Herr der Ringe: Nach dem Gollum-Schock sind die neuen Magic-Karten heilsam wie Athelas

Ich konnte einen Monat vor dem Release des neuen Sets für Magic: The Gathering einen genaueren Blick auf die Karten werfen und freu mich schon jetzt wie Samweis auf Bratkartoffeln.

Ich habe zu den Leuten gehört, die bis zuletzt Hoffnungen in Gollum setzten. Entgegen all dem, was sich anbahnte, wollte ich einfach mal wieder ein unterhaltsames Herr der Ringe-Spiel genießen. Auch wenn mir immer klar war, dass ein paar Ecken und Kanten das Preis sein könnten.

Was jetzt am Ende dabei allerdings rumgekommen ist, ließ selbst mich bedröppelt zurück. Insbesondere, weil die Studios dieser Welt uns nicht gerade mit reihenweise Herr der Ringe-Spielen verwöhnen. Doch in der Sekunde, als ich mich dem Missmut hinzugeben gedachte, kam ein strahlender Retter daher, der die dunkle Ernüchterung hinfort schwemmte wie Elronds Zauberei die Nazgul. 

Fabiano Uslenghi
Fabiano Uslenghi

Fabiano ist stolzer Besitzer der Elbisch-Wörterbücher und kann die Der-Herr-der-Ringe-Trilogie von Peter Jackson inzwischen mit verbundenen Augen mit synchronisieren. Für ihn ist Mittelerde noch immer die fesselndste Sagenwelt des Fantasy-Genres und er hofft, eines Tages für seine Fan-Treue endlich wieder mit einer richtig guten Spielumsetzung belohnt zu werden, die bitte nichts mit Gollum zu tun hat.

Ich wurde von Wizards of the Coast zu einer Präsentation des neuen Magic-Sets geladen, das auf den Namen Geschichten aus Mittelerde hört. Eine Erweiterung, die Frodo, Sam, Aragorn, Gandalf oder Éowyn ins Spiel bringt und zusätzlich natürlich noch dutzende weitere Karten rund um das Auenland, Mordor oder gar den Einen Ring selbst. Und dieses Set könnte mein Herr der Ringe-Highlight des Jahres werden. 

Aragorn Der ehemalige Waldläufer schwingt sich auf zum König von Gondor.

Balrog Der Balrog gehört zu den mächtigsten Monstern, die ihr beschwören könnt.

Frodo Der Ringträger nimmt die größte Bürde auf sich und droht vom Ring verdorben zu werden.

Minas Tirith Das Set besitzt wundervolle Länderkarten, die immer Reiseabschnitte der Gefährten zeigen.

Die große Herausforderung

Wisst ihr, woran Gollum unter anderem gescheitert ist? An dem etwas verzweifelten Versuch, Mittelerde unabhängig von den Jackson-Filmen einen eigenständigen Look zu verpassen. Denn wer heutzutage Der Herr der Ringe zu bebildern versucht, kommt nicht daran vorbei, ein wenig mit der Erwartungshaltung der Fans zu jonglieren. 

Ganz egal, wie sehr man sich dagegen sträubt. Aber Mittelerde sieht in den Köpfen vieler Fans inzwischen nun mal aus wie Neuseeland und sowohl Charaktere als auch Orte oder Objekte wecken gewisse Erwartungen.

Diese Erwartungen komplett zu unterlaufen, kann leicht für Befremdung sorgen. Im Falle von Gollum suchte Daedalic nach einem Mittelweg. Das Ergebnis war ein fast schon groteskes Zerrbild des Jackson-Sméagols. Irgendwie noch recht nah dran, aber gleichzeitig sehr fremd. 

Daedalic ist es nicht gelungen, Gollum ein frisches und dennoch vertrautes Design zu geben. Magic zeigt, wie es geht.

Vor genau dieser Herausforderung steht jetzt auch das Magic-Sammelkartenspiel, nur auf einer noch viel größeren Skala. Immerhin deckt das Set den kompletten Ringkrieg ab und zeigt sämtliche Örtlichkeiten und Figuren, die in der Romantrilogie von Bedeutung sind. 

Wundervolles Mittelerde

Wie es mir aber scheint, gelingt dieses Kunststück mit Bravour. Denn Mittelerde sieht auf den Karten wundervoll aus, emanzipiert sich gleichzeitig aber gekonnt von der Filmumsetzung. Eben dadurch, dass teils eher vage Beschreibungen in der Vorlage (sofern man irgendwas von Tolkien als vage bezeichnen kann) anders ausgelegt werden. 

So tritt Sauron hier nicht als großes brennendes Auge in Erscheinung, sondern als echte Person, die den allessehenden Palantir direkt in ihrer Rüstung trägt. Auch Gollum hat nur wenig mit der Andy-Serkis-Version gemeinsam und trotzdem handelt es sich unverkennbar um den schleimigen Fischliebhaber.  

Klar, an einigen Stellen lässt sich auch Magic von den Jackson-Filmen leiten. In der Summe erwecken die Sammelkarten Mittelerde aber zu neuem Leben. Sie versprühen eine eigene Magie, wie sie ich sie seit der Filmtrilogie nicht mehr erlebt habe. Mit kreativen Ansätzen, wundervollen Szenarien und einer erschlagenden Detailverliebtheit. 

Diese Karten kitzeln sogar einen gewissen Sammelwahn, den nicht einmal Pokémon in mir auslöst. Doch die Illustrationen scheinen wirklich jeden wichtigen Moment und jeden Reiseabschnitt der Gefährten zu bebildern, teilweise sogar in gewaltigen Schaubildern, die aus mehreren Karten zusammengesetzt werden. Ein wenig verspüre ich das Bedürfnis, die komplette Geschichte durch eine Aneinanderreihung sämtlicher Karten dieses Sets nachzuverfolgen. Herrlich!

Derartige Szenenbilder bestehen aus mehreren Karten und wurden von historischen Schlachtgemälden inspiriert. Derartige Szenenbilder bestehen aus mehreren Karten und wurden von historischen Schlachtgemälden inspiriert.

Ein Set sie zu knechten

Ich bin niemand, für den Magic: The Gathering einer Religion gleicht und der dauerhaft an dem Spiel festhält. Meistens sind es solche wunderbaren Sets, die mich wieder ins Spiel locken und wirklich das Verlangen nach neuen Karten wecken. Selten war der Wunsch wieder ins Spiel einzusteigen aber so groß wie jetzt bei Der Herr der Ringe. 

Dabei verändert das Set am eigentlichen Spiel gar nicht sonderlich viel. Es werden größtenteils altbekannte Mechaniken wieder aufgewärmt, die zugegebenermaßen aber auch wie gemacht für Mittelerde erscheinen:

Natürlich spielen Essens-Token eine große Rolle, wenn Samweis Gamdschie dabei ist. Und natürlich setzten viele Mordor-Karten darauf, Armee-Tokens anzusammeln, die diesmal außerdem als Orks zählen. Selbst die Saga-Mechanik aus Dominaria gehört einfach zu einer Welt, deren Vergangenheit sich in bezaubernden Liedern und epischen Geschichten widerspiegelt. 

Magic: The Gathering - Geschichten aus Mittelerde - Neue Karten des Sets ansehen

Komplett neu ist nur die Verführung des Rings, bei der ich einen Ringträger erkiese und diesen damit immer weiter stärke – bis er schließlich aber zu einer Belastung werden kann und auch mir Schaden zufügt.

Das revolutioniert Magic nicht gerade, doch zu viele neue Mechaniken können ein an sich makelloses Spielsystem immer aufweichen. Ein wenig wünschte ich mir trotzdem, Geschichten aus Mittelerde sei ein unabhängiges Spin-Off, dass es mir erlaubt, komplett in die Welt einzutauchen und nur gegen andere Decks anzutreten, die aus Mittelerde-Karten bestehen. 

Allein die wundervolle Kunst auf diesen Karten hätte es auf jeden Fall verdient!

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