Selbst wenn ein PC-Spieler noch nicht mit der Rollenspielserie Dragon Quest vertraut sein sollte, dürfte es nur wenige Minuten dauern, bis unmissverständlich klar wird: Dieses JRPG ist oldschool! Nämlich in der Sekunde, in der sie das erste Mal die Escape-Taste drücken und doch tatsächlich ein Windows-Fenster mit der Frage erscheint, ob sie das Spiel beenden wollen. Das haben zumindest wir schon seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr erlebt.
Aber keine Sorge: Zum einen ist die erste PC-Portierung der traditionell auf Konsolen beheimateten Serie deutlich besser gelungen, als es die kuriose Funktion der ESC-Taste vermuten lässt. Und zum anderen gehört Dragon Quest 11 inhaltlich zum qualitativ Besten, was Genre-Fans derzeit spielen können - so sie denn keine Allergie gegen Kulleraugen und Knuddelmonster haben.
Dinosaurier mit Frischzellenkur
Dragon Quest steht über 30 Jahre nach dem Debüt auf dem Famicon in Japan nach wie vor für eine klassische JRPG-Erfahrung mit rundenbasierten Kämpfen, umfangreicher Geschichte und liebevollem Art-Design aus der Feder von Dragon Ball-Erfinder Akira Toriyama. Spielerisch lässt sich Dragon Quest 11 am besten mit den klassischen Final-Fantasy-Teilen vergleichen, die es inzwischen ja auch auf den PC geschafft haben.
Zu den großen Unterschieden zählt neben der Knuddeloptik auch die deutlich leichtherzigere und weniger komplexe Geschichte. Als stummer Protagonist und wiedergeborener "Lichtbringer" müssen wir in Dragon Quest 11 unser Schicksal erfüllen und im Zuge dessen die Welt bereisen.
Simple Geschichte für große Gefühle
Was hier etwas generisch klingt, ist es in den ersten Spielstunden auch. Doch mit einer Handvoll Wendungen baut Dragon Quest 11 schnell eine gewohnt märchenhafte Erzählung auf, die zwar mit den üblichen Klischees spielt, aber der Erwartungshaltung auch immer wieder ein Schnippchen schlägt. Denn der Auserwählte wird gar nicht so sehnlich erwartet, wie man eigentlich meinen sollte und auch die Vergangenheit des lichtbringenden Dorfkinds ist wesentlich tragischer, als es der niedliche Look des Spiels vermuten lässt.
Bis Dragon Quest 11 diese Haken schlägt, dauert es aber. Und das ist wohl auch der größte Kritikpunkt, den man anbringen kann: Das Spiel ist länger, als es sein müsste. Um das Ende der Story zu erleben, braucht der durchschnittliche Spieler locker 60 bis 70 Stunden. Wer sich leicht von Nebenbeschäftigungen ablenken lässt, darf gern nochmal 30 bis 40 Stunden dazurechnen. Prima fürs Preis-Leistungs-Verhältnis, doch der Geschichte täte es besser, wenn sie geraffter und knackiger erzählt werden würde. Ist die etwas langatmige Exposition der ersten fünf Stunden aber erst einmal geschafft, schwingt sich das Rollenspiel schnell zur Hochform auf.
Für echte Weltenbummler
Ausreichend Umfang bietet Dragon Quest 11 nämlich so oder so. Und das liegt nicht zuletzt an der riesigen Spielwelt, die nun erstmals auch große und weitläufige Areale zum Erkunden bietet. Eine Open World gibt es zwar nicht, trotzdem sind die Laufwege oft derart lang, dass wir auf Pferde als Transportmittel zurückgreifen müssen. Meist geht es nur von A nach B, aber es gibt auch optionale Orte, die ihre eigenen Nebenaufgaben bereithalten. So können wir auf einer einsamen Insel gegen eine listige Piratenbande antreten, um eine gestohlene Pfeffer-Lieferung zu ergattern. Die Zeiten der strikt linearen Dragon-Quest-Abenteuer sind wohl wirklich vorbei.
Dragon Quest 11 - Bilder aus der PC-Version ansehen
Im weiteren Spielverlauf schalten wir traditionsgemäß neue Wege frei, die Weltkarte zu bereisen und Gegenden zu erreichen, die per pedes nicht zugänglich sind. Die Schnellreise via Teleportation gibt es zwar auch, doch die wunderschönen Landschaften laden zu Spaziergängen ein, die wir an verschiedenen Raststätten unterbrechen können. Dort können wir speichern, Vorräte auffüllen und neue Ausrüstung herstellen.
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In den weitläufigen Arealen befinden sich aber nicht nur Gegner, sondern wir stoßen auch auf Crafting-Ressourcen sowie Schatztruhen. Allerdings lassen sich nicht alle Verstecke zu Fuß erreichen. Meistens gibt es dann einen funkelnden Gegner in der Nähe, der nach seiner Niederlage als Transportmittel dient. So schlüpfen wir in springende Roboter oder schwingen uns in den Sattel von riesigen Wespen.
Städte-Trip
In der Welt von Dragon Quest 11: Streiter des Schicksals gibt es auch jede Menge Städte, die nicht nur Herbergen, Kirchen und Händler zu bieten haben, sondern immer auch ihren ganz eigenen Stil verfolgen. Wir geben euch einen Vorgeschmack auf vier Städte, die ihr in den ersten 20 Spielstunden bereisen werdet. Alle sind das aber bei weitem nicht.
Wenig Portierungs-Stress dank Unreal Engine
Die ebenso schöne wie riesige Spielwelt kommt auch auf dem PC voll zur Geltung, der portierungsfreundlichen Unreal Engine 4 sei Dank. Wer die empfohlenen Hardware-Voraussetzungen erfüllt, darf sich auf bombensichere 60 FPS samt Kantenglättung freuen, was die unglaublich stilsichere Comicoptik noch ein wenig plastischer wirken lässt als auf der PS4.
Davon abgesehen liefert die PC-Version allerdings nur das absolute Portierungs-Minimum. Die Maus- und Tastatursteuerung lässt sich nicht anpassen, was anfangs nicht nur bei der Escape-Taste irritiert, nach etwas Eingewöhnung (rechte Maustaste = abbrechen und zurück!) tatsächlich ganz gut funktioniert - allerdings nur, weil es in Dragon Quest 11 so gut wie nie Zeitdruck und nur wenige wirklich wichtige Tasten gibt. Ein Gamepad macht das Abenteuern natürlich trotzdem komfortabler, ist aber anders als bei vielen anderen PC-Umsetzungen von klassischen Konsolenspielen keine Pflichtvoraussetzung.
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