Von wegen keine Story in Fallout 76 - Man muss nur gut zuhören! Und das könnte schwierig werden.

Die Beta von Fallout 76 offenbart bereits eindrucksvoll, warum Audiologs als Story-Telling-Tool Fluch und Segen sind. Denn im Spiel vereinen sie beide Seiten.

Fallout 76 wirft euch in eine menschenleere Welt und verzichtet auf NPCs. Fallout 76 wirft euch in eine menschenleere Welt und verzichtet auf NPCs.

Geschichten werden in Spielen ganz unterschiedlich erzählt. Ein Metal Gear Solid 4 verlässt sich zum Beispiel fast komplett auf Zwischensequenzen, Rollenspiele wie The Witcher 3 bieten mehrere Stunden an Gesprächen, in Minecraft schreibt ihr die Story im Prinzip komplett selbst - und dann gibt es sogenanntes »Environmental Storytelling«. Also das Erzählen von Geschichten durch die Umgebung, in der ihr euch bewegt. Gone Home ist hierfür ein Paradebeispiel. Und auch die Bethesda Studios beherrschen dieses Handwerk ziemlich, ziemlich gut.

Vielleicht liegt's also am zurecht erworbenen Selbstvertrauen von Bethesda, dass Fallout 76 dieses Environmental Storytelling noch einen ganz gehörigen Schritt weiter treibt als vergangene Fallouts und Elder Scrolls. Wo früher Geschichten zwar auch durch Umgebungen, aber ebenso durch Dialoge mit Einwohnern der Spielwelt an uns Spieler gebracht wurden, verzichtet das Multiplayer-Fallout nahezu komplett auf NPCs.

Stattdessen findet man in Appalachia haufenweise Audiologs, Notizen, Aufzeichnungen und Überbleibsel von wichtigen Story-Personen, die zum Zeitpunkt der Handlung aber allesamt tot sind. Diese spezielle Erzählweise beschert uns schon in der PC-Beta unheimlich stimmungsvolle Augenblicke, doch ironischerweise sorgt gerade die Multiplayer-Natur von Fallout 76 dafür, dass diese Audiologs bei vielen Spielern am Ziel vorbeischießen dürften.

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Die tolle Seite von Audiologs

Wir sparen uns jetzt Jokes über Audiokassetten und Seite A und B, aber trotzdem teilen wir hier das Dilemma mal in zwei Abschnitte und beginnen mit der Schokoladenseite: Dass in Fallout 76 bereits zu Spielbeginn jeder den Löffel abgegeben hat, ist super! Also für uns zumindest. Denn im postapokalyptischen Ödland besteht ja gerade der Reiz darin, für sich zu entdecken, wie und warum die Welt vor die Hunde gegangen ist. Und was die Menschen in den Extremsituationen dagegen unternommen haben.

Fallout 76 Preview - Gameplay-Fazit nach drei Stunden Anspielen Video starten 5:00 Fallout 76 Preview - Gameplay-Fazit nach drei Stunden Anspielen

Die toten NPCs von Fallout 76 haben ihre Geschichten festgehalten - und dieses Puzzle an Ereignissen setzt sich Audiolog für Audiolog zusammen. Am Ende steckt im Pip-Boy ein richtiges Radiodrama. Nur rollt sich diese Tragödie häufig vom Ende her auf: Wir stoßen auf den Leichnam eines Priesters, schauen uns an, wie er gelebt hat, sammeln Informationen. Und erfahren dann Stück für Stück, was mit ihm passiert ist, wie er sich für die Überlebenden einsetzte und wie optimistisch seine Haltung gegenüber dem Untergang der Welt eigentlich begann.

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Generell spielt Fallout 76 wunderbar mit der Zeit. Wir stoßen auf das Tape eines 13-jährigen Jungen namens Colonel, der schluchzend den Verlust seiner Eltern betrauert und nur dank der sogenannten Responder (einer zivilen Hilfstruppe) überlebt hat. An anderer Stelle finden wir eine weitere Aufnahme, in der Colonel 10 Jahre später selbst zu den Respondern gehört. Und in den Computer-Terminals der Spielwelt entdecken wir weitere Infos über seinen Verbleib.

Wer sich auf die Charaktere einlässt, folgt einer spannenden Schnitzeljagd, bei der sich jeder Schritt nach unserem ganz persönlichen Entdeckungserfolg anfühlt. Die Toten von Fallout 76 erwachen mit zunehmender Spielzeit immer mehr zum Leben, erzählen immer ausführlicher von ihren Freuden, Ängsten, ihren Siegen und Niederlagen. Wie gesagt: Diese Art Storytelling gab es schon in früheren Fallout-Spielen. Aber nicht so konsequent wie in Fallout 76. Nur kann man sich gerade in den Multiplayer-Welten leider häufig nicht darauf einlassen.

Die nervige Seite von Audiologs

Um die Story von Fallout 76 optimal zu genießen, muss man eigentlich behutsam vorgehen. Die Details in den Räumen aufsaugen, Notizen lesen, Computer durchforsten und - natürlich - den teils ziemlich langen Audiologs lauschen. Und genau dafür hat man eigentlich keine Zeit, wenn man mit Kumpels virtuell um die Häuser zieht.

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In Fallout 76 schlagen zwei Herzen. Ähnlich wie Minecraft oder auch GTA Online lebt die Spielerfahrung von dem Unsinn, den ihr gemeinsam mit anderen Zockern erlebt. Diese eine Hatz, als man von einem Riesenfaultier gejagt wurde. Oder jener brutale Kampf gegen eine Horde Ghule, in der alle Kameraden ins Gras bissen und nur der tapfere VaulyWalter89 (Name erfunden) mit der allerletzten Kugel überlebte. Solche Momente können absolut fantastisches »Emergent Storytelling« bieten - also Geschichten, die sich ganz dynamisch ohne Skript aus den eigenen chaotischen Spielerlebnissen erspinnen.

Plus-Report: Emergent Storytelling - Wenn das Spiel die Story ist

Nur gibt es eben auch dieses andere Fallout, das eine ganz konkrete Geschichten über die Schicksale der Appalachia-Einwohner vermitteln will, für die man aufpassen, lesen und manchmal auch stillhalten muss. Das geht schlecht, wenn die Kollegen im TeamSpeak palavern oder einfach ungeduldig weitermachen wollen. Klar, das Problem haben die meisten Koop-Spiele, darunter beispielsweise auch The Division.

Nur spielt ein The Division niemand für das grandiose »Environmental Storytelling«. Das ist dort ohnehin eher rudimentär. Bei einem Rollenspiel wie Fallout kommen hingegen viele Fans gerade wegen der Geschichten in der Spielwelt.

Lässt sich beides vereinen?

Was kann man also tun? Als eine Möglichkeit sehen wir, die eigene Zeit in Fallout 76 einfach in Solo- und Koop-Abende aufzuteilen. Nur muss man sich dann trotzdem zwingen, an spannenden Details vorbeizulaufen.

Idealerweise sucht man sich also eine gleichgesinnte Gruppe von Rollenspielern, die mit ganz ähnlichen Vorlieben durch Appalachia wandert wie man selbst. Vielleicht lassen sich so beide Herzen von Fallout 76 vereinen. So oder so, man sollte sich im Vorfeld Gedanken machen, sonst verpasst man definitiv was.

Fallout 76 - Riesenfaultier und Todeskralle am Lagerfeuer im Live-Action-Trailer Video starten 1:00 Fallout 76 - Riesenfaultier und Todeskralle am Lagerfeuer im Live-Action-Trailer

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