E3 - Warum die größte Spielemesse in Japan niemanden interessiert

Die E3 2018 hat ihre Tore geöffnet und hierzulande saugen Spieler alle Infos zu Cyberpunk 2077, Battlefield 5 und Co. auf. In Japan erzeugen diese Spiele nur ein trockenes Gähnen - warum?

Auf der Tokyo Game Show erblickt man nur selten westliche Spielekultur. Auf der E3 gilt selbiges für die japanische. Auf der Tokyo Game Show erblickt man nur selten westliche Spielekultur. Auf der E3 gilt selbiges für die japanische.

Vergangene Woche hat die E3 in Los Angeles ihre Türen geöffnet und die ganze Welt mit Infos zu Anthem, Assassin's Creed: Odyssey, Rage 2 und mehr versorgt. Die ganze Welt? Nein. Ein von unbeugsamen Arcade-Hallen-Spielern bevölkertes Land interessiert sich so gut wie gar nicht für die Messe: Japan. Aber wieso?

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Andere Länder, andere Sitten

Nintendo, Sony, Capcom, Square Enix und, und, und. Einige der weltweit größten Namen der Spielebranche kommen aus Japan und sind, selbstverständlich, auch auf der E3 vertreten. Dennoch ist die Messe für viele japanische Gamer total uninteressant. Die E3 richtet sich eben an westliche Zocker. Der Grund ist, dass sich die Gamingkultur weltweit unterscheidet und in Japan ganz anders aussieht als bei uns.

Da ist vor allem der viel stärkere Fokus auf Handhelds und Mobile Gaming. Und selbst wer eine Heimkonsole oder gar einen PC hat, der wird in Japan eher Zeit mit einem Genre verbringen, das hierzulande fast unbekannt ist: Visual Novels. Seit einiger Zeit machen die sich auch vermehrt auf Steam breit. Spiele wie Doki Doki Literature Club oder Steins;Gate zählen dazu.

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Und schließlich ist da noch die Präferenz für Produkte aus dem eigenen Land. Während sich PS4 und Nintendo-Produkte in Japan ziemlich gut verkaufen, hatte die Xbox One einen… mittelmäßigen Start hingelegt.

Die Verkaufszahlen vom Mai 2018 sprechen Bände: Während sich die PS4 noch mehr als 12.500 Mal verkaufte, konnte Microsoft in Japan nur 126 Xbox Ones und 42 Xbox One X verkaufen. Unangefochtener Spitzenreiter war die Switch mit beinahe 32.000 abgesetzten Konsolen. Der PC bildet keine Ausnahme und ist mit Steam in Japan eher mäßig erfolgreich, wenn auch seit einiger Zeit auf dem Vormarsch. Japan macht laut Valves eigenen Statistiken 1,7% des weltweiten Datenverkehrs von Steam aus.

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Mathias Dietrich

Über den Autor
Mathias Dietrich (28) arbeitet als freier Autor für GameStar. Während des Studiums entwickelte er ein starkes Interesse für die Kulturunterschiede zwischen Japan und dem Westen. Seit Kurzem hat er Deutschland dauerhaft hinter sich gelassen und ist nach Japan gezogen. Von dort aus schreibt er eine unregelmäßig erscheinende Artikelreihe über die Unterschiede westlicher und asiatischer Spielekultur.

Arbeit, Arbeit!

Aber nicht nur die Spielevorlieben unterschieden Japan von westlichen Spielern. Auch in einem anderen Punkt unterscheidet sich japanische Kultur von unserer: "Arbeit" ist das Stichwort, das den Großteil des Alltags der Menschen in Japan bestimmt. Und das von Kleinauf. Wer von 8 Uhr bis 15 Uhr in der Schule sitzt und danach noch stundenlang Schulclubs besucht, dem bleibt einfach nicht genug Zeit um ausufernde Triple-A-Konsolenspiele zu spielen. Und dieser Alltag beginnt für viele Kinder schon sehr früh. Bereits vor der eigentlichen Einschulung lernen japanische Kinder bereits für Aufnahmeprüfungen der Grundschule. Freizeit, adé!

Smartphonespiele wie Animal Crossing: Pocket Camp erfreuen sich in Japan großer Beliebtheit. Smartphonespiele wie Animal Crossing: Pocket Camp erfreuen sich in Japan großer Beliebtheit.

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Im Berufsleben ändert sich das nicht: Das Klischee des stets arbeitenden Japaners hat einen realen Hintergrund. Wegen dieses Lebensstils präferieren viele Japaner heute mobile Spiele. In der Bahn mal zehn Minuten am Handy, dem 3DS oder der Switch daddeln, ist kein Problem. 100 Stunden oder mehr in Cyberpunk 2077 stecken hingegen fast unmöglich.

Es hat Gründe, wieso Nintendo die Switch portabel gemacht hat: Immerhin kann man so eine Zielgruppe erreichen, die fast nie zu Hause ist.

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Kein Platz für die E3

Die E3 zielt nicht unbedingt auf diese Zielgruppe ab. Die amerikanische Messe ist stark vom westlichen Markt dominiert und nur größere japanische Titel wie Super Smash Bros., Kingdom Hearts 3 und Monster Hunter Generations Ultimate finden dort überhaupt einen Platz. Aber die großen Marken, die Japaner interessieren, finden sich nicht auf der E3, sie kommen auch fast nie in den Westen.

Dank seines Settings könnte Ghost Of Tsushima auch für Japaner interessant sein. Dank seines Settings könnte Ghost Of Tsushima auch für Japaner interessant sein.

Die guten Titel heben sich die meisten Publisher eh für später auf: Denn nach der E3 ist für viele schon vor der Tokyo Game Show.

Wer wissen will, wie relevant die E3 in Japan ist, kann sie mit der Tokyo Game Show in Deutschland vergleichen: Nur ein paar große Titel kommen überhaupt hier raus und die meisten Infos versteht man wegen der fremden Sprache nicht. Während der Westen im April God of War und Far Cry 5 zu seinen Lieblingshits kürte, war das meistverkaufte Spiel Japans Jikkyou Powerful Pro Baseball 2018 - schon mal davon gehört?

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