Agony im Test - Kunst oder Grenzerfahrung?

Folter, Orgien und Kindermord. Agony bricht bei seiner Darstellung der Hölle einige Tabus. Allerdings zerbrechen dabei auch Spielmechanik und Technik.

Agony - Test-Video zum höllischen Survival-Horror Video starten 7:15 Agony - Test-Video zum höllischen Survival-Horror

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Ob im altägyptischen Glauben, in der indischen Mythologie oder nach christlichen Schriften: Die Hölle ist kein angenehmer Ort. Nach den traditionellen Vorstellungen diverser Religionen und Kulturen ist es eine jenseitige Welt der Qual, vollgestopft mit Dämonen, Monstern und verdammten Seelen.

Über die Jahrhunderte hinweg beschäftigten sich Künstler, Autoren, Philosophen und Filmemacher mit dem Thema Hölle, und natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Heimat der Qualen auch in Videospielen thematisiert wird. Dante's Inferno hat vor einigen Jahren den ersten Teil von Dante Alighieris Göttlicher Komödie interpretiert, und auch Clive Barker's Jericho öffnet das Tor zur Hölle, mitsamt einer ganzen Horde sadomasochistischer Kreaturen.

Mit Agony ist nun eine neue Stufe erreicht. Das Survival Horror-Spiel lässt sich von seinen geistigen Vorgängern inspirieren und übertrifft sie in den Details seiner Grausamkeiten - vernachlässigt dabei aber die Spielbarkeit und eine interessante Geschichte.

Effekte wie chromatische Aberration und volumetrisches Licht sorgen für cinematischen Horrorflair. Effekte wie chromatische Aberration und volumetrisches Licht sorgen für cinematischen Horrorflair.

Ohne Sinn und Verstand

Ihr seid eine verdammte Seele ohne Erinnerung. Andere Personen in der Hölle erkennen euch wieder und bezeichnen eure Taten zu Lebzeiten als widerwärtig. Wirklich glaubhaft ist das allerdings nicht. Das liegt weniger an den Behauptungen selbst, sondern vielmehr an der Art, wie sie uns entgegengebracht werden.

Die wenigen Dia- und Monologe werden mit einem irritierenden Pathos vorgetragen. Die Verdammten finden zwar unzählige Synonyme, um ihre Qualen zu beschreiben, aber in der Hölle zu erwartende Emotionen wie Angst oder Verzweiflung schwingen nie mit.

Auch die Identifikation mit der Hauptfigur ist kaum möglich. In der ohnehin schon dünnen Haupthandlung gibt es zu ihr nur sehr wenige Informationen, die uns ein besseres Bild vermitteln würden. Sie will der Hölle entkommen - mehr wissen wir nicht.

In der Hölle geht es nicht zimperlich zu. Folter, Mord und Todschlag gibt es an jeder Ecke. In der Hölle geht es nicht zimperlich zu. Folter, Mord und Todschlag gibt es an jeder Ecke.

Die Hölle in der Kunst

Künstlerische Darstellungen der Hölle sind seit jeher umstritten. In japanischen Illustrationen aus der späten Heian-Zeit schmoren nackte Menschen in Bädern glühender Magma. Feuer zeigen auch Bilder von islamischen Schriften. Die Bildende Kunst ging über Jahrhunderte hinweg immer einen Schritt weiter: Monogrammisten fertigten etliche Werke mit Massenmord und Verstümmelung an. Künstler wie Hieronymus Bosch zeigten Orgien und Fäkalien.

Die eigene Seele reflektiert die Geschehnisse nicht. Sie zeigt keine Furcht, gerät nicht in Panik. Keine Schnappatmung, kein Herzklopfen, keine Emotion. Diese Teilnahmslosigkeit überträgt sich auch langsam auf euch als Spieler. Nach einer Zeit wisst ihr einfach nicht mehr, wozu ihr euch durch all das Blut und Gekröse hindurch quält.

Das ist vor allem bedauerlich, da ihr durchaus interessanten Dämonen mit eigenen Persönlichkeiten und Rivalitäten untereinander begegnet. Sie formen neben zahlreichen Dokumenten und ein paar kryptischen Sequenzen zumindest im Ansatz so etwas wie eine Hintergrundstory, die allerdings für eure Seele weitgehend unwesentlich ist. So sieht im Keim ersticktes Potenzial aus.

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Stolpernd durch das Jenseits

Körper als leere Hüllen. Ironischerweise passt diese Formulierung wortwörtlich auch auf die Spielmechanik. Stirbt ein Körper, tritt eure Seele aus ihr heraus und muss innerhalb kurzer Zeit eine neue Behausung finden, bevor sie im Äther verschwindet. Manchmal ist ein Vorankommen sogar nur möglich, wenn die derzeitige Hülle mutwillig geopfert wird. Zum Beispiel, wenn die nächste Ebene nur mit einem Sprung von der Klippe zu erreichen ist.

Diese Mechanik betont, wie entbehrlich menschliche Körper in der Hölle sind und trägt zur unangenehmen Stimmung bei. Später im Spiel könnt ihr auch kurzzeitig Besitz von Dämonen nehmen. Das ermöglicht eine höhere Laufgeschwindigkeit und macht euch gegen andere Monster nahezu immun.

Körperlichkeit wird in Agony ohnehin sehr stark betont, was für ein Horrorspiel eine gute Eigenschaft ist. Die menschlichen Körper fühlen sich fragil an. Zahlreiche aufgespießte, zertrümmerte oder zerstückelte Opfer um euch herum, die vor Schmerz gellend schreien, erinnern an mögliche Todesarten. Organisch wirkende Kamerabewegungen unterstreichen jeden Schritt und jede Handbewegung.

Dieses Athmosphäreplus erkauft sich Agony allerdings mit einer frustrierenden Steuerung. Als Mensch ist eure Grundgeschwindigkeit sehr langsam. Prinzipiell nicht schlimm, wenn ihr nicht immer wieder an nicht ersichtlichen Kanten und Ecken hängen bleiben würdet. Auch Sprungpassagen wirken ungenau und ihr rauscht in die Tiefe, obwohl ihr Abstände richtig einschätzt. Ärgerlich, da Checkpoints äußerst unregelmäßig verteilt sind und ihr manchmal durch einen winzigen Fehler gute 20 Minuten Spielzeit verlieren könnt.

So nah sollte man Gegner nicht an sich herankommen lassen. Mit etwas Glück hilft jetzt noch Atem anhalten. So nah sollte man Gegner nicht an sich herankommen lassen. Mit etwas Glück hilft jetzt noch Atem anhalten.

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