Empire of Sin spielt in der Zeit der Prohibition in den USA. Das Verbot von Alkohol befeuerte damals, Anfang des 20. Jahrhunderts, eine Art Schattenindustrie, durch die Menschen wie Al Capone schnell sehr reich, mächtig und auf unrühmliche Weise auch bekannt wurden. Wir nehmen uns Al als Vorbild und starten ein eigenes Sünden-Imperium. Dazu wählen wir eine von insgesamt 14 teils historisch belegten, teils fiktiven Anführern aus.
Jede Figur hat nicht nur einzigartige Fähigkeiten im Kampf, sondern auch eine eigene Kampagne, die ihren persönlichen Werdegang erzählt und sogar Entscheidungen zulässt. Streben wir einen Sitz im Rathaus an und helfen dem Bürgermeister? Oder hintergehen wir ihn, um auf illegal Weise reich und mächtig zu werden?
Diese persönlichen Geschichten sind ein Alleinstellungsmerkmal von Empire of Sin, bleiben spielerisch jedoch belanglos und dienen lediglich der Atmosphäre. Was sich also bei den ersten Ankündigungen von Empire of Sin so innovativ angehört hat, entpuppt sich in der Praxis als Staffage. Das gilt traurigerweise auch für die anderen Spielelemente: Sowohl der Wirtschaftspart als auch die Rundentaktik-Kämpfe halten nicht, was sie versprechen.
Schwache Wirtschaftssimulation
Als Neuankömmling in Chicago fangen wir klein an und eröffnen unser erstes Speakeasy - so nennt man die illegalen Bars zu der Zeit der Prohibition - sowie eine Brauerei, um unser Etablissement auch mit Alkohol beliefern zu können. Außerdem können wir zusätzlich Casinos, Bordelle und Hotels gründen und managen.
Jeder Gebäudetyp hat fünf Ausbaustufen in unterschiedlichen Bereichen. In der Brauerei erhöhen wir etwa bei ausreichendem Kontostand die Qualität des Alkohols sowie die Lagerkapazitäten, während im Bordell und in den Bars die Einrichtung im Vordergrund steht - je heimeliger die Atmosphäre, umso mehr Umsatz. Falls wir Stress mit der Polizei umgehen möchten, empfiehlt es sich, den Gesetzeshütern ab und an einen dicken Batzen Scheine auf den Tisch zu legen, damit die auf ihren Patrouillen in eine andere Richtung gucken.
So reizvoll dieser strategische Wirtschaftsaspekt auch klingt: Spielerisch ist er nur sehr rudimentär umgesetzt. Mit wenigen Klicks bauen wir in vorgefertigten Stufen Gebäude aus, die daraufhin monatlich immer mehr Geld abwerfen. Das ist in keinem der fünf Schwierigkeitsgrade fordernd oder besonders gut ausbalanciert. Um Angestellte oder Logistik müssen wir uns nicht kümmern, und spätestens nach der ersten Spielstunde schwimmen wir in Geld und brauchen uns um unsere Wirtschaft keine Gedanken mehr machen.
Fokus auf Bandenkrieg
Da das Spiel nur gewonnen werden kann, wenn wir alle gegnerischen Bosse um die Ecke bringen, ist gutes und nachhaltiges Wirtschaften auch gar nicht nötig. Alternative Gewinnbedingungen wie einen Wirtschaftssieg gibt es schlichtweg nicht. Der Management-Teil nimmt viel Spielzeit ein, trotzdem ist es nicht möglich, Konkurrenten wirtschaftlich auszubooten und sie in den Bankrott zu treiben.
Diese Ausrichtung zwingt uns regelrecht dazu, gewalttätig vorzugehen. Das wird obendrein dadurch verschärft, dass wir nach dem Tod eines Kontrahenten all seine Immobilien erben und damit vergleichsweise leicht reich werden. Spätestens mit dieser Regel nimmt sich der wirtschaftliche Aspekt selbst seine Daseinsberechtigung und wird zur Randnotiz.
Um die ungeliebte Konkurrenz auszulöschen, brauchen wir allerdings erst mal schlagkräftiges Personal. Das heuern wir in einer Art Jobbörse an. Nach gezahltem Vorschuss können wir dann mit bis zu zehn Handlangern die Angriffe auf gegnerische Läden oder Fabriken planen. Töten wir alle Wachen vor und im Gebäude, gehört es fortan uns - oder wir plündern es kurzerhand.
Solche feindlichen Übernahmen bleiben selbstredend nicht ohne Konsequenzen und verschlechtern unser Ansehen beim ehemaligen Besitzer, der daraufhin zum Vier-Augen-Gespräch (gut geschriebene, überzeugend dargestellte Dialoge mit diversen Antwortmöglichkeiten) bittet oder direkt den Bandenkrieg ausruft. Ob wir dieses Treffen annehmen, weiterhin an seinem finanziellen Ruin arbeiten oder gar vorübergehend Frieden schließen, liegt ganz bei uns.
Starke Attacken ohne Balance
Die Kämpfe fühlen sich für Genre-Kenner sehr vertraut an und übernehmen, was seit den XCOM-Reboots zum Standard wurde: Jede Figur hat zwei Aktionen, um in Deckung zu gehen und zu schießen. Zusätzlich erlernt jede Charakterklasse über die Zeit neue Fähigkeiten. In einem Talentbaum weisen wir den Figuren starke Spezialattacken oder auch passive Eigenschaften wie das automatische Zurückschlagen bei Nahkampfangriffen zu.
Die Anführer haben bereits zu Beginn eine einzigartige Fähigkeit, die so stark ist, dass sie sich oft unfair anfühlt. Daniel McKee Jackson, der Totengräber, entleert beispielsweise als Aktion ein komplettes Magazin in die Gegner und wechselt automatisch zum nächsten Ziel, was teilweise schon in der ersten Runde für drei, vier Leichen sorgt.
Monotone Kämpfe
Schön gemacht: Alle Söldner hegen dynamische Beziehungen untereinander. Ganoven verweigern zum Beispiel die Zusammenarbeit mit bestimmten Personen, andere wiederum sind gut befreundet oder verlieben sich. Das wirkt sich auch in den Kämpfen aus: Unser Vollstrecker Tommy »Dr. Death« Biscuits weigerte sich beispielsweise in einem wichtigen Kampf, die Scharfschützin des gegnerischen Clans anzugreifen, da er eine heimliche Beziehung mit ihr führte. Nach ihrem unausweichlichen Tod verließ er wütend unsere Unternehmung und heuerte bei der Konkurrenz an.
Diese kleinen Einzigartigkeiten täuschen aber nicht darüber hinweg, dass sich die Gefechte nahezu immer gleich spielen und Empire of Sin in diesem Aspekt einfach zu wenig Abwechslung bietet. Die Locations sind sehr begrenzt und wiederholen sich ständig. Nach wenigen Stunden haben wir uns an den immer gleichen Casinos und trostlosen Bordellen sattgesehen.
Außer ein paar Sofas, Roulette-Tischen und Säulen als Deckung bietet auch die Architektur wenig Raum zur taktischen Entfaltung. Die Gegnervielfalt ist ebenfalls sehr begrenzt. Selbst hochrangige Wachen haben lediglich mehr Lebenspunkte, bessere Waffen und Panzerung als der Standard-Straßenschläger. Situationen, in denen sich auch mal eine benachbarte Bande einmischt oder die Polizei ins Geschehen eingreift, sind die absolute Ausnahme.
Viel Flair, wenig Entwicklung
Eine verpasste Chance sind obendrein die lahmen Bosskämpfe, die sich in nichts von regulären Gefechten unterscheiden und weder spielerisch noch inszenatorisch genutzt werden. Statt eines großen emotionalen Showdowns oder speziellen strategischen Herausforderungen sind diese Kämpfe einfach nur zäher und schwieriger, da wir es mit mehr Gegnern gleichzeitig aufnehmen müssen.
Generell ist das ganze Kampfsystem schlecht ausbalanciert. Die Übernahme feindlicher Gebäude ist oft viel zu einfach und gegnerische Angriffe auf unsere Einrichtungen werden auf Dauer schlicht nervig. Diese Pflichtverteidigungen unterbrechen den Spielfluss und sind uninteressant, da wir sie mit namenlosen Kanonenfutter-Wachen bestreiten müssen. Hier hätten wir uns Möglichkeit wie in der Total War-Serie gewünscht, Kämpfe einfach berechnen zu lassen und nur das Ergebnis zu sehen.
Witzige Nebenquests lockern das Geschehen auf
Nur vereinzelt können Probleme auch mal gewaltfrei gelöst werden, beispielsweise als wir unseren irischen Freund in einer Nebenquest bei einem Date begleiten und ihn permanent vom Trinken abhalten, so dass er sich nicht verplappert: Seine Herzensdame stellt sich nämlich als Undercover-Agentin heraus, die unser kriminelles Unternehmen entlarven soll. Solche Momente sind allerdings rar gesät.
Empire of Sin ist ein interessanter Genre-Mix, der mit ein paar neuen Ansätzen aufwartet, diese aber nicht konsequent genug umsetzt und an der Balance seiner diversen Spielelemente scheitert. Insgesamt bleibt ein durchwachsenes und wenig befriedigendes Mischkonstrukt übrig, das sowohl bei der Rundenstrategie als auch im Wirtschaftsteil zu wenig Tiefgang und Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Immerhin bewahrt sich das Spiel durch den gelungenen Gangsterflair und den hohen Wiederspielwert grade noch so vor dem Absturz.
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