Arbeitsbedingungen bei Rockstar - Wer das Studio vor Fertigstellung eines Spiels verlässt, kommt nicht in die Credits

Ein umfangreicher Report legt die Arbeitsbedingungen bei Red Dead Redemption 2 und anderen Rockstar-Spielen aus verschiedenen Perspektiven dar.

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Rockstar Games: Crunch für Red Dead Redemption und Grand Theft Auto. Rockstar Games: Crunch für Red Dead Redemption und Grand Theft Auto.

Mit Red Dead Redemption 2 erscheint am 26. Oktober Rockstars neuester Streich für PS4 und Xbox One. Im Vorfeld wirft ein ausführlicher Report von Kotaku Licht auf die Arbeitsbedingungen bei Rockstar Games, im Besonderen in den an der Entwicklung von RDR2 beteiligten Studios. Aber auch Titel wie GTA 5 oder Max Payne 3 werden behandelt.

In den letzten Jahren tauchen immer wieder Berichte aus der Videospiel-Industrie auf, die den sogenannten »Crunch« beklagen, also die extreme Mitarbeiterbelastung durch lange Arbeitszeiten, Extraschichten und Wochenenddienste. Bei GameStar Plus berichtet etwa ein anonymer Community Manager über den Stress bei der Arbeit an einem bekannten Kickstarter-Rollenspiel.

Rockstar Games beschäftigt tausende Mitarbeiter in insgesamt acht Studios (verteilt auf mehrere Länder), von denen einige ziemlich haarsträubende Geschichten zu erzählen haben. Um die Anonymität der Betroffenen zu wahren, wurden einige Details weggelassen. Im Folgenden fassen wir den Report für euch zusammen.

Nur wegen der Überschrift hier? Das Thema aus der Headline lest ihr im letzten Absatz auf Seite drei dieser Meldung.

Crunch bei Red Dead Redemption 2 - Videodiskussion: Braucht es 100-Stunden-Arbeitswochen für ein Meisterwerk? Video starten 23:00 Crunch bei Red Dead Redemption 2 - Videodiskussion: Braucht es 100-Stunden-Arbeitswochen für ein Meisterwerk?

Umfassende Reportage

Kotaku hat für den Report Interviews mit über 30 derzeitigen und über 40 ehemaligen Rockstar-Mitarbeitern geführt, von denen viele anonym bleiben wollten.

Rockstar selbst hatte zuvor eine Social-Media-Kommunikationssperre aufgehoben und einige der Interviews selbst in die Wege geleitet. Dabei entstanden laut Kotaku-Redakteur Jason Schreier ungewöhnliche Interview-Situationen, in denen Rockstar-Mitarbeiter im Beisein mehrerer Kollegen und dem PR-Chef des Unternehmens frei über ihre Erfahrungen mit Arbeitszeiten und »Crunch« sprechen sollten. Die interessantesten Informationen erreichten Schreier demnach auf anonymem Wege.

Einige Mitarbeiter berichteten über 60- bis 80-Stunden Arbeitswochen, einige fühlten sich in die Verantwortung genommen, extra Nächte und Wochenenden durchzuarbeiten. Andere beklagten den Verlust von Freundschaften oder sogar der geistigen Gesundheit unter der Last der Arbeit.

Rockstar hat Kotaku und andere News-Portale mit offiziellen Statistiken zu den Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter versorgt. Demnach lag die durchschnittliche Wochen-Arbeitszeit 2018 (wohlgemerkt quer durch alle Abteilungen) von Januar bis März bei 42,4 Stunden, von April bis Juni bei 45,5 Stunden und von Juli bis September bei 45,8 Stunden - das sind keine ungewöhnlich hohen Werte.

Einige Bereiche dagegen waren offenbar von besonders hartem »Crunch« betroffen, beispielsweise das Cinematics-Team, die Designer und die Qualitätssicherung. Das legen die Interviews mit den Entwicklern nahe.

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Alles halb so wild?

Rockstars Publishing-Chefin Jennifer Kolbe erklärt die Diskrepanz zwischen den offiziellen Zahlen und individuellen Berichten auch dadurch, dass sich einige extreme Fälle zu Wort gemeldet hätten. Sie bestreitet demnach nicht, dass einige Mitarbeiter »sehr lange« Schichten gearbeitet hätten.

Dennoch seien diese nicht repräsentativ für die gesamte Arbeitskultur des Unternehmens. Einige würden sogar übertreiben, was ihre Arbeitszeiten betrifft und Rockstar sei bereit, den Beweis anzutreten, wenn die betreffenden Personen eine Freigabe der entsprechenden Daten erteilten.

Die Berichte der Mitarbeiter seien breit gefächert ausgefallen. Einige gaben an, Rockstar wegen der Arbeitsbedingungen verlassen zu haben, während andere den Entwickler als guten Arbeitsplatz beschrieben.

Alles »freiwillig«?

Ein Mitarbeiter zeigte sich wütend über den Kommentar des Studiochefs Dan Houser, der sagte, dass Überstunden freiwillig seien: »Dafür habe ich mich nicht freiwillig gemeldet.« Vielmehr habe er die Mehrarbeit als notwendiges Übel einer Beschäftigung bei Rockstar Games begriffen.

Houser hatte gesagt: »Niemand, ob Senior oder Junior, ist jemals gezwungen, hart zu arbeiten.« Der Mitarbeiter ist anderer Meinung, harte Arbeit sei bei Rockstar gleichbedeutend mit einer möglichst hohen Arbeitszeit. Einige Kollegen hätten sich gar untätig ins Büro gesetzt, wenn mit einer Chefvisite zu rechnen war, einfach um Anwesenheit zu zeigen. Der Mitarbeiter weiter:

"Der allgemeine Tenor bei Rockstar ist, dass das, was das Unternehmen am meisten schätzt, nicht die Bugs sind, die man behebt, sondern die Stunden, die man investiert."

Publishing-Chefin Kolbe stimmt dieser Aussage nicht zu, bestätigt aber, dass einige Kollegen Abende und Wochenenden durchgearbeitet hätten, um den Release von Red Dead Redemption 2 zu stemmen. Das sei Teil der Philosophie, bis an den Rand der Perfektion zu arbeiten. Kolbe im Wortlaut:

"Uns bedeuten die Spiele sehr viel. Ich denke, das kann manchmal dazu führen, dass man von bestimmten Dingen besessen wird."

A long way coming

Schon rund um den Release des ersten Red Dead Redemption (2010) sorgte ein anonymer Brief für einigen Wirbel, der die Arbeitsbedingungen kritisierte. Schon da sei der Druck durch 70-Stunden-Wochen enorm gewesen. Gruppenzwang habe in den Teams das Gefühl erzeugt, man könne nur durch lange Arbeitszeiten wirkliche Hingabe für das Projekt zeigen.

Obgleich Rockstar den Inhalt des anonymen Briefs seinerzeit von sich wies, gesteht Kolbe nun ein, dass man die Fehler heute anerkenne und beim Nachfolger-Projekt nicht habe wiederholen wollen.

Doch auch bei Max Payne 3 (2012) klagten Mitarbeiter über brutale Arbeitszeiten. Zudem sei die extra Arbeit nicht in allen Fällen angemessen entlohnt worden. Bei Rockstar seien Bonus-Zahlungen für Mitarbeiter stets an den kommerziellen Erfolg eines Produkts gebunden. Ist ein Spiel ein Hit, können sich Mitarbeiter teils über saftige Boni freuen. Dies sei bei Max Payne 3 nicht der Fall gewesen.

Bei GTA 5 habe es für viele in puncto Überstunden nicht rosiger ausgesehen. Mitarbeiter, die weniger als 60 Stunden pro Woche gearbeitet hätten, seien in Dokumenten mit roten Markierungen versehen worden. 80 Stunden pro Woche sei der Standard gewesen.

Ein Mitarbeiter aus Großbritannien gab an, durch die Arbeitszeiten bei Rockstar seine Beziehung und seine geistige Gesundheit eingebüßt zu haben. Dennoch bezeichnet er Rockstar als großartigen Arbeitgeber:

"Sie sind eine der besten Firmen [...] aber es ist nicht nur ein Job, es ist ein Lebensstil."

Bei Rockstar würden diverse Mittel eingesetzt, um die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu dokumentieren. Mitarbeiter hätten sich dadurch unter Druck gesetzt und beobachtet gefühlt. Allgemein herrsche ein Klima, das permanent das Maximum an Hingabe voraussetzt, und andere Mitarbeiter würden negativ reagieren, wenn jemand »nicht seinen Beitrag leistet«.

Während der Entwicklung von GTA 5 hätte Rockstar die interne Arbeitsteilung geändert. Von nun an hätten alle Studios gemeinsam an neuen Projekten gewerkelt. Dadurch sei der Druck auf einzelne Teams etwas gemildert worden.

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