Fazit: Anthem im Test - Biowares Shooter-Experiment funktioniert noch nicht

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Fazit der Redaktion

Michael Herold
@michiherold

Nach den beiden Demos von Anthem hatte ich große Hoffnungen in Anthem. Auch wenn die Testphasen technisch alles andere als sauber verliefen, haben mich die Top-Grafik sowie die effektreichen und spannenden Kämpfe ausreichend begeistert, dass ich wirklich geglaubt habe, Anthem hätte das Zeug zu meinem Lieblingsspiel des (zugegeben noch sehr jungen) Jahres 2019. Nun weiß ich, ich habe mir umsonst Hoffnung gemacht.

Denn schon nachdem ich meine ersten drei Stunden in der fertigen Version von Anthem verbracht hatte, machte sich die große Enttäuschung bei mir breit. Ewig repetitive Missionen, unverschämt lange Ladezeiten und eine vollkommen belanglose Story. Das konnte doch nicht alles sein. Doch nach dem Abspann wurde ich erneut enttäuscht: Das war tatsächlich schon alles.

Anthem macht selbstverständlich nicht alles falsch und insbesondere bei einigen Endbossen hatte ich auch wirklich große Freude am Ballern. Aber trotzdem hat das Spiel es geschafft, dass ich meinen Bildschirm angeschrien habe (ich hatte mich tatsächlich nicht mehr unter Kontrolle). Nach einem Absturz musste ich nämlich eine Mission neu starten und mir davor noch einmal einen furchtbar langweiligen Dialog anhören und zusammengerechnet fünf Minunten Ladebildschirme abwarten, das war zu viel für mich.

Einen echten Zornesausbruch hat bei mir schon lange kein Videospiel mehr hervorgerufen. Bioware und EA müssen sich also bitte ganz dringend damit beeilen, neuen Content und Bugfixes zu liefern, damit sich mein Zorn wieder in Spielspaß verwandelt.

Maurice Weber
@froody42

Anthem ist eine Vision, die nicht in Erfüllung gegangen ist. Die wenigsten seiner hehren Ziele erreicht es: Es will Story und Multiplayer verknüpfen wie nie zuvor, fühlt sich aber selbst im story-armen Genre der Lootshooter noch wie ein Rückschritt an. Es will mir eine riesige, wundersame Welt eröffnen, kann sie aber nicht mit denkwürdigen Erlebnissen füllen. Es will mich auf Jahre hinaus in seinen Bann schlagen, tut sich aber schon nach 15 Stunden schwer damit.

Und doch will ich es nicht einfach abschreiben. Dafür macht mir das grundlegende Gameplay zu viel Laune! Das fantastische Gefühl der Freiheit, wenn ich über die zwar leere, aber wunderschöne Welt hinwegbrause, der Machtrausch, wenn ich das Schlachtfeld mit Feuer und Sturm überziehe - die lassen mich alle von Anthems Problemen immer wieder vergessen, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Es ist ein Gerüst, um das Bioware auch ein viel besseres Spiel hätte bauen können. Wo der Release-Zustand eines Fallout 76 mich wütend machte, stimmt mich Anthems verschenktes Potenzial eher traurig. Von Biowares verschenktem Potenzial ganz zu schweigen!

Zumal ich es zumindest für zweifelhaft halte, dass Anthem die Spitze seines Potenzials jemals noch erreichen wird. Es bräuchte mehr als ein paar neue Inhalte, um die tiefergreifenden Probleme des Spiels zu lösen. Die lahme Kampagne zum Beispiel, die neue Spieler schon verlieren könnte, bevor sie das Endgame überhaupt erreichen. Ich werde Anthem bestimmt weiter verfolgen, weil ich mich enorm freuen würde, wenn Bioware noch mehr aus diesem spaßigen Gameplay-Gerüst macht - aber ich wage auch nicht, mir zu große Hoffnungen zu machen.

Dimitry Halley
@dimi_halley

Anthem ist Ausdruck von so vielen Dingen, die im Triple-A-Gaming gerade häufig schieflaufen. Zig wichtige Tugenden scheinen keine Rolle zu spielen: Ausgerechnet Bioware versagt beim Erzählen einer spannenden Geschichte, hinter all dem grafischen Bombast steckt außerdem kaum komplexes Spiel. Gegner-, Missions- und Leveldesign könnten kaum repetitiver ausfallen. An vielen Ecken wirkt die Spielmechanik weichgespült und seelenlos. Andere Loot-Shooter wie Destiny 2 oder The Division kaschieren wenigstens, dass man im Endeffekt immer die gleichen Dinge tut. Sie erschaffen einen spielmechanischen Kern, der funktioniert. Eine Jagd nach Beute, die Freude bereitet und motiviert, selbst wenn sie immer ähnliche Abläufe wiederholt.

Anthem hat fast nichts aus den Fehlern all der anderen Loot-Shooter gelernt. Das Endgame fällt viel zu dünn aus, es mangelt zum Launch an Content, man stolpert über Bugs und diverse Komfortfunktionen, die ein The Division oder Destiny über Monate nachgepatcht haben, fehlen hier - etwa eine Missionsübersicht oder eine Benachrichtigung, wenn Freunde in ein Event geraten. Stattdessen kriege ich natürlich all den Service-Game-Schnickschnack, der heutzutage dazugehört: Das Versprechen, in den kommenden Monaten die Inhalte zu bekommen, die eigentlich schon ins Release-Paket gehört hätten. Außerdem natürlich Mikrotransaktionen, die zum Glück wenigstens keine Gameplay-Auswirkungen haben.

Warum verdient Anthem trotz all dieser Kritikpunkte in meinen Augen trotzdem seine solide Wertung? Zum einen wegen der eigentlich spannenden Welt, die ich abseits der Geschichte in Codex-Einträgen für mich erschließe. Zum anderen aufgrund der Momente, in denen die Dinge dann mal zusammenpassen: Wenn ich gemeinsam mit Freunden zum ersten Mal einen dicken Koloss fälle, wir Raketen, Granaten und Eisfähigkeiten regnen lassen, nachdem wir wie Iron Man durch diese fantastisch aussehende Landschaft gedüst sind.

So viele Teile von Anthem bluten Potenzial! Sie passen aktuell nur viel zu selten zusammen. Und gerade wegen der Augenblicke, in denen ich Spaß hatte, hoffe ich ganz persönlich, dass Bioware in naher Zukunft sein Puzzle in Ordnung bringt.

4 von 5

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