Through the Darkest of Times im Test: Nicht perfekt, aber wichtig

Das Rundenstrategiespiel im Dritten Reich verlangt unbequeme Entscheidungen und konfrontiert uns mit der Banalität des Bösen. Kann man den unmenschlichen Terror der Nazis tatsächlich spielbar machen?

Muss ein bedrückendes Spiel wie Through The Darkest of Times Spaß machen, um gut zu sein? Wir verraten es in unserem Test. Muss ein bedrückendes Spiel wie Through The Darkest of Times Spaß machen, um gut zu sein? Wir verraten es in unserem Test.

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Ob die Studenten der Weißen Rose, die Edelweißpiraten oder Kardinal von Galen: Der Widerstand gegen das Dritte Reich war zwar kein flächendeckender, hatte aber viele Gesichter. Außerdem durchzog er nahezu sämtliche Schichten der Zivilgesellschaft in unterschiedlichem Ausmaß. Kommunisten, Arbeiter, Christen, sogar Nationalkonservative stellten sich in Teilen gegen das Terrorregime unter Hitler und boten den Nazis vereinzelt die Stirn.

Genau dieser zivile Widerstand ist das Thema von Through the Darkest of Times. In einer Mischung aus Rundenstrategie und Visual Novel müssen wir als Widerständler mit Ressourcen haushalten, unentdeckt bleiben und Aktionen zu Destabilisierung des Regimes durchführen. Außerdem erleben wir, wie vermeintlich kleine Entscheidungen große Auswirkungen haben können.

Das zeigt sich vor allem an den vielen aus der damaligen Lebensrealität gegriffenen Ereignissen, die sich in den vier Kapiteln von der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 bis zur Kapitulation Deutschlands 1945 abspielen. Bereits in den ersten Spielminuten werden wir beispielsweise Zeuge, wie ein älterer Jude von einer Gruppe SA-Männer verprügelt wird. In einem Multiple-Choice-Dialog müssen wir entscheiden, wie wir uns verhalten.

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Wer GameStar als Plus-User unterstützt, der bekommt diesen Monat Through the Darkest of Times von uns und unserem Partner Gamesplanet geschenkt. Das eindrückliche Spiel um den Aufbau einer Widerstandsgruppe im Nazi-Deutschland der Jahre 1933 bis 1945 gibt's diesen Monat kostenlos bei GameStar Plus. Euren Key könnt ihr euch als Abonnent von GameStar Plus bis 23:59 Uhr am 31.10. hier abholen:

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Warum Through the Darkest of Time ein wichtiges Spiel ist und welche Botschaft euch die Entwickler damit zu vermitteln versuchen, lest ihr in unserem Test aus dem Jahr 2020, den wir angesichts der Gratis-Aktion noch einmal neu veröffentlicht haben.

Historisch korrekte Ereignisse wie die Täuschungsmanöver der Nazis zu den Olympischen Spielen 1936 haben es auch ins Spiel geschafft. Historisch korrekte Ereignisse wie die Täuschungsmanöver der Nazis zu den Olympischen Spielen 1936 haben es auch ins Spiel geschafft.

Gehen wir dazwischen? Versuchen wir zu diskutieren? Oder schauen wir weg? Bereits diese kleine Entscheidung sorgt bei uns als Spieler vor dem Monitor für Unbehagen. Denn sie führt zwangsweise dazu, dass man seine eigenen Aktionen und wie viel Zivilcourage man selbst aufbringen würde hinterfragt.

Ob wir gegen Kriegsende versuchen, zum Volkssturm eingezogene Kinder zu entwaffnen, oder einer aus dem KZ geflüchteten Jüdin dabei helfen, ihren Bruder zu finden: Die Visual-Novel-Passagen - die ungefähr ein Drittel des Spiels ausmachen - sind nicht zuletzt durch den hervorragenden Einsatz von Soundeffekten und »entarteter Musik« packend inszeniert und regen auch zum Nachdenken an, wenn der PC schon lange aus ist.

Ein Hoch auf den Zusammenhalt

Etwas abstrakter geht es auf dem spartanischen Hauptbildschirm zu, einer stilisierten Übersichtskarte von Berlin. Hier dürfen wir nach der Erstellung unseres Charakters und der Rekrutierung der ersten beiden Widerständler ähnlich wie in einem Brettspiel jeder Spielfigur eine Aktion zuteilen. Pro Kapitel haben wir etwa 20 Runden zur Verfügung, entsprechend viel Raum nimmt das Planen und Durchführen also ein.

Der Charaktereditor lässt uns Aussehen und Gesinnung des Kopfes unserer Widerstandszelle bestimmen. Der Charaktereditor lässt uns Aussehen und Gesinnung des Kopfes unserer Widerstandszelle bestimmen.

Die wichtigsten Unternehmungen wiederholen sich zwar schnell, sind aber elementar. Das Sammeln von Spenden ermöglicht beispielsweise den Kauf von Papier für Flugblätter oder den Erwerb von Informationen. Durch das Sprechen mit diversen Gruppierungen erhöhen wir wiederum die Zahl der Unterstützer unserer Widerstandszelle.

Die Menge an Gleichgesinnten bestimmt zusammen mit der Gesamtmoral das Fortbestehen der Gruppe. Die Moral sinkt jedoch in jeder Runde und kann nur durch erfolgreiche Aktionen gesteigert werden. Und nur, wenn wir am Ende jedes der vier Kapitel genug Unterstützung gesammelt und Hoffnung für die Zukunft haben, bleibt der Widerstand zusammen.

Die Verwendung von Hakenkreuzen im Spiel

Die Abbildung von verfassungsfeindlichen Symbolen ist nach §86 und 86 a des Strafgesetzbuchs strafbar. In den jeweils dritten Absätzen findet sich allerdings die Sozialadäquanzklausel, die die Verwendung laut der Bundeszentrale für politische Bildung in den »Bereichen der Wissenschaft und Lehre, der Kunst oder der staatsbürgerlichen Aufklärung« erlaubt. Filme, Romane und andere Medien fielen bislang unter diese Klausel, Videospiele nicht. Das änderte sich im Jahr 2018, als die USK die Einführung einer Einzelfallprüfung beschloss; nach dem Doku-Adventure Attentat 1942 und Wolfenstein 2: The New Colossus ist Through the Darkest of Times jetzt das erste deutsche Spiel, das die Sondererlaubnis zur Darstellung von Hakenkreuzen erhalten hat. Diese Erlaubnis gilt allerdings nicht automatisch auch für die Berichterstattung über das Spiel, weshalb wir hier auf entsprechende Bilder verzichten. Noch mehr zu den Hintergründen von Hakenkreuzen in Videopsielen, erfahrt ihr in diesem Video:

Hakenkreuz-Verbot gekippt - Die Hintergründe und Auswirkungen der USK-Entscheidung (Video) Video starten 20:49 Hakenkreuz-Verbot gekippt - Die Hintergründe und Auswirkungen der USK-Entscheidung (Video)

Schritt für Schritt zum Erfolg

Durch Unternehmungen wie das Ausspionieren einer Wehrmachtsbaracke werden weitere mögliche Aktionen wie das Stehlen einer Uniform freigeschaltet. Diese wiederum benötigen wir zum Beispiel, um Verfolgte über die Grenze zu schmuggeln. Das daraus resultierende Netz an Möglichkeiten zeigt sehr gut, wie bedeutend die kleinen Schritte für den Widerstand sind. Besonders wichtig: Manche Aktionen sind nur für eine bestimmte Anzahl Wochen verfügbar - ein weiteres Plus, das den Zeitdruck und die Dringlichkeit unterstreicht.

Wie erfolgreich unsere Aktivitäten letztlich sind, hängt von vielen Faktoren ab und ist im Vorfeld nicht wirklich ersichtlich. Neben dem Zufallsgenerator bestimmen auch persönliche Merkmale der beteiligten Widerstandskämpferinnen den Ausgang. So ist es beispielsweise für einen überzeugten Kommunisten einfacher, Arbeiter als Unterstützer zu gewinnen. Passen dann noch die Werte bei den geforderten Attributen wie beispielsweise Geheimhaltung oder Empathie, ist die Erfolgschance hoch.

Doch selbst dann kann es zu Zwischenfällen wie dem Auftauchen einer Polizeistreife kommen. Dann müssen wir entscheiden, ob wir fliehen, uns verstecken oder den Auftrag durchziehen wollen. Hier belohnt das Spiel umsichtiges Taktieren. Denn selbst wenn uns beispielsweise ein Augenzeuge sieht, während wir uns verstecken, geschieht dem Mitglied des Widerstands nichts - außer, dass er oder sie ins Visier des Regimes kommt. Das allerdings lässt sich schnell durch die Untertauchen-Aktion beheben, die nicht nur einen Moralbonus bringt, sondern auch das »Fahndungslevel« der Figur verringert.

Das Kernstück des Strategieteils ist die Durchführung unterschiedlichster Aktionen. Erfolgs- und Entdeckungschancen werden durch die Attribute und Merkmale der teilnehmenden Charaktere bestimmt. Das Kernstück des Strategieteils ist die Durchführung unterschiedlichster Aktionen. Erfolgs- und Entdeckungschancen werden durch die Attribute und Merkmale der teilnehmenden Charaktere bestimmt.

Der Widerstand bekommt ein Gesicht

Die Charaktere in Through the Darkest of Times sind allerdings nicht bloße Erfüllungsgehilfen, sondern haben durchaus eigene Persönlichkeiten, entsprechend ihrer Gesinnung und ihres Berufs. Die Schicksale der einzelnen Figuren werden zwischen den Runden ausformuliert - was für Reibung sorgen kann.

So kann es passieren, dass sich der konservative Lehrer mit dem kommunistischen Schweißer über eine Grundsatzfrage in die Haare bekommt und es an uns ist, in einem Multiple-Choice-Dialog zu schlichten oder einer Seite beizupflichten. Das verleiht dem Spiel mit überschaubaren Mitteln eine enorme Tiefe. Zudem veranschaulicht es, dass es im Angesicht des personifizierten Bösen, das nicht nur als plakative Zielscheibe oder abstrakter Gegner inszeniert wird, auf Zusammenhalt ankommt.

Die Visual-Novel-Sequenzen zeigen sowohl den eindrucksvollen, kontrastreichen Grafikstil wie auch die Problematik, sich im Angesicht des Terrors immer wieder neu entscheiden zu müssen. Die Visual-Novel-Sequenzen zeigen sowohl den eindrucksvollen, kontrastreichen Grafikstil wie auch die Problematik, sich im Angesicht des Terrors immer wieder neu entscheiden zu müssen.

In diesen Zwischenpassagen zeigt sich ähnlich wie in den Visual-Novel-Sequenzen allerdings auch eine der größten Angriffsflächen des Spiels: die Grafik. Zumindest auf den ersten Blick. Denn zeitgemäß oder besonders hübsch anzusehen ist die nicht. Braun, grau und schwarz dominieren bei vereinzelten roten Akzenten. Wenn die Charaktere animiert sind, dann nur rudimentär, der Zeichenstil ist obendrein sicherlich Geschmackssache.

Allerdings gehört das zum Gesamtkonzept des Spiels. Die Darstellung ist an den Expressionismus von Otto Dix und Käthe Kollwitz angelehnt - an die Künstler also, die von den Nazis als »entartet« bezeichnet wurden. Deswegen passt das zusammen mit den extra für das Spiel eingespielten Jazz-Stücken ideal zur Grundidee hinter Through the Darkest of Times: Dem Widerstand mit allen Mitteln der Kunst.

Die Banalität des Bösen

Der Begriff »Banalität des Bösen« stammt aus dem Titel eines Buchs der Autorin Hannah Arendt über den Prozess gegen den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, der 1961 in Jerusalem stattfand. Darin stellt sie dar, dass Eichmann laut eigener Aussage keine antisemitische Einstellung pflegte, sondern lediglich Karriere machen und Befehlen folgen wollte. Demgegenüber stellt Arendt fest, dass auch in totalitären Regimes Widerstand aus moralischen Gründen möglich ist - eine der Grundlagen für die Idee hinter Through the Darkest of Times.

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