US-Verbot von Pay2Win & Lootboxen rückt in greifbare Nähe

US-Senatoren beider Parteien nehmen Pay2Win und Lootboxen mit einem neuen Gesetzesentwurf ins Visier. Die Branche reagiert besorgt.

Die Debatte um ein mögliches Verbot von Lootboxen dauert bereits Jahre an. Die Debatte um ein mögliches Verbot von Lootboxen dauert bereits Jahre an.

Ein US-Verbot von Pay2Win und Lootboxen in Videospielen rückt langsam in greifbare Nähe: Der republikanische Senator Josh Hawley hat vor Kurzem einen neuen Gesetzesentwurf zum Verbot von entsprechenden Mikrotransaktionen und Ingame-Verkäufen eingereicht, vor allem wenn die betroffenen Spiele für Minderjährige zugänglich sind.

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Das Besondere an der Sache: Einige US-Demokraten unterstützen den republikanischen Antrag - und dass im US-Senat Einigkeit zwischen den beiden Parteien herrscht, kommt nur sehr selten vor. Bislang haben zwar nur die beiden demokratischen Senatoren Ed Markey und Richard Blumenthal offen ihre Zustimmung für den Vorstoß signalisiert, aber ein Grundkonsens besteht ganz offensichtlich.

Was will der Gesetzesentwurf konkret verbieten? Das Gesetz »zum Schutz von Kindern vor missbräuchlichen Spielen« (im Original »The Protecting Children from Abusive Games Act«) sieht ein striktes Verbot von Pay2Win-Mikrotransaktionen und dem Verkauf von Lootboxen in Spielen für Minderjährige vor. Und nicht nur das, auch die Veröffentlichung und der Verkauf eines Spiels mit Pay2Win-Mechaniken oder Lootboxen würde illegal, sofern dem Publisher Kenntnis davon hat, dass Spieler jünger als 18 Jahre alt sein könnten.

Das Gesetz richtet sich demnach vor allem an Publisher und Vertriebsplattformen wie zum Beispiel Steam oder den Epic Store. Der Entwurf enthält außerdem einige Definitionen von wichtigen Begriffen, die klar machen sollen, welche Spiele von dem Verbot betroffen und welche Mechaniken weiterhin erlaubt wären.

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Skin-Shops wie hier in Fortnite wären weiterhin erlaubt. Skin-Shops wie hier in Fortnite wären weiterhin erlaubt.

Kosmetische Items dürften dennoch verkauft werden

Was wäre verboten und was nicht? Fangen wir lieber mit den weiterhin legalen Dingen an, denn die sind präziser definiert. Der Plan von Senator Hawley sieht drei ausdrückliche Ausnahmen vor, die auch trotz des Gesetzes erlaubt sein sollten:

  • Schwierigkeitsmodi: Demnach wäre es für Spielehersteller offenbar legal, DLCs mit optionalen New-Game-Plus-Varianten oder härteren Schwierigkeitsgraden zu verkaufen.
  • Kosmetische Anpassungen: Witzige Emojis in Fortnite, neue Outfits für Operator in Rainbow Six: Siege oder Waffen-Skins in Counter-Strike: Global Offensive dürften weiterhin verkauft werden, sofern sie eindeutig keinen spielerischen Vorteil bieten.
  • Zusätzliche Spielinhalte: Erweiterungen, Addons und DLCs, die dem Spiel einfach mehr Umfang verleihen, wären ebenfalls kein Problem.

Die Definition von Pay2Win

Der Gesetzesentwurf enthält umfassende Erklärungen, was genau unter den Begriffen zu verstehen ist. Trotz ihrer Ausführlichkeit lassen sie aber immer noch einen gewissen Interpretationsraum. Pay2Win-Mikrotransaktionen werden in dem Gesetz wie folgt beschrieben:

"Eine Transaktion in einem interaktiven, digitalen Unterhaltungsprodukt, die den Fortschritt des Spielers durch Inhalte erleichtert, die man ansonsten auch im Spiel erhalten könnte, ohne diese Transaktion tätigen zu müssen. "

Und nicht nur der Spielfortschritt wird in der Definition genannt. Auch wenn man per Transaktion schneller irgendwelche Erfolge erreicht, spielbezogene Auszeichnungen erhält, erneuten Zugriff auf Inhalte bekommt, die nach dem Ablauf eines Timers oder einer bestimmten Anzahl an Versuchen unzugänglich wurden, oder wenn man sich in kompetitiven Spielen Vorteile erkauft, die andere Spieler nicht haben, wenn sie nicht bezahlen, dann spricht der Entwurf von »unfairen Käufen«. In Kurzform: Wann immer man sich per Geld Vorteile erwirbt, die man auch durch das bloße Spielen freischalten könnte, dann ist es Pay2Win.

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Die Definition von Lootboxen

Auch für den Begriff der Lootbox hält der Gesetzesentwurf eine Definition bereit, und die lautet folgendermaßen:

"Lootboxen sind zusätzliche Transaktionen, die auf eine komplett oder auch nur teilweise zufällige Art und Weise ein Feature des Produkts freischalten; die zum Entertainment-Wert des Produkts beitragen oder ihn verstärken; oder die es dem Spieler erlauben, eine oder mehrere zusätzliche Transaktionen auszuführen, die er nur deshalb ausführen kann, weil er die erste Transaktion getätigt hat; und der Inhalt muss dem Spieler unbekannt sein, bis er die erste Transaktion getätigt hat."

Was juristisch ausgedrückt sehr kompliziert klingt, lässt sich also etwa so zusammenfassen: In einer Lootbox kauft man sich zufällige und vorher unbekannte Inhalte, die den Spielspaß steigern.

Spiele wie FIFA, Destiny 2, Apex Legends und auch League of Legends würden nach diesen Definitionen aktuell gegen das Gesetz verstoßen und müssten Strafen zahlen. Denn in FIFA lassen sich im Ultimate-Team-Modus neue Kartenpakete mit zufälligen Inhalten kaufen, in Destiny 2 gibt es XP-Booster, und sowohl in Apex Legends als auch in LoL lassen sich neue Helden per Griff ins Portemonnaie schneller erwerben.

Gleichzeitig kann man all dies aber auch ohne den Einsatz von Echtgeld schaffen. Notfalls muss aber sicherlich jedes Spiel einzeln betrachtet werden, ob es nun in die Pay2Win-Kategorie des Gesetzestextes fällt oder nicht.

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Die FIFA Points aus dem Ultimate-TEam-Modus sind nur gegen Echtgeld erhältlich. Wer nicht zahlen will, kann aber auch die FIFA Coins im Spiel selbst sammeln. Damit wären die Points nach dem neuen Gesetz illegal. Die FIFA Points aus dem Ultimate-TEam-Modus sind nur gegen Echtgeld erhältlich. Wer nicht zahlen will, kann aber auch die FIFA Coins im Spiel selbst sammeln. Damit wären die Points nach dem neuen Gesetz illegal.

Senator Hawley schreckt es jedenfalls keineswegs ab, große Publisher wie Electronic Arts gegen sich aufzubringen. In einem Interview mit Kotaku erklärt er, dass er es sogar als Bestätigung sieht, wenn er aus der Industrie Gegenwind erhält:

"FIFA wäre tatsächlich von diesem Gesetz betroffen. Sie haben sicherlich bereits ihre, nennen wir es mal, Sorgen bezüglich des Gesetzes ausgedrückt. Aber ich denke, das ist ein Indikator dafür, dass wir irgendwas erreichen."

»Das schadet den Spielern«

Der US-amerikanische Spielebranchen-Verband ESA (Entertainment Software Association) zeigt sich ebenfalls wenig erfreut über den Gesetzesentwurf. Gegenüber Polygon erklärte Stanley Pierre-Louis, der CEO der ESA, dass es auch die Spieler schwer treffen würde, wenn dieser Antrag irgendwann zu einem wirksamen Gesetz würde:

"Dieses Gesetz ist voller Fehler und Ungenauigkeiten. Es spiegelt nicht wider, wie Videospiele funktionieren, und wie unsere Industrie danach strebt, unseren Spielern innovative und spannende Unterhaltung zu liefern. Der Einfluss dieses Gesetzes wäre weitreichend und würde letzten Endes der Erfahrung der Spieler schaden, ganz zu schweigen von den mehr als 220.000 Amerikanern, die in der Videospielindustrie angestellt sind."

Die ESA möchte deswegen mit den Senatoren diskutieren und statt einfach alles zu verbieten, lieber verstärkt auf Werkzeuge hinweisen, mit denen Eltern ihre Kinder vor gefährlichen Mechanismen in Spielen schützen können.

Beschlossen ist das Gesetz ohnehin noch lange nicht, es handelt sich bei dem 18 Seiten langen Schreiben erstmal nur um einen Entwurf. Allzu bald müssen wir also noch nicht mit einem US-Verbot von Lootboxen und Pay2Win rechnen.

Aber wenn sich Demokraten und Republikaner im US-Senat schon einmal bei einem Thema einig sind, dann muss sich die betroffene Industrie gegebenenfalls auf einschneidende Änderungen gefasst machen, die sich letztlich auch auf den europäischen Markt auswirken würden.

Die Zukunft von Lootboxen - Video: Machen Publisher wirklich kehrt? Video starten 19:31 Die Zukunft von Lootboxen - Video: Machen Publisher wirklich kehrt?

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