Seite 3: Imperator: Rome im Test - Die Paradox-Formel

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Welthandelsorganisation

Handel funktioniert ganz anders als in Europa Universalis 4, trotz der sonstigen Ähnlichkeiten. Handel funktioniert ganz anders als in Europa Universalis 4, trotz der sonstigen Ähnlichkeiten.

Eine weitere Stärke des Spiels ist das motivierende Wirtschaftssystem. Jede Stadt in der Spielwelt produziert ein Handelsgut (Getreide, Edelmetalle, Oliven usw.). Jede Ware sorgt für einen bestimmten Bonus in der Provinz, zu der diese Stadt gehört. Getreide erhöht etwa das Bevölkerungswachstum, während Holz die Voraussetzung dafür darstellt, überhaupt Schiffe bauen zu können. Haben Provinzen überschüssige Handelsgüter, steigen entweder die Provinzboni oder man kann die Güter exportieren, um zusätzlich Einnahmen zu erzielen.

Der Hauptstadtprovinz kommt dabei eine besondere Rolle zu: Hier bewirken überschüssige Handelsgüter landesweite Boni, die besonders mächtig sind. Eine Stadt erzeugt mehr Waren, wenn viele Sklaven-Pops dort arbeiten. Daher ist es wichtig, Sklaven zu konzentrieren, was allerdings erneut gefährlich werden kann, sollte es zu einem Aufstand kommen.

Zahlreiche Ereignisse bringen Abwechslung ins Spiel. Hier möchte einer unsere Generäle seine Soldaten besonders ehren. Die Gefahr ist, dass diese ihm dann leichter die Treue schwören. Zahlreiche Ereignisse bringen Abwechslung ins Spiel. Hier möchte einer unsere Generäle seine Soldaten besonders ehren. Die Gefahr ist, dass diese ihm dann leichter die Treue schwören.

So greifen beim Handelssystem die unterschiedlichen Spielsysteme auf beeindruckende Weise ineinander. Welche Bevölkerungsgruppen braucht man in welcher Provinz? Will man eher Geld verdienen, oder sind die Boni der Handelsgüter wichtiger? Welche Ressourcen benötige ich, um meine Truppen zu verbessern? Jede Entscheidung hat Vor- und Nachteile und sorgt für wohliges Kopfzerbrechen.

Die verpasste Chance

Also alles super beim Imperator: Rome? Nein, denn die anderen Aspekte des Spiels sind eher flach gehalten: Forschung, Religion und Diplomatie beschränken sich auf überschaubare Interaktionen. Oft wartet man auf die Ansammlung von Machtpunkten, um dann eine neue Erfindung freizuschalten oder um ein göttliches Omen zu erbitten. Hier ist man aus anderen Paradox-Titeln deutlich mehr Spieltiefe gewöhnt.

Das größte Manko von Imperator: Rome ist aber seine mangelnde Einsteigerfreundlichkeit. Paradox hat hier die Chance versäumt, Neueinsteigern den Zugang zum eigenen Spieleuniversum leichter zu machen. Zwar gibt es ein Tutorial, das mittels kleinteiliger Ziele ein paar grundlegende Spielkonzepte erklärt. Aber sehr viele der komplexeren Regeln werden überhaupt nicht angesprochen und auch in den vielen detaillierten Tooltips kaum erläutert. Das Tutorial taugt eher für Kenner, die in aller Kürze erfahren möchten, welche Paradox-typischen Spielelemente und Systeme sie erwarten können. Anfänger werden nur darauf hingewiesen, dass es Mechaniken gibt. Aber nicht, wie sie funktionieren.

Zwei Legionen bekommen das gleiche Marschziel, doch sie schlagen unterschiedliche Wege ein. Grund ist das oft intransparente System der Kontrollzonen von Festungen. Zwei Legionen bekommen das gleiche Marschziel, doch sie schlagen unterschiedliche Wege ein. Grund ist das oft intransparente System der Kontrollzonen von Festungen.

So wird nirgendwo erklärt, dass feindliche Festungen Kontrollzonen erzeugen, die die Bewegungsmöglichkeiten der eigenen Truppen stark einschränken. Kennt man die zu Grunde liegenden Bewegungsregeln nicht, kann durchaus die Totalvernichtung der eigenen isolierten Armee drohen - Frust ist da vorprogrammiert. Am Undurchsichtigsten ist die Berechnung der Kampfstärke der einzelnen Kohorten während einer Feldschlacht. Hier scheint ein Mathematik-Studium nötig zu sein, um die verwendeten Modifikatoren und Formeln verstehen zu können.

Mehr Komfort bitte

Für eingefleischte Paradox-Fans ist es besonders ärgerlich, dass sich so manch lieb gewonnenes Element nicht in Imperator: Rome wiederfindet. Schmerzlich vermisst haben wir die Möglichkeit, unseren - von der mäßig intelligenten KI kontrollierten - verbündeten Truppen Vorgaben für das militärische Vorgehen oder über Belagerungsziele zu machen. Und warum können wir die Nachrichteneinstellungen nicht mehr für wichtige und unwichtige Länder unterteilen? Ebenfalls auffällig ist der Mangel an Übersichten und Statistiken: Sehr wichtig ist etwa das Management der eigenen Provinzen, aber eine vollständige Provinz-Übersicht mit allen nötigen Zahlen sucht man vergeblich.

DLCs im Anmarsch

Paradox-Spiele haben einen ungewöhnlichen Produktionszyklus. Nach dem Release eines Spieles ist die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen, vielmehr wird der Titel viele Jahre lang erweitert und vertieft. Finanziert wird dies durch den Verkauf von regelmäßigen DLCs. Davon profitieren aber auch Spieler ohne DLCs, weil ein Teil der Verbesserungen und Veränderungen durch kostenfreie Updates erfolgt. Daher weicht in der Regel ein Paradox-Spiel mit allen DLCs fünf Jahre nach Release gravierend von der ursprünglichen Version ab. Diese DLC-Politik spaltet jedoch die Gemüter: Fans lieben es, andere verdammen es und potentielle Neukunden werden im Store von DLC-Gesamtkosten über 300 Euro abgeschreckt.

Die grundlegende Entscheidung beim Handel ist simpel: Eine Ressource und ihre spezifischen Boni erhalten, oder die Ware lieber zu Geld machen. Bei mehreren Dutzend möglichen Handelsrouten für Völker wie Karthago wird es aber schnell kompliziert. Die grundlegende Entscheidung beim Handel ist simpel: Eine Ressource und ihre spezifischen Boni erhalten, oder die Ware lieber zu Geld machen. Bei mehreren Dutzend möglichen Handelsrouten für Völker wie Karthago wird es aber schnell kompliziert.

Und so interessant der Handel sein kann, so unübersichtlich wird das Spiel für exportstarke Völker. Als Karthager ploppen beispielsweise im Minutentakt Handelsanfragen auf und wir möchten nicht jedes Mal das Handelsmenü studieren müssen, um zu sehen, welche Ressourcen wir aktuell lieber behalten. Ein anderes Mal liegen per Event zwei Städte wegen eines Disputs um Felder im Streit, wir soll schlichten und Grenzen ziehen. Da würden wir gerne kurz schauen, wo die Ortschaften überhaupt liegen und per Statistiken und geostrategischen Überlegungen abwägen, welche Stadt die Ländereien verwalten soll. Aber das Eventfenster bleibt bis zur Entscheidung immer im Vordergrund und legt sich über alle anderen Menüs. Diese kleinen, aber häufigen Nervereien kosten dem Strategiespiel unterm Strich die 80er-Wertung.

Nicht falsch verstehen: Imperator: Rome ist ein grundsolides Spiel mit gut funktionierenden Spielmechaniken, die ineinandergreifen und Spaß machen. Die Paradox-Formel funktioniert auch dieses Mal. Wer allerdings die anderen Titel der Entwickler kennt, wird die Innovation vermissen. Zwischen Best-of und Profillosigkeit liegt eben nur ein schmaler Grat. Mit Sicherheit wird Paradox Imperator: Rome in gewohnter Weise noch viele Jahre lang weiterentwickeln (siehe Kasten »DLCs im Anmarsch«). Daher ist es gut möglich, dass in drei oder fünf Jahren aus dem Basisspiel ein echtes Meisterwerk geworden ist, das an der 90er-Marke kratzen kann. Der Grundstein dafür ist zumindest gelegt.

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