20 Jahre Fallout - Making Of: Der Anfang der Endzeit

Alles halb so schlimm, wir schaffen das schon: Seit 20 Jahren strahlt der Vault Boy durch die postapokalyptische Fallout-Zukunft. Zum Jubiläum sprach GameStar mit Schöpfern des Seriendebüts, das als ungeplantes Spaßprojekt eine der kultigsten Spielwelten hervorachte.

Fallout feiert seinen 20. Geburstag, hätte jedoch um ein Haar sein Maskottchen verloren. Fallout feiert seinen 20. Geburstag, hätte jedoch um ein Haar sein Maskottchen verloren.

Alles Gute zum Geburtstag, Vault Boy! Daumen hoch und ein zuversichtliches Grinsen, so reagierst du seit 20 Jahren auf Radioaktivität, Supermutanten und Killerskorpione. Du bist eine unverwüstliche Ikone der Spielegeschichte, die alle Widrigkeiten des Ödlands ebenso souverän wegsteckt wie den Wechsel von Entwicklungsteam und Publisher.

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Oktober 2017.

Heute bist du als Coverboy auf dem vorläufigen Gipfel deines Ruhms angekommen: In diesen Tagen wippt uns deine blonde Tolle von der Fallout 4-»Game of the Year«-Sammlung entgegen - und auch bei deinem ersten Ausflug in Online-Gefilde in Fallout 76 stehst du mit im Zentrum der Öffentlichkeit. Dein naiver Optimismus passt perfekt zu den 1950er-Vibes und dem schwarzen Humor, die deiner düsteren Endzeitwelt Originalität und Charme verleihen. Und auf deinem Lebensweg konntest du eine positive Einstellung auch gut gebrauchen.

Du hast es anfangs nicht leicht gehabt, eine Rollenspielgröße wollte deine Geburt verhindern. Doch deine geistigen Eltern liebten dich so sehr, dass sie lieber auf ein Regelwerk verzichteten, als dich zu opfern. Lass uns doch zusammen eine Nuka-Cola aufmachen und uns gemütlich zurücklehnen, um mehr über deine Entstehungsgeschichte zu plaudern - kurz bevor du deine Singleplayer-Wurzeln endgültig hinter dir lässt und mit Fallout 76 zu einer Multiplayer-Ikone wirst.

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Den vierbeinigen Begleiter Dogmeat gibt es schon im ersten Fallout. Hier hilft er Herrchen dabei, eine knifflige Situation im Rundenkampfsystem zu überstehen. Den vierbeinigen Begleiter Dogmeat gibt es schon im ersten Fallout. Hier hilft er Herrchen dabei, eine knifflige Situation im Rundenkampfsystem zu überstehen.

Kämpfen, schleichen, quatschen

Mit Speck fängt man Mäuse. Mit Pizza fängt man Entwickler. Ende 1993 soll Tim Cain für seinen Arbeitgeber Interplay Tools und Engines entwickeln, von einem Spiel hat keiner etwas gesagt. »Da ich tagsüber nicht Leute ablenken sollte, die an anderen Projekten arbeiteten, blieb ich abends lange im Besprechungszimmer, um mit ihnen zu reden«, erinnert sich Cain im Gespräch mit GameStar.

Vom Duft der Köder-Pizza angelockt, schart sich bald ein buntes Grüppchen zusammen, um einige Monate lang ab 18:30 Uhr über Spielideen zu spinnen - dieses Besprechungszimmer wird zur Geburtswiege der Fallout-Serie. »Diejenigen, die von Anfang an dabei waren, waren Leute, die einfach etwas anderes machen wollten und bereit waren, dafür ihre Freizeit opfern«, beschreibt Cain die Keimzelle des Teams. Doch was ist die spielerische Vision, die für diese rege abendliche Betriebsamkeit sorgt?

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Nicht alle Konflikte werden gewaltsam gelöst, ausgefeiltes Charaktersystem und Questdesign erlauben oft alternative Ansätze. Nicht alle Konflikte werden gewaltsam gelöst, ausgefeiltes Charaktersystem und Questdesign erlauben oft alternative Ansätze.

»Es gibt zwei Dinge, auf die wir wirklich Wert legten und die wir während der gesamten Produktion stark betonten. Das Erste war die Nicht-Linearität. Sobald du mit dem Spiel beginnst, kannst du beliebig erkunden. Wir zeigten dir mögliche Wege, aber die konntest du auch ignorieren. Der zweite Aspekt: Bei jeder vorgeschlagenen Quest setzten wir uns hin und sagten "Okay, wie kann ich mich da durchkämpfen, durchschleichen, durchquatschen?". Das zog sich durch das gesamte Spiel. Diese Gedanken hatten wir schon zu Beginn, lange bevor das Team größer wurde.«

Die Geschichte von Interplay - Aufstieg und Fall(out)

Projektleiter Tim Cain blickt versonnen aus dem Fenster, während Programmierer Nick Kesting zubeißt. »Ich brachte jeden Morgen selbstgebackenes Zimtbrot ins Büro und wer früh genug kam, hat etwas abgekriegt. Nick kam sehr häufig früh rein.« erklärt Cain den Schnappschuss. Projektleiter Tim Cain blickt versonnen aus dem Fenster, während Programmierer Nick Kesting zubeißt. »Ich brachte jeden Morgen selbstgebackenes Zimtbrot ins Büro und wer früh genug kam, hat etwas abgekriegt. Nick kam sehr häufig früh rein.« erklärt Cain den Schnappschuss.

Inspiriert vom einarmigen Alkoholiker

Eine wichtige Inspirationsquelle ist das universelle Rollenspielsystem GURPS von Steve Jackson Games. Bei Interplay gibt es zu der Zeit regelmäßige Tabletop-Spielabende, und Tim Cain leitet gerne kleine GURPS-Kampagnen, die nur aus fünf, sechs Räumen bestehen, aber zu höchst unterschiedlichen Resultaten führen. Ihm fällt dabei etwas auf: »Ob die Spieler überlebten oder starben, lag nicht nur an den Entscheidungen, die sie in den Dungeons trafen, sondern auch an ihren Entscheidungen während der Charaktergenerierung.«

Beim GURPS-System kann ein Charakter mit Handicaps versehen werden, um Bonuspunkte zur Stärkung anderer Eigenschaften zu erhalten. Spieldesigner Scott Bennie reizt das voll aus und erschafft einen einarmigen Alkoholiker als Kämpfer. Das geht nicht lange gut: »Die Gruppe flüchtete vor einem Monster und versuchte, über eine Leiter durch eine Luke zu entkommen«, erinnert sich Cain.

Die Interplay-Webseite veröffentlicht 1996 dieses Foto von »Team GURPS«, den Schöpfern von Fallout. Im nächsten Jahr fliegt dann das GURPS-Regelwerk raus und zusätzliches Personal hilft bei der Fertigstellung des Spiels. Die Interplay-Webseite veröffentlicht 1996 dieses Foto von »Team GURPS«, den Schöpfern von Fallout. Im nächsten Jahr fliegt dann das GURPS-Regelwerk raus und zusätzliches Personal hilft bei der Fertigstellung des Spiels.

»Scotts Charakter war betrunken und hatte nur eine Hand, also fiel er bei einem Check die Leiter herunter. [Der Fallout-Spieldesigner] Chris Taylor stand schon oben bei der Luke und musste eine Entscheidung treffen: Klettere ich runter, um ihm zu helfen? Doch seine Wahl fiel darauf, lieber die Luke zu schließen und sich aus dem Staub zu machen. Und das blieb mir im Gedächtnis: Wie die Spieler in so einem kleinen Dungeon so grundliegend unterschiedliche Erlebnisse hatten.«

GURPS ist ein universelles Regelwerk, das nicht an bestimmte Genres oder Szenarien gebunden ist. Cain leitet auch eine größere Gruppe mit sechs, sieben Spielern, die beliebige Regelbücher als Charaktergrundlage verwenden dürfen: Fantasy, High-Tech, Spionage, Superkräfte, alles geht. In einem seiner Szenarios kommt das Heldensammelsurium anlässlich einer Beerdigung zusammen, die sich zu einem Mordfall entwickelt. Cain ist überrascht, wie durch die Spielweise der Teilnehmer diese unterschiedlichen Genres doch so gut zusammenpassen: »Diese Art von unerwartet auftretendem Spielerverhalten wollte ich auch in einem Computerspiel.«

Fallout (1997) Darum geht‘s: Als sich die Türen von Vault 13 öffnen, wartet eine ebenso tödliche wie offene Welt. 150 Spieltage hat unser Held, um einen neuen Chip für die Wasseraufbereitungsanlage zu besorgen. Dabei stößt er auf alle möglichen Feinde, Gefährten und skurrile Situationen. Mit seinen enormen spielerischen Freiheiten, dem raffinierten Charaktersystem und einem grimmig-humorvollen Retro-SF-Szenario schafft es Fallout schnell vom Geheimtipp zum Kultspiel. Testzitat: »Das Charakterwerte-System ist überaus umfangreich. Viele Missionen lassen sich definitiv auf zwei oder drei Arten lösen. … Aktionen meinerseits haben reelle, langfristige Auswirkungen. Kurzum: Seit langem wieder mal ein echtes, beinhartes Solo-Rollenspiel.« (85 von 100 Punkten in GameStar 12/1997)

Fallout 2 (1998) Darum geht‘s: 80 Spieljahre später zieht ein Nachkomme des Vorgängerhelden los, um ein Garden of Eden Creation Kit aufzutreiben – und das ganz ohne Zeitdruck. Andere Annehmlichkeiten der Fortsetzung sind ein gesteigerter Spielumfang, verbesserte Kampf-KI und eine Handlung mit noch mehr moralischen Graustufen. Die wiederverwertete Engine wirkt auf den ersten Blick etwas bieder, doch dahinter steckt ein besseres Rollenspiel. Testzitat: »Das Beste an Fallout 2: Alles ist wie bei Fallout. Das Ärgerlichste: Alles ist wie bei Fallout. Egal, ich kenne kaum ein Spiel, das mich für zwei Wochenenden derart fesseln kann. … Endzeit-Szenario und zynischer Humor machen die Schwächen bei Grafik und Technik wett.« (83 von 100 Punkten in GameStar 1/1999)

Fallout Tactics (2001) Darum geht‘s: Die Fans warten auf ein drittes Rollenspiel, stattdessen gibt es diesen Jagged-Alliance-Verschnitt vom australischen Studio Micro Forté. Doch wenn man Fallout auf langwierige Rundentaktikkämpfe reduziert, gehen Entscheidungsfreiheit und andere spielerische Stärken verloren. Da tröstet es nur bedingt, dass unsere bis zu sechs Kämpfer starke Truppe 20 Missionen erlebt, zahlreiche Waffen einsetzt und auch in einem Multiplayer-Modus antreten kann. Testzitat: »Hinlegen, einmal schießen. Runde um. Einmal schießen, nachladen. Runde um. Aufrichten, Granate werfen – geht nicht, keine Punkte mehr. Da meine Leute stets nur acht Aktionspunkte haben, spielt sich Tactics sehr zäh. … Größte Stärke ist das gut umgesetzte Endzeit-Szenario der Fallout-Serie.« (66 von 100 Punkten in GameStar 5/2001)

Fallout: Brotherhood of Steel (2014) Darum geht‘s: Beim Versuch, die Fallout-Spielwelt dem Konsolenpublikum schmackhaft zu machen, bleibt Interplay in der unteren Diablo-Schublade hängen. Statt einer offenen Welt mit Taktikgefechten gibt es lineare Levels und Echtzeitkämpfe. Als flotte Actionsause hat Brotherhood of Steel einen gewissen Unterhaltungswert, ist aber schlechter als das wesensverwandte Baldur’s Gate: Dark Alliance. Vom geschätzten Fallout-Flair ist kaum etwas übriggeblieben. Die GamePro-Kollegen nehmen es im Test als Action-Rollenspiel light und geben Dank spaßigem Koop-Modus eine ordentliche Wertung. Testzitat: »Das neue Fallout ist leichte Action-Kost mit ein paar bescheidenen Rollenspiel-Elementen. Die Charakterentwicklung ist ganz nett, verdient den Namen »Rollenspiel« aber eigentlich nicht.« (86 von 100 Punkten auf GamePro.de)

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