Seite 2: Assassin’s Creed Mirage angespielt: Ubisoft geht viel weiter, als ich ihnen zugetraut hätte

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Wie funktioniert das Gameplay?

Stichwort »Erfahrungspunkte«: Vorbei sind die Zeiten des ewigen Auflevelns, um hier 2,5 Prozent mehr Nahkampfschaden und dort 3,5 Prozent mehr Stealth-Schaden zu verursachen. Mirage ist kein Rollenspiel.

Wenn ich in der Story voranschreite und Quests erledige, bekommt Basim zwar Skillpunkte, aber der Fähigkeitsbaum ist sehr kompakt: Mein Vogel kann plötzlich leichter Gegner markieren, in meine Tasche passt mehr Zeugs und hier und da wartet mal eine neue Fähigkeit, beispielsweise der automatische Messerwurf auf einen zweiten Gegner, nachdem ich den ersten meuchle.

Übernatürlicher Ausreißer ist hier ein Multi-Attentat, bei dem sich Basim zu mehreren Gegnern teleportiert. Aber wer solche Spielereien nicht nutzen will, kommt auch gut ohne klar.

Bagdad bietet eine kompakte Open World ohne typischen Ubisoft-Overkill. Bagdad bietet eine kompakte Open World ohne typischen Ubisoft-Overkill.

Generell ist alles in Mirage so wunderbar kompakt - auch die Open World! Ich muss keinen fliegenden Zetteln hinterherlaufen, keine doofen Federn sammeln, keine Steine stapeln, Sauf-Minispiele durchstehen, keine Muster in der Landschaft formen. Ubisoft distanziert sich hier ganz klar vom Aktivitäten-Overkill eines Valhalla. In den Gassen von Bagdad gibt es deutlich weniger Ablenkung - und die Aktivitäten, die ich gespielt habe, fühlen sich dafür sinnvoller an.

Beispielsweise finde ich nach wie vor wertvolle Kisten in bewachten Unterschlüpfen, die neue Waffen oder Rüstungen enthalten. Oder Materialien, mit denen ich selbige aufwerten kann. Diese Upgrades boosten aber nicht einfach erratisch irgendwelche Werte, sondern fördern gezielt bestimmte Spielstile. Klasse statt Masse. Ihr benutzt gerne Wurfmesser? Dann lohnt sich dieses eine Outfit, das Wurfmesserschaden verdoppelt.

Hier musste ich mal jemandem die Taschen leeren, dort mal einen Turm erklettern, aber Mirage hat vielleicht 20 Prozent des Open-World-Quatschs aus dem Vorgänger. Und diese Entschlackung tut dem Spiel richtig gut.

Zeit für Katzen muss immer sein! Zeit für Katzen muss immer sein!

Leider, leider, leider gibt es nach wie vor die grausigen World Events aus Valhalla, also winzige, spielerisch belanglose Quests. Die konnte ich bisher noch nicht anspielen, deshalb bleibe ich mal vorsichtig optimistisch: Am Ende zählt ja der Inhalt. Wenn die netten kleinen Nebengeschichten gut erzählt sind, bin ich der Letzte, der sich beschwert, solange ich nicht wieder einer Frau beim Furzen oder einem Pärchen beim Vögeln helfen muss.

Generell wirkt Mirage in erster Linie storybasiert: In den ersten anderthalb Stunden erlebe ich überhaupt keine Open-World-Aktivitäten, danach gab’s in der Demo einen Sprung zu einem späteren Spielstand - und selbst hier nehmen die Open-World-Ablenkungen viel weniger Raum ein verglichen mit der Hauptquest als in früheren Serienteilen. Fast alle Aktivitäten hängen mit dem großen Ziel zusammen, Bagdad von den mörderischen Templern zu befreien.

Ein paar Problemzonen gibt’s aber trotzdem.

Problemzone 1: Parkour

Was gehörte noch zum alten Assassin’s Creed? Richtig: Parkour. Und tatsächlich flitzt Basim angesichts der engen Gassen Bagdads häufig über Häuserdächer, um schnell von A nach B zu kommen. Hätte Mirage das Technikgerüst eines Assassin’s Creed Unity … hach, was könnte die Akrobatik sich fantastisch spielen. Hat es aber leider nicht.

Aus der Engine von Assassin’s Creed Valhalla lässt sich eben nur bedingt viel rausholen - hier merkt man Mirage seine einstige Existenz als DLC an: Das Parkour-Gameplay ist nicht wirklich gut. Die Devs packen zwar die ganze Stadt voll mit Querbalken, Rampen und Kisten, damit Basim in einen Flow kommt, aber sie missachten, was Parkour eigentlich gut macht: dass ich tatsächlich damit spielen und experimentieren kann!

Parkour gehört noch zu den Problemzonen von Mirage. Parkour gehört noch zu den Problemzonen von Mirage.

In den allerersten Assassin’s Creeds konnten Altair und Ezio beispielsweise selbst entscheiden, ob sie eine Wand hochlaufen, noch im Lauf zur Seite auf einen Querbalken hopsen und von dort auf ein Dach hinauf. Hüpft Altair mal daneben, greife ich manuell nach der nächstbesten Kante. In Unity konnte ich selbst entscheiden, ob ich von einem Balkon lieber an der Hausfassade »langparkoure« oder aufs Dach - es gab eigene Tasten für Parkour auf- und abwärts. In Mirage geht all das nicht. Stattdessen laufe ich. Und drücke A.

Anders als Eivor kann Basim zwar nicht mehr jede beliebige Oberfläche erklettern, sondern muss sich nach Griffkanten umschauen, aber dafür folge ich halt den ganzen offensichtlichen Rampen und Blumenkübeln der Entwickler. Und weil ich dabei so wenig manuelle Kontrolle habe, springt Basim auch dauernd daneben oder macht nicht exakt das, was ich machen will.

Aber gut, den meisten Fans dürfte das nicht so wichtig sein - am Ende muss ich von A nach B kommen und das klappt dank der ganzen Dächer im Schnitt ganz rasch.

Problemzone 2: Die Black-Box-Missionen

Groß angepriesen wurde derweil die Rückkehr der sogenannten Black-Box-Missionen aus Assassin’s Creed Unity, also Attentatsaufträge, in denen ich wie in Hitman in ein Areal geworfen werde und selbst nach Hinweisen und Gelegenheiten suchen muss, um meinen perfekten Kill zu planen.

In Mirage findet meine Demo-Black-Box auf einem Basar statt. Ich soll einen ominösen Schatzmeister töten, kenne dessen Identität aber nicht - um das zu ändern, helfe ich Leuten auf dem Basar bei deren Problemchen, schmuggel mich in eine Auktion und besorge mir eine wertvolle chinesische Haarnadel, um sie der Zielperson im stillen Kämmerlein als Geschenk anzubieten. Und sie dann umzubringen.

Basim belauscht fremde Gespräche, um Hinweise für sein Attentatsziel zu sammeln. Basim belauscht fremde Gespräche, um Hinweise für sein Attentatsziel zu sammeln.

In der Theorie eine richtig coole Mission, in der Praxis beschränkt sich Basims Entscheidungsfreiheit aber auf ein paar triviale Kleinigkeiten. Ich kann auf der Aktion zum Beispiel die wertvolle Haarnadel selbst ersteigern oder lasse jemand anders gewinnen, nur um ihm die Haarnadel danach zu klauen. Und beim Attentat selbst schaue ich mir eine Zwischensequenz an oder renne direkt rein und steche der Zielperson ein neues Ohrloch.

Die Mission selbst macht Spaß und ist cool inszeniert, aber das große Versprechen von Sandbox-Freiheit sehe ich hier nirgendwo.

Ihr müsst wissen, was ihr wollt

Trotzdem: Als jemand, der mit Valhalla wenig Freude hatte, bin ich von Assassin’s Creed Mirage wirklich, wirklich angetan. Ubisoft Bordeaux baut nicht einfach potemkinsche Dörfer, das ganze »Zurück zu den Wurzeln« ist mehr als bloß PR-Blabla und Mirage ein waschechtes Schleichspiel. Es fühlt sich so erfrischend an, mal wieder eine richtige Assassinengeschichte zu erleben und die Story macht mich gerade deshalb neugierig, weil ich ja weiß, was für ein Mensch Basim in Valhalla letztlich wird.

Ihr müsst nur wissen, was ihr erwartet. Mirage wird seinem reduzierten Preis gerecht: Es ist eben nicht die nächste große Evolutionsstufe von Assassin’s Creed, sondern fühlt sich mehr wie ein Spin-Off an, ein eigenes, etwas kleineres Kapitel, das aber problemlos für sich stehen kann. Sollte die Vollversion die Qualität der Anspiel-Demo halten, könnte es eines meiner kleinen Highlights 2023 werden. Solange die World Events nicht so werden wie in Valhalla.

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