Schon lange träumen Rollenspiel-Fans von einem Fallout Online. Publisher Interplay arbeitete sogar mal an einem ebensolchen Titel, doch seit der Übernahme der Rechte durch Bethesda ist das Projekt tot. Kann Fallout 76 den Traum von einer Open World mit Multiplayer-Modus wiederbeleben? Wir wollten wissen, ob der Koop-Ableger von Fallout 4 als echtes MMOG bezeichnet werden kann. Nach dem dreistündigen Anspielen einer fortgeschrittenen Beta-Version von Fallout 76 haben wir eine genauere Vorstellung davon, was Fallout 76 ist - und was nicht.
Fallout 76, ein MMOG? Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Hinter der Abkürzung MMOG steckt der Begriff »Massively Multiplayer Online Game«, er wird gemeinhin für Spiele wie World of Warcraft benutzt, wo Tausende Spieler gleichzeitig in der Spielwelt unterwegs sind und sich jederzeit über den Weg laufen können. Auch wenn mit dieser Genre-Bezeichnung keine Mindestspielerzahl einher geht, ab der sich ein Spiel als MMOG bezeichnen darf, suggeriert das Wort »massively« doch eine gewisse Größe - mehr als die maximale Spielerzahl von Fallout 76 mit 24 menschlichen Teilnehmern pro Server.
In Fallout 76 trifft man eher selten auf Menschen, erst recht wenn man nicht einer maximal vierköpfigen Gruppe beitritt, sondern alleine über die riesige Weltkarte streift. Es gibt keinen zentralen Hub wie bei Multiplayer-Spielen à la Destiny, in dem sich viele Spieler auf einmal treffen. Gut zum Genre passt - trotz Verbreitung sogenannter Phasing-Technologien - der Verzicht auf Instanzen: Pro Server existiert in Fallout 76 nur eine Version der Spielwelt inklusive aller »Dungeons« wie Häuser oder Höhlen.
Mit Abwesenheit glänzen dagegen die Gilden. Diese Spielervereinigungen sind aus dem MMOG-Genre seit den Tagen von Everquest und Ultima Online nicht mehr wegzudenken, doch Fallout 76 kennt keine Allianzen, die größer als vier Spieler sind.
Fallout 76 - Screenshots ansehen
Fallout 76 setzt einen starken Fokus auf das Crafting, also das Herstellen von Ausrüstung per Handwerksystem. Dazu passt die Möglichkeit, anderen Spielern selbst gebaute Gegenstände zum Verkauf anzubieten und sich quasi als Händler zu verdingen. Das erinnert ebenfalls an gängige Online-Rollenspiele, doch was in Fallout 76 fehlt, ist ein Auktionshaus, um über Server-Grenzen hinweg besondere Ausrüstung an den Mann zu bringen. Die Survival-Elemente wie das Verwalten von Hunger und Durst wecken derweil Assoziationen an moderne Interpretationen des MMOG-Begriffs in Multiplayer-Titeln wie Conan Exiles oder Ark: Survival Evolved, spielen aber zumindest in den ersten Spielstunden keine so bedeutende Rolle wie dort.
Die eigene Basis und das Endgame
Beim Housing-Feature, einem Steckenpferd vieler MMO(RP)Gs, greift Bethesda Game Studios auf das bewährte Konzept aus Fallout 4 zurück: In Fallout 76 baut ihr euch eure eigene Basis, dank C.A.M.P.-Tool geht das nun sogar auch abseits vordefinierter Siedlungsplätze. Hier verstaut ihr überzählige Gegenstände in eurer Truhe (»stash«), errichtet Werkbänke für das Crafting und holt euch regelmäßig Rohstoffe von eigenständig arbeitenden Fördermaschinen ab. Außerdem müsst ihr eure Basis gegen Angriffe von KI-Widersachern und anderen Spielern sichern - mit Geschütztürmen und Barrikaden.
Das Endgame in MMOGs besteht oftmals aus Raids oder PvP-Kämpfen - beides bietet Fallout 76, wenn auch in modifizierter Form. Gefechte gegen Spieler bringen dem Sieger nur geringfügige Zugewinne an Ingame-Währung. Zwar gibt es eine Gameplay-Mechanik, um über den Besitz von Regionen zu kämpfen: An sogenannten Workshops erhalten die Besitzer des Areals regelmäßig Rohstoffe aus automatischen Fördermaschinen. Aber so komplex wie die Burgenkämpfe in einem der MMOG-Urväter namens Dark Age of Camelot wird diese Mechanik dann doch nicht.
Was die Raids betrifft: In Fallout 76 schießt ihr mit Atomraketen auf Teile der Weltkarte, um dort Endgame-Zonen mit gefährlicheren Gegnern und besonders seltenen Crafting-Ressourcen entstehen zu lassen. In diesen Zonen sollen nur hochstufige Charaktere überleben können, deren Ausrüstung sie vor radioaktiver Strahlung schützt - dazu gehört etwa die serientypische Power Armor.
MMOG: Der Farming-Simulator
Typisch für MMOGs: Das Farmen von Gegenständen durch das wiederholte Abgrasen bestimmter Gebiete und das Erledigen besonderer (Boss-)Gegner. Inwieweit Fallout 76 den bekannten Genrevertretern hier nacheifert, ist noch nicht ganz klar, das wird sich final wohl erst nach dem Release am 14. November 2018 sagen lassen. Bislang ist nur sicher, dass es in der Tat monumentale Riesenmonster gibt, die bei ihrem Ableben wohl besondere Ausrüstung fallen lassen dürften. Außerdem sollen die Spieler laut Bethesda im Endgame erst zeitaufwendig nukleare Launch-Codes für den Start von Atomraketen farmen müssen, bevor sie ein Silo betreten, sich zur Konsole durchkämpfen und den Abschuss befehligen können.
Inwieweit Bethesda Game Studios bei der Ausrüstung den MMO-Standards folgt, ist dagegen noch nicht abzusehen. Zumindest wird es wohl keine Seltenheitsgrade der Marke magisch, episch, legendär geben, allerdings ist die Existenz besonders starker oder gar unzerstörbarer Waffen (Ausrüstung muss in Fallout 76 regelmäßig repariert werden) durchaus vorstellbar. Das Perk-System mit Spielkarten soll derweil Anreize bieten, seinen Charakter im Spielverlauf anzupassen und unterschiedliche Fähigkeiten zu benutzen sowie andere Schwerpunkte zu setzen.
Lang ist es her: Als Fallout noch ein Rollenspiel war (Rückblick)
Die Charakteroptimierung ist bekanntermaßen auch bei MMOGs ein wichtiger Punkt. Allerdings ist schon bekannt, dass es in Fallout 76 keine Respec-Option geben wird, um einmal verteilte Attributspunkte umzuordnen. Lediglich die Perk-Karten lassen sich austauschen. Allerdings könnt ihr mehrere Charaktere pro Account verwalten, um so gänzlich unterschiedliche Spielstile zu verfolgen.
Fazit: Ist Fallout 76 nun ein MMOG?
Trotz mancher Ähnlichkeiten mit klassischen MMOGs und den in den letzten Jahren immer öfter auftretenden Multiplayer-fokussierten Spielen mit Survival-Elementen ist Fallout 76 letztlich aber nur mit viel Vorstellungskraft diesem Genre zuzuordnen. Ja, die Kommunikation mit anderen Spielern und der Kooperationsgedanke sind auch hier wichtige Stützen des Gameplays. Aber allein die Tatsache, dass Fallout 76 keine festen Server kennt, sondern euch bei jedem Spielstart per Matchmaking in eine andere Online-Welt steckt (im Idealfall mit euren Freunden), spricht gegen eine Klassifizierung als MMOG. Von der bescheidenden Spieleranzahl mit 24 Menschen pro Partie mal ganz abgesehen. Darüber können Spiele wie Guild Wars 2 nur müde lächeln.
Mit Fallout 76 hat es sich Bethesda Game Studios offensichtlich zum Ziel gesetzt, den Spaß am Erkunden von Fallout 4 in eine Online-Welt zu packen, in der bis zu vier Koop-Partner gemeinsam Abenteuer erleben können. Und das klappt dem ersten Anschein nach auch schon ganz gut - obwohl Fans der Singleplayer-Vorgänger erwartungsgemäß Sturm laufen gegen den Multiplayer-Ableger. Wer dagegen vor allem auf dieses Teamplay Wert legt, der sollte Fallout 76 zumindest weiter im Auge behalten oder auf unsere ausführliche Beta-Berichterstattung zum Launch der Vorbesteller-Testphase am 23. Oktober 2018 (PC-Start: 30. Oktober) warten. Nur eines solltet ihr besser nicht von Fallout 76 erwarten: ein ausgewachsenes MMOG, ein waschechtes Fallout Online eben.
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