Faszinierend prächtig
Wer Homeworld wirklich komplett originalgetreu wiederhaben möchte, schaut also in die Röhre. Die Generalüberholung ändert jedoch nichts daran, dass die beiden Homeworlds weiterhin echte Strategieklassiker sind, die aus ihrem vermeintlich unpersönlichen Setting (Raumschiffe haben nun mal keine Gesichter) mehr Atmosphäre und Charakter kitzeln als die meisten Shooter aus all ihren Pixelsoldaten.
Schon alleine das Schlachtspektakel unterhält ausgezeichnet, vor prächtig-bunter Sternennebelkulisse umschwirren winzige Jäger träge Träger, zerstrahlen Schlachtkreuzer kleinere Fregatten mit gleißenden Ionenstrahlen, heften sich Kaperkorvetten todesmutig an mächtige Zerstörer, saugen Rohstoffernter Asteroiden aus - Homeworld sieht super aus, und natürlich trägt Gearbox? Grafik-Lifting maßgeblich zu dieser Faszination bei.
Wir können von der schematischen Sensorkarte jederzeit hineinzoomen bis zum kleinsten Bomber, an dem wir jede Luke, jedes aufgemalte Symbol erkennen. Schiffe werfen Schatten auf sich selbst und andere Kähne, Mündungsfeuer und Ionenstrahlen erhellen nahe Pötte, deren Hüllen nun sogar Einschusslöcher und Explosionskrater aufweisen. Nur einen Makel hat die neue Grafikpracht: Texturen von Großschiffen sehen ausgerechnet in Homeworld 2 (nicht im ersten Homeworld!) von Nahem matschig aus. Angesichts des sehenswerten Drumherums ist das jedoch verschmerzbar.
Gleiches gilt für die seltenen KI-Macken in Homeworld 1. Beispielswiese hinterlassen große Schiffe nun Trümmer, die wir bergen, um Rohstoffe zurückzugewinnen. Sammelschiffe visieren dabei jedoch gerne mal den nächstgelegenen Brocken an - selbst wenn es gerade schon ein anderer Ernter zurückschleppt. Da müssen wir dann von Hand eingreifen und die Aufträge entwirren.
Das Original
Was genau ihn anno 1999 am ersten Homeworld fasziniert hat und warum es dann doch eher Liebe auf den zweiten Blick war, erklärt Michael Graf in seinem Hall-of-Fame-Artikel – und im zugehörigen Video.
Vorsicht: Wer die Story des ersten Spiels selbst erleben möchte, sollte Artikel und Video lieber nicht anschauen. Beide enthalten nämlich leichte Spoiler.
Galactica-Gänsehaut
Auch der taktische Anspruch geht in Ordnung, zumal Gearbox eine Balancewelle geglättet hat: Flinke Raumjäger sind nun auch in Homeworld 1 tendenziell nützlicher, weil die einst übermächtigen Raketenzerstörer entschärft wurden. Die Flotten wiederum wachsen nicht nur von Mission zu Mission mit, sondern auch schnell ans Herz, beide Kampagnen unterhalten durchgehend und erzeugen eine »Allein im All«-Gänsehaut, die an »Battlestar Galactica« erinnert. Wobei das erste Homeworld allerdings die viel packendere Geschichte erzählt, samt denkwürdiger Stich-ins-Herz-Momente.
Hin und wieder gibt's zwar in beiden Spielen unfaire Überraschungen, etwa wenn eine Feindflotte plötzlich in der Nähe unseres fast wehrlosen Mutterschiffs auftaucht, aber das trägt auch zur Herausforderung bei - wir sind ja selbst schuld, wenn wir Mutti unbewacht lassen. Geschmackssache, in unseren Augen aber durchaus gelungen ist der Kontrast zwischen der bunten Spielgrafik und den reduzierten, schwarz-weißen Zwischenfilmen, die noch dazu hervorragend vertont sind - aber nur auf Englisch.
In Deutsch und allen anderen Sprachen gibt's brauchbare Untertitel, aber keine übersetzte Sprachausgabe. Noch dazu ist der Sound teils schlecht abgemischt und wir hören lautes Antriebsbrummen, obwohl eine Spielgrafik-Zwischensequenz läuft. Dafür ist der Soundtrack noch genauso großartig wie eh und je: Wenn das Mutterschiff im ersten Homeworld zu Samuel Barbers »Adagio for Strings« vom Stapel läuft, bekommen wir immer noch Gänsehaut. Und jetzt sieht's noch dazu viel besser aus.
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