FIFA wird nach 2021 für mich nie wieder dasselbe sein

2021 hat einer Ära ein Ende gesetzt. FIFA und der digitale Fußball an sich werden nie wieder so sein wie früher. Fabiano stimmt die Erkenntnis melancholisch.

Gegen Jahresende trifft mich gerne eine gewisse Wintermelancholie. Gerade wenn ich so ein wenig zurückdenke, was das Jahr über alles passiert ist und was sich verändert hat. Und am schwersten wird mir dabei aktuell das Gemüt, wenn ich an Fußball denke. Dabei hatte ich persönlich ein paar echte Hochphasen dieses Jahr. Bei der EM wurde immerhin wie bei jedem großen Turnier Italien angefeuert - aber dass die Truppe das Ding dann wirklich gewinnt, damit hätte ich nicht gerechnet.

Eine unschönere Überraschung erlebte ich wenige Wochen später. Dann erschien nämlich FIFA 22. Und obwohl der Titel auf den Next-Gen-Konsolen eigentlich sehr gut geraten ist, macht mir die katastrophale PC-Version das Herz sehr schwer. So eine Respektlosigkeit gegenüber den Kunden ist mir einfach unbegreiflich - ganz egal, wie gut diese Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen zu verargumentieren wäre.

Dass FIFA 22 auf dem PC eine herbe Enttäuschung war, ist aber bloß die Spitze des Eisberges.

Der Autor: Fabiano war nie der begnadetste Fußballspieler, hatte mit dem Sport aber immer seinen Spaß. Mehr noch, wenn er in FIFA selbst die Kontrolle über eine ganze Mannschaft bekam und das digitale Grün beherrschte. Dabei hat er sich nicht nur dank Karrieremodus jahrelang wie ein Möchtegern-Coach einer Profimannschaft gefühlt, sondern war sogar eine lange Zeit in der Realität als Jugendtrainer tätig und hatte sogar eine Übungsleiterlizenz. Dass viel Fußballerischer Sachverstand vom FIFA-spielen kam, musste da ja niemand wissen. Frustrierend war nur, dass man als Trainer die Kids auf dem Rasen nicht mit einem Controller steuern kann.

In den vergangenen zwölf Monaten hat sich noch weitaus mehr ereignet. Das ganze Jahr über ist dadurch bei mir die Erkenntnis gereift, dass FIFA und Sportspiele im allgemeinen für mich nach 2021 nie wieder im selben Licht erstrahlen wie früher. Für mich geht 2021 eine Ära zu Ende.

Meine Zeit mit FIFA

Ich weiß, ich weiß. Der typische GameStar-Leser ist eigentlich kein FIFA-Freund. Und ich versteh euch ja, immerhin bin auch ich die meiste Zeit eher mit Strategiespielen oder komplexen Oldschool-RPGs beschäftigt. Aber es ist nun mal nicht zu verleugnen, dass parallel FIFA einen sehr großen Teil meiner früheren Jugend ausgemacht hat. Ich bin wirklich kein kompetitiver Spieler und wenn ich mich mit jemandem messen muss, dann geh ich in der Regel davon aus zu verlieren. Selbst bei Strategiespielen wie Age of Empires 4.

Aber bei FIFA ... da kann mir keiner was. Klar, ich werde nicht gegen jeden Profi einen Sieg einfahren. Aber ich hab zumindest das Selbstbewusstsein, es mit den meisten anderen Leuten aufnehmen zu können. Als Jungspund hatte ich so gar eine richtige Leg dich nicht mit mir in FIFA an-Attitüde. Einfach weil ich FIFA spiele, seitdem ich sechs Jahre alt bin. FIFA 98 hab ich nur sehr wenig gezockt, aber bis heute ploppt mir Tubthumping ins Gedächtnis, wenn ich einen Fußball sehe. I get knocked down, but get I up again ... hach.

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Danach legte ich mir ausnahmslos die Turnier-Ableger zu (WM 2002, EM 2004, WM 2006), erst mit FIFA 08, nachdem ich neben Italien als Nationalmannschaft die Frankfurter Eintracht für mich entdeckt hatte, geriet ich vollends in den FIFA-Strudel. Bis heute steht im Regal unter dem Fernseher eine ganze Reihe an FIFA-Verpackungen. Eine für jedes Jahr.

FIFA war meine Kindheit und es ist eines der Spiele, bei denen ich eine wohlige wärme spüre, wenn ich an meine Zeit damit zurückdenke. Tagelang bin ich in die Welt des Profifußballs abgetaucht. Ich habe die Eintracht zur Meisterschaft trainiert, habe den FC Southhampton aus der dritten englischen Liga in die Premier League geführt (was zwei Jahre später tatsächlich eintrat), habe Talente entdeckt, die sich zu Weltstars mauserten und habe mit meinen Freunden einen eigenen Verein gegründet. Das werde ich alles nie vergessen.

Und ich bekomm einen Kloß im Hals bei dem Gedanken, dass diese Zeit endgültig vorbei ist.

FIFA hat gewonnen und trotzdem verloren

Ich sage damit gar nicht, dass ich von jetzt an vorhabe, nie wieder FIFA zu spielen. Aber nach allem, was passiert ist, scheint 2021 doch ein gewaltiger Bruch zu sein. Ein Bruch mit dem Selbstverständnis davon, was der Status Quo von Fußballspielen auf dem PC oder den Konsolen eigentlich ist.

Denn in meiner Jugend gab es nun mal diesen (albernen) Glaubenskampf zwischen FIFA und Pro Evolution Soccer. Ich persönlich stand da wie erwähnt auf der FIFA-Seite, ohne als flammender Missionar aufzutreten. Als Grund genügte mir, dass ich gerne mit Eintracht Frankfurt statt SG Rhein-Main spielen wollte. Dieser anfeindende Zweiklang war aber nun mal allgegenwärtig. Nach 2021 scheint er verstummt. FIFA hat gewonnen.

Denn so katastrophal die PC-Version von FIFA 22 auch ausfiel, Pro Evolution Soccer - oder besser eFootball - hat das ganze noch unterboten.

PES heißt jetzt eFootball, ist Free2Play, eine technische Katastrophe und eines der am schlechtesten bewerteten Spiele auf Steam. PES heißt jetzt eFootball, ist Free2Play, eine technische Katastrophe und eines der am schlechtesten bewerteten Spiele auf Steam.

Und es scheint nicht so, als würde Konami von der Free2Play-Schiene abrücken. Es gibt schlicht keine Alternative mehr und gab es davor auch nicht, wenn man ein großes Lizenzpaket wollte.

Schon jetzt ist die Lage ja so, dass EA gar nicht viel Mühe in sein Produkt stecken muss. Man hat natürlich den Eindruck, dass FIFA in den letzten Jahren zunehmend heftiger kritisiert wurde. FIFA 22 wurde im Test so schlecht bewertet wie kein Teil davor und auf Metacritic sieht das Ganze noch schlimmer aus. Der Userscore ist von Jahr zu Jahr weiter runtergekracht, steht bei FIFA 22 auf 1,5 von 10. Und EA kann mit den Schultern zucken, da FUT trotzdem ohne Ende Geld scheffelt. In kaum einem anderen Bereich fühlt man sich mittlerweile so machtlos wie hier.

FIFA ist Ultimate Team

Es ist einfach nicht mehr wegzudiskutieren, dass Ultimate Team einen Punkt erreicht hat, an dem gefühlt kein Modus daneben mehr Bestand haben kann.

Egal, ob Karriere oder Pro Clubs, alles fühlt sich wie gezwungenes Beiwerk an, das übers Jahr auch nicht sonderlich viel Service bekommt. Es ist förmlich spürbar, dass das Augenmerk in Wahrheit auf der Gelddruckmaschine mit den Spielerkarten liegt. Anfang des Jahres sorgte ein geleakter Bericht für Aufsehen, in dem EA offen an Mitarbeiter kommunizierte, man solle alles tun, um Spielerinnen und Spieler in Ultimate Team zu locken. Eine Darstellung, die EA selbst als »falsche Interpretation« bezeichnete, ohne ihr komplett zu widersprechen.

Ich habe für meinen Teil endgültig aufgegeben, noch auf etwas anderes als oberflächliche Änderungen an meinen Modi zu hoffen. FIFA ist in Ultimate Team aufgegangen und ich könnte mir gut vorstellen, dass nach dem Lizenzstreit um die Namensrechte der Begriff FIFA im Videospiel-Sektor zu Grabe getragen wird.

Was mich gemessen an dem Kontext meiner Kindheit eben traurig stimmt, unabhängig davon, was ich von dem eigentlichen Namensgeber halte. Aber FIFA hatte im Bezug auf EAs Videospiele einfach eine Eigendynamik und es würde mich nicht wundern, wenn mehr Menschen bei dem Begriff zuerst an die Spiele statt an den Fußball-Verband denken.

Fest steht: Nach 2021 sieht die Welt des digitalen Fußballs endgültig anders aus. Kein Konkurrenzkampf mehr. Keine wirklich neuen Qualitäten. Kein FIFA und kein Grund für EA, das zu ändern. Stattdessen bleibt FUT und hier hat EA ja ohnehin schon ein Auge auf den kontroversen NFT-Trend geworfen.

Ja, für viele war FIFA schon Jahre zuvor der Antichrist. Doch wie gesagt, war FIFA ein riesiger Teil meiner Kindheit und den lässt man erst los, wenn es nichts gibt um ihn festzuhalten.

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