Sexismus-Skandal bei Blizzard: Warum Entschuldigungen wichtig sind, aber längst nicht mehr reichen

Die erschütternden Vorfälle beim WoW-Entwickler zeigen für Heiko, dass die Games-Branche endlich Verantwortung übernehmen und sich ändern muss. Das gilt für Blizzard genauso wie für GameStar.

Vor ein paar Jahren habe ich mit meiner Chefredaktions-Kollegin Rae Grimm darüber diskutiert, warum sich bei GameStar im Verhältnis deutlich weniger Frauen bewerben als bei GamePro. Ihre sinngemäße Analyse: »Naja, der Chef ist ein Mann, bei euch arbeiten fast ausschließlich Männer, ihr habt mehrere Jahre die ›heißestes Gaming-Babes‹ in Bildergalerien und auf Kalendern präsentiert und unter euren Artikeln gibt's immer wieder sexistische Kommentare. Ganz ehrlich: Ich hätte mich auch nicht bei euch beworben.«

Warum ich euch diese Anekdote erzähle? Weil ich im Zuge der aktuellen Blizzard-Enthüllungen wieder sehr intensiv darüber nachdenken musste, was Rae mir damals gesagt hat.

Der Autor

Chefredakteur Heiko Klinge arbeitet seit November 2000 bei GameStar und hat bereits als Trainee regelmäßig die Klappe aufgerissen - mal mehr, mal wenig erfolgreich. Anfang der 2000er wurde er sogar vom deutschen IDG-Geschäftsführer für eine fast einstündige Diskussion ins Büro zitiert, nachdem er sich mit einer Mail über eine Klingelton- und Pornobilder-Heftbeilage beschwerte. Dieses ehrliche Interesse an den Sorgen und Nöten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat ihn seinerzeit tief beeindruckt und geprägt. Dennoch fragt er sich heute, ob er nicht auch bei anderen Dingen hätte lauter sein können oder gar müssen.

Blizzards Verantwortung

Was ist passiert: Das »California Department of Fair Employment and Housing« hat am 22. Juli nach zweijährigen Ermittlungen Klage gegen Activision Blizzard eingereicht, weil Blizzard die Bürgerrechte und das Recht der weiblichen Angestellten auf gleiche Bezahlung verletze.

Seitdem haben sich in den sozialen Medien Dutzende ehemalige und aktuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Blizzard mit teils erschütternden Erlebnissen zu Wort gemeldet (Übersicht auf reddit), aber auch einige prominente (Ex-)Führungskräfte von Blizzard, darunter der Gründer Mike Morhaime oder der langjährige Kreativchef Chris Metzen.

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Sowohl Morhaime als auch Metzen bitten in ihren Statements um Entschuldigung und übernehmen dort Verantwortung für die Geschehnisse, suggerieren aber auch, dass sie von all diesen Vorwürfen nur wenig mitbekommen haben wollen. Er sei dafür nicht »präsent genug« gewesen, sagt etwa Metzen.

Ja, aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man in verantwortlicher Position nicht immer direkt erfährt, wenn etwas gewaltig schiefläuft, insbesondere bei solch sensiblen Themen. Entscheidend ist für mich aber, dass man als Führungskraft hinterfragt, warum etwas nicht kommuniziert wurde. Und vor allem, was man selbst unternehmen kann, damit sich das in Zukunft ändert.

Im übrigen auch aus unternehmerischer Verantwortung – je wohler sich ein Team fühlt, desto motivierter und erfolgreicher wird es arbeiten, gerade in kreativen Berufen. Und es ist ja nicht so, als könne sich Blizzard nach wie vor alles erlauben:

Diablo 4 und Resurrected sind Blizzards letzte Chance Video starten 13:10 Diablo 4 und Resurrected sind Blizzards letzte Chance

Deshalb finde ich persönlich, dass es sich Mike Morhaime und Chris Metzen hier etwas zu einfach machen. Sie waren 28 beziehungsweise 23 Jahre lang in verantwortlicher Position für Blizzard tätig, und in dieser Zeit haben sich zu viele Personen von ihnen im Stich gelassen gefühlt. Das ist eine Wahrheit, der sie ins Auge blicken müssen und bei der sie in der Verantwortung stehen, es in Zukunft besser zu machen.

GameStars Verantwortung

Aber es ist auch immer verflucht leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Denn zur Wahrheit gehört genauso, dass sich eine fantastische Spiele-Journalistin wie Rae nicht bei GameStar bewerben wollte. Dass es Inhalte bei GameStar gab, für die ich mich heute schäme, es aber damals nicht getan habe. Dass wir bis auf Petra fast 20 Jahre lang eine männlich dominierte Redaktion waren.

Um noch einmal unseren GameStar Kodex zu zitieren:

"Wir schreiben Artikel und produzieren Videos für alle, die Spiele genauso lieben wie wir."

Alle! Unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Hautfarbe! Und es ist mein und unser verdammter Job, dafür zu sorgen, dass dies nicht nur Worte sind, sondern jeden Tag gelebt wird - egal ob im Team oder auf unseren Plattformen.

In den vergangenen Jahren haben wir diesbezüglich schon einiges erreicht. Dank toller Kolleginnen wie Elena, Mary, Natalie, Tasha, Géraldine, Laila, Natascha, Steffi und natürlich nach wie vor Petra haben wir inzwischen eine diverser aufgestellte Redaktion, was sowohl für unsere Inhalte als auch für unser Team eine wichtige Bereicherung ist.

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Wir positionieren uns regelmäßig gegen Hass und Diskriminierung im Netz und in Spielen, ein ebenso großartiges wie engagiertes Moderationsteam hilft uns, auch auf unseren eigenen Plattformen einen offenen, freundschaftlichen und respektvollen Umgang zu gewährleisten.

Bitte um Mithilfe

Wir wachen über unsere Artikelkommentare, können aber nicht überall sein. Daher bitten wir um Mithilfe: Wer über unangebrachte Kommentare stolpert, sich persönlich angegriffen fühlt oder Trolle melden will, kann direkt auf »Spam« klicken oder auf dem Profil des betreffenden Users von der Funktion »Userprofil melden« rechts unter dem Steckbrief Gebrauch machen. Wir prüfen jede einzelne Beschwerde und entscheiden über eine Verwarnung, eine Sperre oder andere Maßnahmen. Der Missbrauch der Funktion wird ebenfalls geahndet.

All das sorgt dafür, dass sich immer mehr Frauen bei uns willkommen fühlen - egal ob bei Bewerbungen, im Team oder auf der Website. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel und müssen nach wie vor besser werden.

Unsere Konsequenzen und unsere Haltung

Ganz konkret werden wir ab sofort bei sämtlichen Testartikeln einen Informationskasten einbauen, sollte es Berichte über problematische Ereignisse im Zuge der Entwicklung geben wie Crunch oder Diskriminierung. Wir wissen, dass dies inzwischen für viele von euch relevante Informationen für eine Kaufentscheidung sind.

Allerdings verzichten wir nach wie vor auf Abwertungen oder gar einen Boykott. Denn darunter würden auch diejenigen leiden, die von solchen Vorfällen betroffen sind. Wenn ein Spiel floppt, leiden in den seltensten Fällen die Führungskräfte darunter, sondern vor allem diejenigen am anderen Ende der Nahrungskette.

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Außerdem werden wir uns noch stärker bemühen, mehr Aufmerksamkeit für Frauen in der Games-Branche zu schaffen - egal ob mit Reports, Interviews oder dem Vorstellen ihrer Spiele. Falls ihr uns eure Geschichte erzählen wollt, schreibt uns bitte an [email protected].

Und an alle, die damit ein Problem haben: Bitte sucht euch eine andere Website.

Wer Empathie und gegenseitige Rücksichtnahme ablehnt und es nicht nachvollziehen kann, dass wir bei uns alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Sexualität oder Hautfarbe willkommen heißen wollen, der beweist damit keinen Mut zur (vermeintlichen) Wahrheit, sondern schlicht eine schlechte Erziehung.

Denn wie wir bereits vor fünf Jahren in unserer Kolumne gegen Hasskommentare geschrieben haben:

Gemeinsam. So wollen wir spielen. Und so wollen wir leben.

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