereffekte erinnern, die teils ganz anders aussahen als im parallel entwickelten Baldur's Gate 2, an die Riesenkäfer, deren Chitin-Panzer unter den Schwerthieben meiner Krieger platzten, an die eingängige Musik von Jeremy Soule.
Das Kampfsystem der Marke Echtzeit mit Pause ist bis heute nicht jedermanns Sache, aber seine Ausprägung in Icewind Dale gehört zweifellos zum Besten, was Party-Rollenspiele in dieser Beziehung bislang auf die Beine gestellt haben. Gewieftes Taktieren und das Nutzen aller Ressourcen sind hier für den Sieg unabdingbar.
Rollenspiel light zum Einstieg
Für mich war Icewind Dale damals ein super Einstieg ins Rollenspielgenre. Auch wenn ihr es angesichts meiner 2.000 Stunden mit Baldur's Gate 2 kaum für möglich halten mögt: Beim ersten Mal hat mir das bis heute für mich beste Rollenspiel aller Zeiten gar nicht so gut gefallen. Die lineare Kampagne von Icewind Dale war dagegen ein leichterer Einstiegspunkt und vor allem ein super Weg, um all die Klassen von Advanced Dungeons & Dragons 2.0 und ihre Besonderheiten kennenzulernen.
In vielerlei Hinsicht hat Icewind Dale erst meine Liebe für Baldur's Gate 2 möglich gemacht und dafür bin ich ihm dankbar. Wofür ich es dann schon eher verfluche, sind die langen Laufwege von den Dungeons zurück zur Stadt. Ich erinnere mich noch genau daran, wie meine Party unter der Last zahlloser gewöhnlicher Streitäxte ächzte und sich zurück zu den Händlern in Kuldahar schleppte, nur um dort alles für ein paar Goldstücke zu verscherbeln.
Wer dieses Feeling 2023 zurückhaben oder gar das erste Mal erleben will, der hat derzeit die Möglichkeit, Icewind Dale: Enhanced Edition mit einigen Modernisierungen als Gratis-Spiel bei GameStar Plus herunterzuladen. Das Angebot gilt noch bis zum 31. Januar 2023:
Icewind Dale: Enhanced Edition als Plus-Vollversion sichernWenn euer Gehirn auch nur annähernd so arbeitet wie meins, dann ist das die perfekte Gelegenheit, um eure Erinnerungen auf den Prüfstand zu stellen. Bei meiner Reise in die Vergangenheit habe ich jedenfalls festgestellt, dass mir Icewind Dale immer noch eine Menge zu bieten hat, auch 23 Jahre nach Release.
Aber nein, so richtig verstehe ich immer noch nicht, warum ich es ganze drei Mal durchgespielt habe. Vielleicht hatte ich früher einfach nur mehr Zeit. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss meinen Wintermantel anziehen und ins Eiswindtal zurückkehren.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.