Making Of: Anno 2070 - »Ist das euer Ernst?«

Die Ankündigung eines Zukunfts-ANNOs hat sowohl bei der Presse als auch bei den Spielern für großes Erstaunen gesorgt. Was hat die Macher zu dem radikalen Setting-Wechsel bewogen? Creative Director Dirk Riegert zeichnet nach, wie aus einer verrückten Idee ein neues Spiel wird.

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»Das ist kein Scherz, oder? Ihr meint das wirklich ernst.« Der Kollege von der Fachpresse, der gerade mit seinem spontanen Zwischenruf die beginnende Präsentation unterbrochen hat, starrt mit weit aufgerissenen Augen auf die ersten bewegten Bilder von rauchenden Ölraffinerien und massigen Staudämmen, die der Beamer an die Wand wirft. Endlich einmal echte Fassungslosigkeit!

Wir schreiben den 31. März 2011, und dies ist unsere dritte ANNO-2070-Präsentation des Tages. Die erste mit einem entgeisterten Journalisten. Die Fassungslosigkeit des Redakteurs nehme ich erfreut und entspannt zur Kenntnis. Es ist die extremste Form der Überraschung, die schon viele vor ihm befallen hatte, als sie zum ersten Mal hörten und sahen, was wir mit der ANNO-Serie vorhaben. In den letzten zweieinhalb Jahren wurden schon so viele Untersuchungen und Tests zum Setting-Wechsel durchgeführt, dass wir genau vorhersehen können, welche Reaktionen er hervorruft. Und wir wissen ebenso bereits, dass aus der anfänglichen Skepsis schnell echtes Interesse wird. Von den ersten Ideen zum Setting-Wechsel bis zur hochoffiziellen Pressevorführung war es ein langer Weg, den Ubisoft Blue Byte und Related Designs gemeinsam gegangen sind und den ich im Folgenden anhand einiger wichtiger Etappen skizzieren werde.

Report aus Making Games-Magazin
Dieser Artikel ist eine gekürzte Version eines Reports aus der Making-Games-Ausgabe 5/2011. Making Games ist das Branchen-Magazin des IDG-Verlags (GameStar/GamePro) und kann über den Online-Shop abonniert werden. Besuchen Sie auch die Webseite makinggames.de, das Onlineportal für Spieleentwickler und Brancheninteressierte.

Anno 2070 - Screenshots ansehen

117, 1620, 1800, 2106 oder 3006?

27.11.2008, Mainz, Related Designs

Im November 2008 sind die Arbeiten an Anno 1404noch in vollem Gange. Die eigentliche Produktionsphase des Spiels wurde mit dem Erreichen des sogenannten Alpha-Milestones erfolgreich abgeschlossen. Das gesamte Team ist Vollzeit in der Postproduktion damit beschäftigt, vorhandene Spielinhalte zu überarbeiten und aufeinander abzustimmen.

Der Autor Dirk Riegert ist Creative Director und Head of Game Design bei Related Designs. Der Autor Dirk Riegert ist Creative Director und Head of Game Design bei Related Designs.

Das gesamte Team? Nun, nicht ganz. Zwei einzelne Game Designer befassen sich neben diesen umfangreichen Feinarbeiten noch mit einem anderen Thema. Zusammen mit ANNO-Veteran Sebastian Bombera arbeite ich zusätzlich an ersten Ideen zum Nachfolger von ANNO 1404.

Es ist üblich und auch notwendig, dass in der Postproduktionsphase einer laufenden Spielentwicklung bereits grundlegende strategische Überlegungen zu Folgeprojekten angestellt werden. Anders ist der reibungslose Übergang eines großen Produktionsteams vom aktuellen Projekt zum nächsten einfach nicht zu bewerkstelligen.

Bereits im Vormonat hatte unser Partner Ubisoft Blue Byte das Ziel ausgegeben, mit dem fünften Teil von ANNO einen größeren Entwicklungsschritt zu vollziehen, als es bei den Vorgängern der Fall war. Die altgediente Spieleserie sollte frisches Blut zugeführt bekommen. Hierzu sollten denkbare Vorschläge zu neuen Settings ausgearbeitet und vorgestellt werden. Doch in welche Zeitperiode sollte sich ANNO begeben? Welche Lösung wäre gleichermaßen der Tradition der Serie angemessen und dennoch unerwartet? Es oblag Sebastian und mir, sich über diese Fragen die Köpfe zu zerbrechen und konkrete Vorschläge zu machen.

Das SciFi-Rad bildet alle Sub-Genres ab. Die inhaltlichen Schwerpunkte für den fünften ANNO-Teil sind grün markiert. Das SciFi-Rad bildet alle Sub-Genres ab. Die inhaltlichen Schwerpunkte für den fünften ANNO-Teil sind grün markiert.

Als am Donnerstagvormittag des 27.11.2008 eine Delegation von Ubisoft Blue Byte in unseren Büroräumen erscheint, haben wir eine Präsentation vorbereitet, die unsere bisherigen Überlegungen zur Frage des Settings von »ANNO 5«, so der Arbeitstitel, zusammenfasst. Wir haben alle möglichen und auch unmöglichen Epochen ins Visier genommen und uns eingehend mit naheliegenden (z.B. ANNO 1305), aber auch obskuren (z.B. ANNO Wikinger) Optionen beschäftigt. Übrig geblieben sind die fünf Setting-Entwürfe ANNO 117, ANNO 1620, ANNO 1800, ANNO 2160 und ANNO 3006.

Zu ANNO 2160 notierten wir als internen Vermerk »eventuell zu abgefahren«. Dennoch wollten wir das Setting vorstellen, weil es uns zahlreiche interessante Möglichkeiten eröffnete, was den Look und das Design des Spiels anging. Die Ausgangsidee kam uns nach dem Betrachten des Films »Deep Blue« und der Lektüre eines Artikels zur zukünftigen wirtschaftlichen Nutzung der Tiefsee. Was wäre, wenn man im fünften ANNO die Welt der Zukunft nicht nur auf Inseln über Wasser, sondern auch auf Tiefseeplateaus erbauen könnte? Diese Grundidee faszinierte uns.

Zu unserem freudigen Erstaunen ist 2160 dann auch der Vorschlag, der unseren Partner während der Präsentation der fünf ausgewählten Settings am stärksten elektrisiert. Zwar sollen zunächst mit ANNO 117 und ANNO 1800 zu sätzlich zwei weitere Settings in Betracht gezogen werden, doch schnell ist allen klar, dass der Fokus für den Research des fünften Teils der Serie auf ANNO 2160 liegt.

Es ist offensichtlich, dass eine Entscheidung für einen so radikalen Setting-Wechsel zahlreiche Chancen und Risiken bedeuten würde. Die Aufgabe der nächsten Zeit besteht deshalb vor allem darin, diese Punkte zu identifizieren und zu bewerten. Wie kann man die Chancen bestmöglich nutzen, wie die Risiken vermeiden? Wir beschließen, diesen Fragen mittels ausführlichen Researchs nachzugehen und dazu gemeinsam alle uns zur Verfügung stehenden Mittel und Wege zu nutzen.

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