Bye bye, TV! Revolutioniert die Apple Vision Pro das Heimkino?

Die Apple Vision Pro macht als TV-Ersatz wohl eine wahnsinnig gute Figur. Ich stelle mir die Frage: Brauchen wir da überhaupt noch einen Fernseher?

Löst die Apple Vision Pro unsere Fernseher ab? (Bild: adobe.stock.com - Vasiliy) Löst die Apple Vision Pro unsere Fernseher ab? (Bild: adobe.stock.com - Vasiliy)

Mit dem heutigen Tage erscheint die Apple Vision Pro – die Presse zeigt sich durchaus angetan. Einige heben hervor, dass sich vor allem das Filmeschauen mit der AR/VR-Brille lohnt.

Der Gedanke, mit einer Brille auf der Nase »im Kino zu sitzen« ist nicht neu. Ich erinnere mich an eine Werbung aus den 90ern, in der zwei Nomaden nachts in der Wüste saßen und auf ihren Brillen etwas anschauen (ich finde den Werbesport aber partout nicht, vielleicht kann sich jemand von euch erinnern?). 

Als Kind hat mich das wahnsinnig beeindruckt; heute ist es (fast) Realität.

Ich stelle mir die Frage: Kann die Apple Vision Pro (oder eine andere AR/VR-Brille) den Fernseher zuhause ersetzen?

Maxe Schwind
Maxe Schwind

Ein ordentlicher Fernseher gehört für Maxe im Heimkino dazu, zumindest, seit er als Tech-Redakteur vor Jahren angefangen hat. VR übte auf ihn schon immer eine Faszination aus, aber um richtig glücklich damit zu werden, muss die Technik noch ein paar Schippen draufpacken. Er betrachtet die Gadgets als Nischenprodukt. Außerdem hat er sich 2019 die Augen lasern lassen, weil ihm seine Brille auf die Nerven gegangen ist.

Mit der Apple Vision Pro könnte sich das Brillendebakel für ihn nun zum Besseren wenden, denn die Technik, die ganz klar auch fürs Heimkino gemacht ist, wirkt für Maxe einfach zu verlockend.

Teil 1: Was kann das Display der Apple Vision Pro?

In den letzten Monaten haben wir die Bilder oft gesehen. Kann das wirklich einen TV ersetzen? (Bild: Apple) In den letzten Monaten haben wir die Bilder oft gesehen. Kann das wirklich einen TV ersetzen? (Bild: Apple)

Um festzustellen, ob Apples Wunderbrille einem TV die Stirn bieten kann, schauen wir uns zunächst die Spezifikationen der Displays an.

  • Micro-OLED mit 23 Millionen Pixel auf beiden Augen
  • 3D-Display-System
  • 92 Prozent DCI-P3-Farbraumabdeckung
  • 90Hz, 96Hz und 100Hz als unterstützte Bildwiederholraten

Die wichtigsten Infos sind die Farbraumabdeckung und die Paneltechnik. Auf das 3D-Display-System komme ich gleich noch zu sprechen.

Farbraumabdeckung nach DCI-P3

DCI-P3 ist ein Standard für Farbwiedergabe, der speziell für die Filmindustrie entwickelt wurde, und einen größeren Farbumfang hat als sRGB. Je mehr ein Gerät den Farbraum abdeckt, desto natürlicher und diffiziler kann es Farben darstellen.

Diesen Graphen hat jeder schon mal gesehen, der mit Bildschirmen arbeitet. (Bild: Wikipedia) Diesen Graphen hat jeder schon mal gesehen, der mit Bildschirmen arbeitet. (Bild: Wikipedia)

Der Philips OLED807 beispielsweise deckt bis zu 99 Prozent des Farbraumes ab. Die Apple Vision Pro laut eigenen Angaben »nur« 92 Prozent. Ist das ein Stimmungskiller?

Wohl kaum. Auch wenn hier noch Luft nach oben ist – was vermutlich der Paneltechnik geschuldet ist –, werden Filme auf der Brille hervorragend aussehen. Die Unterschiede würden den meisten vermutlich nicht auffallen.

Micro-OLED

Mit Micro-OLED kommt eine Paneltechnik zum Einsatz, die man bisher noch auf keinem TV gesehen hat und nicht mit Micro-LED zu verwechseln ist. Micro- und Mini-LEDs erklären wir in diesem Artikel.

Eine kurze Gedankenstütze: OLED steht für »organic light-emitting diode«. Die Pixel auf Kohlenstoffbasis erzeugen Farben, die aufleuchten, wenn sie elektrische Ladungen enthalten. OLED-Bildpunkte können dadurch gezielt ausgeschaltet werden, wodurch perfektes Schwarz entsteht sowie eine naturgetreue Farbdarstellung, was in einem großen Kontrastumfang resultiert.

Micro-OLED ist genau das, nur besser.

Hier ein schneller Vergleich von Micro-OLED und OLED. (Bild: Sony) Hier ein schneller Vergleich von Micro-OLED und OLED. (Bild: Sony)

Der größte Vorteil besteht darin, dass die Hersteller deutlich mehr Pixel auf kleinerem Raum unterbringen können. Nach Angaben von Sony beträgt der minimale Pixelabstand nur 6,3 Mikrometer. Dadurch können Micro OLED-Displays eine Pixeldichte von 4.031 Pixeln pro Zoll (ppi) auf einem 0,5-Zoll-Display abbilden.

Zum Vergleich: Traditionelle OLED-Displays von Handys besitzen einen Pixelabstand von mindestens 44 Mikrometern, das bedeutet maximal 577 ppi. Micro-OLED hat also eine fast siebenmal so hohe Pixeldichte.

Doch was bedeutet das für die Bildqualität der Apple Vision Pro?

Teil 2: Die Bildqualität

Eines gleich vorweg: Ich hatte bisher noch keine Apple Vision Pro auf der Nase. Wie gut oder schlecht mir das Bild persönlich gefällt, kann ich nicht sagen, aber allein aufgrund der Specs lassen sich bereits eindeutige Schlüsse ziehen.

Micro-OLED spricht bereits für eine starke Bildqualität. Die AR/VR-Brille sitzt auf der Nase, die Bildschirme sind direkt vor den Augen. Das größte Problem anderer Geräte dieser Art waren bisher stets die Auflösung und/oder die verbauten Panel.

Auch wenn man die beiden preislich nicht vergleichen kann: In der Meta Quest 3 kommen beispielsweise LCD-Screens zum Einsatz. Die stehen qualitativ auf jeden Fall unter Micro-OLED.

Durch Micro-OLED ist klar, dass die Apple Vision Pro folgende Punkte auf jeden Fall abhakt:

  • Perfektes Schwarz
  • Hohe Bildschärfe
  • Ordentliche Farbwiedergabe (siehe 92 Prozent DCI-P3-Abdeckung)

Der wichtigste Vorteil bei der Bildqualität: Die Brille liefert durch ihre Bauart immer die perfekte Umgebung – wie wichtig das ist, habe ich bereits erklärt. Man ist rundum abgeschottet, kein Außenlicht trifft auf den Screen, es gibt integriertes Umgebungslicht, also herrschen immer astreine Bedingungen.

Deswegen ist die Apple Vision Pro auch noch besser als jeder TV: Kein Licht geht auf dem Weg von den Bildschirmen zum Auge verloren. Farben und Kontraste kommen genau so im Sehnerv an, wie sie sollen. 

Licht, das vom Bildschirm abgestrahlt wird, zerstreut sich auf dem Weg zum Auge. Spiegelungen entstehen und um gegenzusteuern, erhöht man die Helligkeit, damit mehr Licht (sprich: Bildinformationen) beim Betrachter ankommen, logisch.

Das klingt alles völlig trivial, weil man sich darüber für gewöhnlich keine allzu großen Gedanken macht (außer Hersteller, die bis zu 10.000 Nits Spitzenhelligkeit aus ihren Geräten pumpen). Man drückt das Gesicht ja nicht an den TV-Screen. Aber der Vorteil ist bei der Brille schlichtweg vorhanden.

Dass »Licht aus« der beste Tipp ist, um die Bildqualität zu erhöhen, muss ich euch nicht mehr sagen.

Auch die 3D-Fans da draußen dürfen jubilieren. Durch die Bauweise mit zwei unabhängigen Bildschirmen auf jedem Auge ist auch theoretisch echtes 3D möglich, quasi wie mit aufgebohrten Shutter-Brillen.

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Was sind Shutter-Brillen?

Shutter Brillen sind 3D-Brillen, die für das Betrachten von 3D-Inhalten verwendet werden. Sie bedienen sich einer Schnellbewegungstechnologie, um abwechselnd die Sicht auf das linke und rechte Auge zu blockieren und so einen 3D-Effekt zu erzeugen.

Apropos 3D: Disney Plus bietet 3D sogar explizit für die Apple Vision Pro an.

In einer Umfrage habe ich euch im letzten Jahr gefragt, wieso ihr 3D feiert, obwohl es das Bild schlechter macht. Mit AR/VR-Brillen würde das endlich der Vergangenheit angehören. 3D wäre dann kein aufgeflanschtes Feature mehr, sondern direkt in die Filme und das Gerät implementiert.

Sobald ich eine Apple Vision Pro auf die Nase bekomme, werde ich mich als jemand, der über 3D die Nase rümpft, selbst hinterfragen, und es ausprobieren.

Teil 3: Die Tonqualität

Im Dezember berichteten wir darüber, dass Apple Dolby Atmos und Spatial Audio als solches vorantreibt: 

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Was ist Spatial Audio?

Spatial Audio ist eine Technologie, die es ermöglicht, Klangobjekte präzise im dreidimensionalen Raum zu positionieren, um ein immersives Hörerlebnis zu schaffen.

In einer Community-Umfrage stellte sich heraus: Die meisten von uns nutzen 3D-Audio höchstens fürs Heimkino – und zusammen mit der Apple Vision Pro ergeben die Anstrengungen der Cupertiner, Dolby Atmos weiter zu verbreiten, Sinn.

Wer mit einer Virtual-Reality-Brille Filme schaut, braucht kein Audio-System mehr. Klar, hochwertige Kopfhörer sind für guten Klang unabdingbar, aber überlegt mal, wie viele Leute zu ihren AirPods greifen würden, um mit der Apple Vision Pro im virtuellen Kinosaal zu sitzen.

Dass die Airpods bockstarken Klang liefern, habe ich ihnen im Test attestiert.

Punkt für die Heimkino-Liebhaber: Simulierter Raumklang stinkt immer noch gegen eine waschechte Surroundanlage ab. Auf der anderen Seite darf aber die Frage gestattet sein, wie viele Zuschauer die TV-Boxen oder eine Soundbar verwenden? Vermutlich deutlich mehr als es Besitzer eines dedizierten Surroundsystems gibt.

Mit Dolby Atmos auf den Ohren und der Apple Vision Pro auf der Nase bekommt man eine Immersion, die kein Kinosaal liefern kann. Jeder, der schon mal eine VR-Brille samt Kopfhörer aufgeschnallt hatte, weiß das. Das bringt uns zum größten Pferdefuß.

Teil 4: Gemeinsam Filme erleben oder in Isolation gucken?

So vielversprechend eine solche Immersion auch klingt, man kann sie nur allein erleben. Neben dem fehlenden HDMI-Eingang und dem Eigengewicht der Brille, war das der größte Knackpunkt im Test zur Apple Vision Pro von The Verge.

So sieht übrigens der Kinosaal aus, wen man einen Film auf der Apple Vision Pro genießt. (Bild: The VergeYouTube) So sieht übrigens der Kinosaal aus, wen man einen Film auf der Apple Vision Pro genießt. (Bild: The Verge/YouTube)

Ihr sitzt im virtuellen Kinosaal allein. Dabei seht ihr den Bildschirm und die Umgebung (die ihr euch aussuchen könnt, was ich feiere), aber außer den Film hört ihr nichts.

Versteht mich nicht falsch. Sich ganz auf den Film konzentrieren zu können, finde ich persönlich super. Aber Filme zusammen mit anderen schauen? Das geht nicht mehr.

In meiner Jugend war es bei uns an Geburtstagen gang und gäbe, sich gemeinsam Peter Jacksons »Braindead« anzuschauen (auch, wenn wir eigentlich zu jung waren, aber pssst!). Wieso ich da auch heute noch dran denke? Weil’s eine riesige Gaudi war! In einer Gruppe von Freunden machen Filme, Serien oder auch Sport-Events einfach mehr Spaß. Das schafft Erinnerungen.

In einer nicht allzu fernen Zukunft wäre es denkbar, dass man mehrere VR-Brillen miteinander verbindet und zusammen in einem virtuellen Kinosaal sitzt. Man würde also die Avatare seiner Familie und Freunde sehen. Immerhin etwas.

Sogar das Abschottungsproblem ließe sich durch Voice-Audio lösen, sodass die Stimmen der anderen durchkommen. Das geht bereits mit den neuesten Generationen von In-Ear-Kopfhörern, die Stimmen erkennen und die Lautstärke herunterregeln.

Aber wäre es wirklich dasselbe? Würde man einen Film wirklich gemeinsam anschauen und Erfahrungen schmieden? Das bezweifle ich stark.

Der Tester im Video von The Verge sagt es sogar selbst. Man sollte aufpassen, dass man nicht zu schnell zu tief in die virtuelle Realität gerät. Mit der Apple Vision scheint das Risiko stärker denn je zu bestehen. Nicht, dass es euch wie in der South Park-Episode »Die Hausarrest-Schleife« ergeht.

South Park hat 2014 mit der Episode »Die Hausarrest-Schleife« augenzwinkernd vorgemacht, was uns mit VR blühen könnte. (Bild: Comedy Central) South Park hat 2014 mit der Episode »Die Hausarrest-Schleife« augenzwinkernd vorgemacht, was uns mit VR blühen könnte. (Bild: Comedy Central)

Erschwerend kommt hinzu, dass die Apple Vision Pro keinen HDMI-Eingang hat (ich erwähnte es weiter oben im Text). Dadurch ist man komplett aufs Streaming angewiesen und die einzigen Anbieter derzeit sind Apple selbst und Disney. Netflix, YouTube und Co. planen auch nicht so schnell, auf den Zug aufspringen.

Fazit

Maxe Schwind

Auf technischer Ebene kann die erste Generation von Apples VR-Brille bereits mit dem Heimkino mithalten, machen wir uns nichts vor. Micro-OLED mit seiner überragenden Pixeldichte ist ein bockstarker Grund für das Gerät. Als Sähnehäubchen oben drauf gibt es echtes 3D, etwas, das Fernseher nicht bieten können.

Die Investition in Dolby Atmos seitens Apple zahlt sich ebenfalls aus, denn man bekommt für einen relativ schmalen Taler guten 3D-Klang auf die Ohren, was für ein immersives Kinoerlebnis mit der Apple Vision Pro unabdingbar ist.

Dass ihr Filme und Serien ausschließlich allein genießen könnt, sorgt dafür, dass eine VR-Brille den Fernseher nicht so schnell ersetzen wird. Die Erfahrungen, die wir zusammen machen, prägen uns und so angenehm der Gedanke sein mag, sich ohne Ablenkung einem Film hinzugeben, so tut man es immer allein und abgeschottet.

Es gibt noch einige Falten, die Apple ausbügeln muss (fehlender HDMI-Slot, Gewicht, weitere Streaming-Anbieter). Aber wenn ein paar Iterationen der Brille ins Land gegangen sind, kann ich mir gut vorstellen, dass die Apple Vision Pro als ergänzendes Produkt zu Fernsehern ihren Platz findet. Der Preis ist hoch, aber das ist er auch für gut ausgestattete Heimkinos.

Unser Autor Dennis Ziesecke hatte viele VR/AR-Brillen auf der Nase. Die besten hat er in einem Artikel zusammengefasst.

Die Apple Vision Pro schickt sich an, auch Film-Enthusiasten abzuholen und im Heimkino einzuziehen. Glaubt man den Pressestimmen, dann ist die AR/VR-Brille zumindest bei Spielen noch weit von dem entfernt, was die Konkurrenz bietet. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Apple jedenfalls möchte in Games ja investieren.

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